Nachfolgend ein Beitrag vom 10.1.2019 von Enger, jurisPR-VersR 1/2019 Anm. 2
Leitsätze
1. Bei der Vermittlung einer Nettopolice mit separater Vergütungsvereinbarung ist der Kunde deutlich auf die Gefahren eines Frühstornos hinzuweisen, insbesondere darauf, dass er sich bei diesem Vertragsmodell deutlich schlechter stehen kann als bei dem Abschluss einer Bruttopolice (Anschluss an OLG München, Hinweisbeschl. v. 05.07.2016 – 20 U 1011/16 – NJOZ 2017, 1366).
2. Erhält der Versicherungsmakler ohne Wissen des Kunden für die Vermittlung einer Nettopolice neben der von dem Kunden zu zahlenden Vergütung auch eine Courtage von dem Versicherer, liegt regelmäßig eine Verwirkung des Honoraranspruchs wegen treuwidriger Doppeltätigkeit gemäß § 654 BGB vor.
A. Problemstellung
Bei der Vermittlung einer sog. Nettopolice werden die Vermittlungs- und Abschlusskosten – im Gegensatz zu sog. Bruttopolicen – nicht vom Versicherungsunternehmen in die vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien einberechnet. Vielmehr schließt der Versicherungsnehmer einen separaten Vertrag über die Vermittlung mit dem Versicherungsmakler ab – und damit eine sog. separate Vergütungsvereinbarung. Nach dieser Vereinbarung erhält der Versicherungsnehmer im Falle eines Frühstornos die Abschluss- und Vertriebskosten nicht zurück, und die Summe wird in voller Höhe sofort fällig gestellt. Bei einer Nettopolice gilt weder der Schicksalsteilungsgrundsatz noch die Mindestrückkaufsregelung des § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG oder das Abzugsverbot gemäß § 169 Abs. 5 VVG. Aus diesem Grund ist jedenfalls im Falle eines Frühstornos eine Bruttopolice für den Versicherungsnehmer regelmäßig deutlich günstiger.
Das LG Köln hat nun entschieden, dass der Kunde bei der Vermittlung einer Nettopolice mit separater Vergütungsvereinbarung deutlich auf die Gefahren im Falle eines Frühstornos hinzuweisen ist. Der Kunde muss dabei ausdrücklich auch darauf hingewiesen werden, dass er sich bei diesem Vertragsmodell im Vergleich zu der Vermittlung einer Bruttopolice deutlich schlechter stellen kann.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die klagende Versicherungsmaklerin nahm die beklagte Versicherungsnehmerin auf Zahlung der restlichen Vergütung für die Vermittlung einer fondsgebundenen Rentenversicherung in Anspruch. Im Ergebnis wies die Kammer die Klage ab. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin kein Anspruch auf weitere Zahlungen aus dem mit der Beklagten geschlossenen Einrichtungsauftrag und der dort geregelten Vergütungsvereinbarung zusteht. Der Beklagten hingegen stehe gegen die Klägerin ein Anspruch auf Befreiung von der Zahlungsverpflichtung aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der der Klägerin obliegenden Aufklärungspflichten zu. Für die Klägerin gehandelt hatte im streitgegenständlichen Fall der Zeuge T. Dieser ist für die Klägerin als Vermittler tätig.
Die Kammer war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte weder in ausreichendem Maße noch rechtzeitig über die Besonderheiten einer Nettopolice in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen „Einrichtungsauftrag“ aufgeklärt worden ist.
Das Landgericht nahm sehr weitgehende Aufklärungs- und Beratungspflichten der Klägerin an, die sich zum Teil aus den besonderen Umständen der Vertragsanbahnung sowie aus der Person der Versicherungsnehmerin ergaben.
Gemäß § 61 Abs. 1 VVG habe der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und den zu zahlenden Prämien zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Gemäß § 60 Abs. 2 VVG habe der Versicherungsmakler, der auf eine eingeschränkte Auswahl hinweise, dem Versicherungsnehmer zudem mitzuteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage er die Leistung erbringe und die Namen der dem Rat zugrunde gelegten Versicherer anzugeben. Die Informationen nach den §§ 60 Abs. 2 und 61 Abs. 1 VVG seien dem Versicherungsnehmer gemäß § 62 Abs. 1 VVG vor dem Abschluss des Vertrages klar und verständlich in Textform zur Verfügung zu übermitteln. Eine mündliche Übermittlung sei nur dann zulässig, wenn der Versicherungsnehmer dies wünsche.
Das Landgericht kam nach der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die Beklagte die betreffenden Informationen nicht vor Abgabe der Vertragserklärung in Textform erhalten hat. Dafür habe bereits der Umstand gesprochen, dass sämtliche Dokumente, d.h. Antragsformular, Einrichtungsauftrag sowie Beratungsdokumentation am selben Tag unterzeichnet wurden. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass zwar das Gesetz mehrere Tage Bedenkzeit nicht unmittelbar vorschreibt, dies jedoch gerade bei komplizierten Versicherungsprodukten wie Produkten zur Altersvorsorge, die mit weitreichenden finanziellen Belastungen verbunden sind, dennoch geboten erscheint.
Zudem ging die Kammer davon aus, dass die übermittelten Informationen nicht ausreichend gewesen waren, um die Versicherungsnehmerin über die Besonderheiten einer Nettopolice aufzuklären.
Die Kammer hat dabei nicht verkannt, das ein Makler zwar üblicherweise nur verpflichtet sei, über das von ihm zu vermittelnde Versicherungsverhältnis umfangreich zu beraten, nicht jedoch über den vorgelagerten Maklervertrag selbst. Wenn jedoch besondere Umstände vorlägen, anhand derer der Makler davon ausgehen müsse, dass der künftige Vertragspartner die Verhältnisse nicht durchschaue, sei dieser ausnahmsweise nach Treu und Glauben auch diesbezüglich zu weitergehender Aufklärung verpflichtet (so BGH, Urt. v. 14.06.2007 – III ZR 269/06 – NJW-RR 2007, 1503). Dies soll insbesondere bei Anhaltspunkten für ein fehlerhaftes Verständnis oder eine besondere geschäftliche Unerfahrenheit gelten (vgl. BGH, Urt. v. 14.06.2007 – III ZR 269/06 – NJW-RR 2007, 1503). Die Aufklärungspflicht erstrecke sich dann insbesondere auch auf die Auswirkungen des Abschlusses einer Nettopolice im Fall einer vorzeitigen Kündigung. Der Kunde müsse deutlich auf den Umstand hingewiesen werden, dass der Kunde bei der Nettopolice auch dann zur Zahlung der vollen Vergütung verpflichtet bleibe, wenn der vermittelte Versicherungsvertrag nach kurzer Zeit beendet werde (OLG München, Hinweisbeschl. v. 05.07.2016 – 20 U 1011/16 – VersR 2017, 616, unter Verweis auf BGH, Urt. v. 25.09.2014 – III ZR 440/13 – NJW-RR 2015, 548).
In dem Fall, der dem LG Köln zur Entscheidung vorlag, war auf dem Formular für den Einrichtungsauftrag ein vorgedruckter Hinweis auf die Unabhängigkeit des Einrichtungsauftrags von dem Versicherungsvertrag enthalten. Das Gericht sah diesen Hinweis jedoch angesichts der besonderen Umstände des Falles nicht als ausreichend an.
Insbesondere könne ein Kunde, der nicht über vertiefte Kenntnisse im Versicherungsrecht verfüge, von einem pauschalen vorgedruckten Hinweis auf die rechtliche Unabhängigkeit der Vergütungsvereinbarung auch bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages nicht entnehmen, dass er auch bei Beendigung des Versicherungsvertrage nach kurzer Zeit zur Zahlung der vollen Vergütung verpflichtet bleibe und daher erheblich schlechtergestellt werde, als bei dem Abschluss einer Bruttopolice (vgl. OLG München, Hinweisbeschl. v. 05.07.2016 – 20 U 1011/16).
Das Landgericht nahm zunächst bereits eine allgemeine Beratungspflicht an, die sich im Falle der Vermittlung einer Nettopolice insbesondere darauf erstrecke, dass der Kunde im Falle einer frühzeitigen Kündigung – anders als bei einer Bruttopolice – nicht nur keine Rückzahlung des Vermittlungsentgelts erhalte, sondern darüber hinaus weitere Beträge an den Vermittler zahlen müsse und er so deutlich schlechter stehe als beim Abschluss einer Bruttopolice (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.03.2016 – 12 U 144/15 – VersR 2016, 856; OLG München, Hinweisbeschl. v. 05.07.2016 – 20 U 1011/16; OLG Hamm, Beschl. v. 23.08.2017 – 20 U 38/17 – RuS 2018, 623). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer würde regelmäßig davon ausgehen, dass er im Falle eines Frühstornos einen Teil der Abschluss- und Vertriebskosten zurückerhalte. Bei einem anzustellenden Kostenvergleich zwischen Brutto- und Nettopolice müsse auch das separat in Rechnung gestellte Honorar berücksichtigt werden (Dörner in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 59 Rn. 55).
Im streitgegenständlichen Fall nahm das Gericht zudem ein erhöhtes Informationsbedürfnis der Versicherungsnehmerin an, welches auch für den Zeugen T erkennbar gewesen sei. Dieses habe sich aus dem Umstand ergeben, dass die Beklagte rumänische Staatsangehörige war und die Beklagte zwar der deutschen Sprache mächtig, jedoch mit einem deutlichen Akzent gesprochen habe. Bereits aus diesem Umstand ergebe sich ein erhöhter Aufklärungsbedarf. Der Zeuge T habe nicht davon ausgehen können und dürfen, dass die Beklagte im Rahmen der Übergabe der Unterlagen und der Unterschriftsleistung den Inhalt der vorgedruckten Formulare zutreffend zur Kenntnis nehmen konnte. Zur Begründung führte das Gericht nachvollziehbar aus, dass es für einen Nichtmuttersprachler schwieriger sei, die in „Vertragsdeutsch“ formulierten Informationen richtig zu erfassen als für einen Muttersprachler. Auch der Umstand, dass sich der Zeuge T und die Beklagte in einem Bordell kennengelernt hatten, in dem die Beklagte seinerzeit als Prostituierte tätig war und als Berufsbezeichnung im Antragsformular „Masseurin“ angegeben war, belege, dass der Zeuge lediglich unterdurchschnittliche wirtschaftliche bzw. juristische Kenntnisse voraussetzen durfte. Aus der Beratungsdokumentation habe sich zudem ergeben, dass die Beklagte nur über geringe Kenntnisse im Bereich verschiedener Geldanlageformen verfüge. Ferner habe sich die Gefahr eines Frühstornos förmlich aufgedrängt, weil der Zeuge T gewusst habe, dass die Beklagte als Prostituierte tätig war und insoweit nicht von einem langfristig gesicherten Einkommen ausgegangen werden konnte.
Auch der sich aus der Beratungsdokumentation ergebende Hinweis auf gute Kenntnisse der Beklagten im Bereich der fondsgebundenen Lebensversicherung beziehe sich lediglich auf einen Riester-Vertrag, den die Beklagte nicht selbst, sondern mit ihrem ehemaligen Ehemann abgeschlossen hatte. Die Anhörung der Beklagten habe ergeben, dass sie den Unterschied zwischen einem Versicherungsvertreter und einem Versicherungsmakler nicht kenne. Auch auf die Frage, ob über den Rückkaufswert gesprochen worden sei, habe das Gericht den Eindruck gewonnen, dass die Beklagte nicht wusste, was der Begriff Rückkaufswert genau bedeute.
Aus der Gesamtschau der erläuterten Umstände ist das LG Köln zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte die wirtschaftlichen Folgen einer vorzeitigen Kündigung der Versicherung, insbesondere die bestehen bleibende Verpflichtung zur Zahlung der vollen Vergütung, nicht verstanden hatte und der Kläger, vertreten durch den Zeugen T, die Beklagte nicht ausreichend aufgeklärt hatte. Dies gelte selbst dann, wenn der Zeuge T die Beklagte darauf hingewiesen habe, dass die Vergütungsvereinbarung nicht kündbar sei und die Vergütung auch im Falle einer Kündigung voll zu zahlen sei. Der Kunde müsse nämlich in der Lage sein, hieraus den wirtschaftlichen Schluss zu ziehen, dass er – anders als bei einer Bruttopolice – nicht nur keine Rückzahlung erhalte, sondern darüber hinaus [gegebenenfalls] weitere Beträge zahlen müsse und sich so deutlich schlechter stelle als beim Abschluss einer Bruttopolice (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.03.2016 – 12 U 144/15 – VersR 2016, 856; vgl. OLG München, Hinweisbeschl. v. 05.07.2016 – 20 U 1011/16; OLG Hamm, Beschl. v. 23.08.2017 – 20 U 38/17).
Der Versicherungsnehmer müsse daher ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass bei der Vermittlung von Nettopolicen weder der Schicksalsteilungsgrundsatz noch die Mindestrückkaufswertregelung des § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG oder das Abzugsverbot des § 169 Abs. 5 VVG zu beachten sind, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer häufig davon ausgehen werde, dass er im Falle eines Frühstornos wenigstens einen Teil der Abschluss- und Vertriebskosten zurückerhalte. Bei einem anzustellenden Kostenvergleich zwischen Bruttopolice und Nettopolice müsse auch das in Rechnung gestellte Honorar berücksichtigt werden (vgl. Dörner in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 55).
Eine Beratung im Sinne der vorgesetzten Grundsätze und des erhöhten und für den Kläger erkennbaren erhöhten Informationsbedürfnisses konnte das Gericht in dem entschiedenen Fall nicht feststellen. Der Zeuge T habe insoweit selbst angegeben, dass er nur Nettopolicen vermittele und von sich aus die Frage des Rückkaufswertes nicht anspreche. Aus den vorgenannten Gründen stand für das Gericht entgegen der schriftlichen Beratungsdokumentation fest, dass der Zeuge T im Rahmen der Beratung keine wirkliche Gegenüberstellung von Brutto- und Nettopolice vorgenommen hatte. Insbesondere habe er die Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass im Falle eines Frühstornos eine Bruttopolice deutlich günstiger wäre als eine Nettopolice, weil die Beklagte dann zumindest einen Teil der eingezahlten Beträge zurückerhalten könnte.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des LG Köln fügt sich in eine ganze Reihe von Entscheidungen zu dem Themenkreis über Beratungspflichten bei der Vermittlung von Nettopolicen ein. So hat bereits das OLG Karlsruhe (Urt. v. 24.03.2016 – 12 U 144/15, m. Anm. Reiff, VersR 2016, 858) im Fall einer Vermittlung durch einen Versicherungsvertreter entschieden, dass die Beratung bzw. Aufklärung über eine sog. Nettopolice der besonderen Dokumentationspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 2, § 62 VVG unterliegt. Die gegen das Urteil des OLG Karlsruhe zunächst eingelegte Revision wurde zurückgenommen, so dass das Urteil mittlerweile rechtskräftig ist.
Die Rechtsprechung, die eine gesteigerte Aufklärungspflicht bei Nettoverträgen annimmt, verdichtet sich. Dies mag zunächst verwundern, da zum einen bei Abschluss des Vertrages der Fall eines Frühstornos doch eher fernliegt und zum anderen das eigentliche Nettoprodukt für den Kunden auch attraktiv sein kann und grundsätzlich keine Aufklärungspflicht über Vergütungsfragen besteht. Im Ergebnis ist die Annahme einer gesteigerten Aufklärungspflicht jedoch richtig, weil statistisch gesehen eine ganze Reihe von langläufigen Altersvorsorgeprodukten storniert wird. Insoweit besteht jedenfalls abstrakt ein relevantes Risiko, und der vermeintliche Vorteil für den Kunden bei einer Nettopolice (keine oder niedrigere einkalkulierte Abschusskosten) wird ebenfalls durch Nachteile beim Honorar ausgeglichen. Diesen Zusammenhang mit seinen Folgen im Falle eines Frühstornos sollte der Kunde verstanden haben, bevor er sich für eine Nettopolice entscheidet.
D. Auswirkungen für die Praxis
Für Versicherungsvermittler ergeben sich neben den allgemeinen Aufklärungs- und Beratungspflichten aus § 61 VVG – je nach den Umständen der Vertragsanbahnung sowie des Vertragsschlusses – erweiterte umfangreiche Aufklärungspflichten, die sich insbesondere auch aus der Person des Kunden ergeben können, wenn dieser – wie hier – etwa besonders unerfahren oder der deutschen „Vertragssprache“ nicht ausreichend mächtig ist.
Versicherer, die Nettopolicen anbieten, sollten im eigenen Interesse darauf achten, dass Vermittler auf Besonderheiten hinweisen und die Kunden ausreichend aufklären. Zwar haftet der Versicherer nicht unmittelbar für ein Beratungsverschulden des Versicherungsmaklers, dennoch sind Versicherungsunternehmen aufsichtsrechtlich gehalten, strukturell dafür Sorge zu tragen, dass es nicht zu Fehlberatungen gegenüber Kunden kommt. So müssen Versicherungsunternehmen gemäß § 48 Abs. 2a VAG durch geeignete Maßnahmen der Geschäftsorganisation, insbesondere durch den Erlass interner Leitlinien, sicherstellen, dass die Anforderungen die in § 48 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VAG (i.V.m. § 34d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 GewO) aufgestellten Anforderungen an den Versicherungsvertrieb eingehalten, überwacht und dokumentiert werden. Daneben haben Versicherungsunternehmen gemäß § 23 Abs. 1a bis Abs. 1c VAG durch Einführung des Produktfreigabeverfahrens (Einführung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.01.2016 über Versicherungsvertrieb (IDD)) insbesondere allen Vertreibern sämtliche sachgerechten Informationen zu dem Versicherungsprodukt und dem Produktfreigabeverfahren, einschließlich des bestimmten Zielmarkts des Versicherungsprodukts, zur Verfügung zu stellen, so dass eine umfassende und zielgerechte Beratung der Kunden gewährleistet wird.
Nach den mit diesem Urteil nochmals bekräftigten Grundsätzen ist es demnach erforderlich, dass der Kunde in die Lage versetzt wird, sich nach reiflicher Überlegung für eine Nettopolice und gegen eine Bruttopolice zu entscheiden, weil es sich beispielsweise um den transparenteren Weg handeln (kann) und die Kosten ggf. geringer sind. Dafür soll es nun auch nach dem LG Köln erforderlich sein, den Kunden entsprechend zu beraten und ihm die für eine wohlüberlegte Entscheidungsfindung notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, so dass der Kunde eine solche Wahl überhaupt treffen kann.
Das Gericht ließ abschließend zwar offen – warf aber dennoch die Frage auf –, ob die Beratungsdokumentation nicht auch in sich Zweifel aufwerfe im Hinblick auf das vorsorgeorientierte Anlageziel, mit dem die Sicherung des Lebensstandards im Alter verfolgt werde und dieses nur schwer mit dem erhöhten Risiko einer wachstumsstarken Anlage in Einklang zu bringen sei.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
In dem vom LG Köln zu entscheidenden Fall kam noch hinzu, dass nach den Feststellungen des Landgerichts die Versicherungsmaklerin sowohl von der Versicherungsnehmerin als auch von dem Versicherungsunternehmen eine Vergütung erhalten hatte und diesen Umstand der Versicherungsnehmerin gegenüber nicht offengelegt hatte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die klagende Versicherungsmaklerin für die Vermittlung des Lebensversicherungsvertrags sowohl mittels eines Einrichtungsauftrags eine Vergütung von der beklagten Versicherungsnehmerin als auch eine Zusatzvergütung von dem Versicherungsunternehmen erhalten und diese nicht offengelegt hatte.
Aus diesem Grund nahm die Kammer bereits deswegen eine Verwirkung des Honoraranspruchs gemäß § 654 BGB wegen treuwidriger Doppeltätigkeit an und wies die Klage ab. Zur Begründung führte die Kammer aus, die Versicherungsmaklerin habe die Versicherungsnehmerin über die ihr von der Versicherungsgesellschaft gewährten Vorteile in Form der Zusatzvergütung informieren müssen. Ein vom Versicherungsnehmer beauftragter Versicherungsmakler sei dessen Interessen- und sogar Abschlussvertreter und habe ihm als Vertrauter und Berater individuellen Versicherungsschutz zu besorgen und weitgespannte Betreuungs- und Beratungsverpflichtungen (vgl. BGH, Urt. v. 14.06.2007 – III ZR 269/06 – NJW-RR 2007, 1503). Biete der Makler eine Nettopolice an, bringe er damit konkludent zum Ausdruck, dass der Versicherungsnehmer bei erfolgreicher Vermittlung an ihn ein Vermittlerhonorar zahlen muss (vgl. Dörner in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 84). Die Vermittlung einer Nettopolice unterscheide sich gerade dadurch von der Vermittlung einer Bruttopolice, dass bei einer Bruttopolice typischerweise der Versicherungsvermittler eine Courtage von dem Versicherer erhalte und der Versicherer diese Abschlusskosten dann in den durch den Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien an diesen weiterberechnet. Die Kammer führt insoweit aus, dass vor diesem Hintergrund ein Versicherungsmakler, der eine Nettopolice vermittelt, den Eindruck erwecke, dass er allein von dem Versicherungsnehmer entlohnt werde und gerade keine (zusätzliche) Vergütung von dem Versicherer erhalte. Lässt er sich gleichwohl von dem Versicherer eine Vergütung zahlen, so muss er den Versicherungsnehmer über diesen Umstand aufklären. Unterlässt er dies, so verstößt er dadurch gegens seine ihm obliegenden Treupflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer und verwirkt seinen Honoraranspruch gemäß § 654 BGB (vgl. Dörner in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 88). Der Makler muss zudem alle Vorteile und damit insbesondere Gewinnbeteiligungen und Vermittlungsprovisionen an den Versicherungsnehmer herausgeben, die ihm im Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung für den Versicherungsnehmer seitens des Versicherers zugewandt werden (Dörner in: Prölss/Martin, VVG, § 59 Rn. 88).
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