Nachfolgend ein Beitrag vom 11.1.2017 von Hamann, jurisPR-ArbR 2/2017 Anm. 2

Leitsätze

1. Arbeitnehmerüberlassung ist nicht allein deshalb „vorübergehend“, weil sie zeitlich befristet erfolgte.
2. Der in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG aufgenommene Begriff „vorübergehend“ ist unionsrechtskonform dahin gehend auszulegen, dass sowohl eine personenbezogene als auch eine aufgabenbezogene Betrachtung zu erfolgen hat.
3. Aufeinanderfolgende zeitlich begrenzte Überlassungen zur Verrichtung der gleichen dauerhaft anfallenden Aufgaben sind jedenfalls dann nicht mehr „vorübergehend“, wenn es für die Befristung keinen sachlichen Grund gibt.

A. Problemstellung

Aufgrund des Beschlusses des BAG vom 10.07.2013 (7 ABR 91/11; Hamann, jurisPR-ArbR 47/2013 Anm. 1) steht fest, dass dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Gesetzesverstoßes zusteht, wenn der Einsatz eines Leiharbeitnehmers nicht „vorübergehend“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG erfolgen soll. Umstritten ist, wie dieser unbestimmte Rechtsbegriff inhaltlich zu konkretisieren ist (zum Meinungsstand: Hamann, NZA 2015, 904, 905 Fn. 18, 19; Sansone in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2015, § 8 Rn. 26). Das LArbG Kiel liefert dazu einen Beitrag.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Arbeitgeberin ist ein in Deutschland ansässiges Tochterunternehmen eines weltweit im Bereich der Gesundheitsvorsorge agierenden Konzerns. Seit dem 01.02.2011 setzt sie im Bereich Franchise Operations Development (FOD) die Leiharbeitnehmerin P als Assistentin auf einem Dauerarbeitsplatz ein. Im Frühjahr 2013 beantragte die Arbeitgeberin bei dem Betriebsrat die Zustimmung zur erneuten befristeten Beschäftigung der P vom 01.04.2013 bis zum 31.03.2015. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung, weil die Beschäftigung der P auf einem Dauerarbeitsplatz erfolge. Das verstoße gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG und damit gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. P wurde dann vorläufig gemäß § 100 BetrVG weiter beschäftigt. Zugleich leitete die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ein. Der Antrag wurde in zwei Instanzen zurückgewiesen, das Revisionsverfahren infolge Zeitablaufs nicht mehr durchgeführt.
Auch nach dem 31.03.2015 setzte die Arbeitgeberin die P auf dem bisherigen Arbeitsplatz ein. Deshalb leitete der Betriebsrat im September 2015 ein Zwangsgeldverfahren gemäß § 101 BetrVG ein. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung der P als Assistentin im Bereich FOD für die Zeit vom 28.09.2015 bis zum 27.09.2016. Nachdem der Betriebsrat erneut die Zustimmung verweigert hatte, beschäftigte die Arbeitgeberin die P wiederum vorläufig gemäß § 100 BetrVG weiter, unterrichtete den Betriebsrat hierüber und leitete, nachdem dieser die Dringlichkeit der vorläufigen Maßnahme bestritten hatte, das vorliegende Verfahren auf Zustimmungsersetzung und Feststellung der Erforderlichkeit der vorläufigen Beschäftigung der P ein. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen.
1. Den Zustimmungsersetzungsantrag erachtet das LArbG Kiel als unbegründet. Der Einsatz der Leiharbeiterin P verstoße gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG und damit ein Gesetz i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. In Übereinstimmung mit inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BAG (Beschl. v. 10.07.2013 – 7 ABR 91/11; Hamann, jurisPR-ArbR 47/2013 Anm. 1; BAG, Beschl. v. 30.09.2014 – 1 ABR 79/12; Bissels, jurisPR-ArbR 10/2015 Anm. 1) sieht das Landesarbeitsgericht in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ein Verbotsgesetz i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Gegen dieses Verbot werde verstoßen, indem die Leiharbeitnehmerin P nicht nur vertretungs- oder aushilfsweise auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt werden solle. Das ergebe eine richtlinienkonforme Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. Mit dem neu durch das Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 28.04.2011 (BGBl I, 642; zukünftig: Missbrauchsverhinderungsgesetz) eingefügten Satz 2 in § 1 Abs. 1 AÜG habe der Gesetzgeber die Richtlinie über Leiharbeit (RL 2008/104/EG v. 19.11.2008, ABl EU 2008 Nr. L 327/9; künftig: RL Leiharbeit) „vollständig, eins zu eins“ in nationales Recht umsetzen wollen (BT-Plenarprotokoll 17. Wahlperiode, S. 11366

[B]). Daher sei der Begriff „vorübergehend“ im Lichte des Unionsrechts auszulegen. Diese Auslegung ergebe, dass eine „vorübergehende“ Überlassung nicht vorliege, wenn der Leiharbeitnehmer beim Entleiher – befristet oder unbefristet – Daueraufgaben erfülle und diese vom Leiharbeitnehmer nicht nur aushilfsweise wahrgenommen würden. „Vorübergehend“ habe nicht nur eine arbeitnehmerbezogene, sondern zusätzlich eine arbeitsplatzbezogene Komponente. Nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 RL Leiharbeit ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen gemäß ihren nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten, um eine missbräuchliche Anwendung dieses Artikels zu verhindern und um insbesondere aufeinanderfolgende Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden sollen, zu verhindern. Ein solcher Missbrauch liege bei der Befriedigung eines Dauerbeschäftigungsbedarfs durch Leiharbeitnehmer vor. Dadurch würden Leiharbeitnehmern die in der Regel besseren Arbeitsbedingungen bei dem Entleiher vorenthalten, obwohl sie aufgrund des dauernden Beschäftigungsbedarfs als Stammarbeitnehmer eingestellt werden könnten. Leiharbeit dürfe nicht zur Umgehung tariflicher Arbeitsbedingungen missbraucht werden. Zusätzlich stützt das Landesarbeitsgericht seine Auslegung auf die Erwägungsgründe 8 und 11 der RL Leiharbeit. Danach sollen dem Flexibilisierungsbedarf der Unternehmen Rechnung getragen und die Flexibilität gefördert werden. Damit sei aber lediglich die Abdeckung von Auftragsspitzen oder eines Vertretungsbedarfs gemeint, nicht hingegen die Abdeckung eines ständigen Beschäftigungsbedarfs durch Leiharbeitnehmer. Letzteres stelle einen institutionellen Rechtsmissbrauch dar.
Für diese Auslegung spreche zudem die Parallele zum Begriff „vorübergehend“ in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG, der einen zeitlich begrenzten Beschäftigungsbedarf meine. Da der Gesetzgeber den Begriff „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht anders definiert habe, könne nicht angenommen werden, derselbe Begriff solle verschiedene Inhalte haben.
Im zu entscheidenden Fall ergebe sich auch nichts anderes daraus, dass der Stellenplan bei der Arbeitgeberin für die Tätigkeit der Assistentin keine Planstelle ausweise. Entscheidend sei, ob objektiv eine Daueraufgabe vorliege. Ansonsten könnte ein Arbeitgeber über die Gestaltung des Stellenplans das AÜG unterlaufen. Da die Leiharbeitnehmerin P schon 4 1/2 Jahre mit derselben Tätigkeit beschäftigt wurde, erfolgte eine Fortsetzung der Tätigkeit nicht mehr „vorübergehend“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG.
2. Den Antrag auf Feststellung, dass die Einstellung der P als vorläufige Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, wies die Kammer als unzulässig zurück. Die Beschwerdebegründung enthielt keinerlei Ausführungen zur vorläufigen Beschäftigung und zu einer etwaigen Erforderlichkeit.

C. Kontext der Entscheidung

Bisher musste das BAG nicht entscheiden, wie „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG zu konkretisieren ist. Es ging jeweils um zeitlich unbefristete Einsätze von Leiharbeitnehmern. Die Instanzrechtsprechung ist uneinheitlich. Zum Teil wird bereits ein befristeter Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz für unzulässig gehalten (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2012 – 4 TaBV 1163/12; Zimmermann/Gregori, jurisPR-ArbR 40/2013 Anm. 4; LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.01.2013 – 15 Sa 1635/12; Hamann, jurisPR-ArbR 10/2013 Anm. 1; LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.03.2013 – 18 TaBV 2150/12, 18 TaBV 2192/12; Bissels, jurisPR-ArbR 32/2013 Anm. 3). Anderen Entscheidungen zufolge ist das Merkmal „vorübergehend“ arbeitsplatzbezogen zu verstehen. Es komme darauf an, ob der Einsatz des Leiharbeitnehmers zur Abdeckung eines nur zeitlich befristeten Beschäftigungsbedarfs erfolge (LArbG Hamburg, Beschl. v. 23.09.2014 – 2 TaBV 6/14; Ulrici, jurisPR-ArbR 17/2015 Anm. 4; LArbG Stuttgart, Urt. v. 31.07.2013 – 4 Sa 18/13; LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.01.2013 – 24 TaBV 1868/12; LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.04.2013 – 4 TaBV 2094/12; Klein, jurisPR-ArbR 39/2013 Anm. 4; LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 01.03.2013 – 9 TaBV 2113/12). Wiederum anderen Entscheidungen zufolge ist „vorübergehend“ arbeitnehmerbezogen auszulegen; entscheidend sei, dass die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei demselben Entleiher zeitlich begrenzt erfolge (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.05.2014 – 14 TaBV 184/14; Hamann, jurisPR-ArbR 43/2014 Anm. 2; LArbG Frankfurt, Beschl. v. 20.11.2014 – 9 TaBV 108/14; Bissels, jurisPR-ArbR 20/2015 Anm. 2; LArbG Hamburg, Beschl. v. 04.09.2013 – 5 TaBV 6/13; LArbG Düsseldorf, Beschl. v. 02.10.2012 – 17 TaBV 48/12; Boemke, jurisPR-ArbR 6/2013 Anm. 1), wozu schon die Kündbarkeit des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ausreichen soll (LArbG Stuttgart, Urt. v. 09.04.2013 – 6 Sa 105/12; Hamann, jurisPR-ArbR 31/2013 Anm. 2). Entsprechend uneinheitlich stellt sich das Meinungsspektrum in der Literatur dar (zum Meinungsstand Sansone, in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2015, 26).
Vorzugswürdig erscheint eine „Sowohl-als auch-Lösung“: Vorübergehend ist der Einsatz zum einen, wenn er – arbeitsplatzbezogen – zur Abdeckung eines beim Entleiher nur zeitlich begrenzten Beschäftigungsbedarfs erfolgt, zum anderen aber auch dann, wenn ein Leiharbeitnehmer für einen begrenzten Zeitraum zur Erledigung von Daueraufgaben überlassen wird und die Leiharbeit nicht missbräuchlich zur Umgehung der Ziele der Richtlinie Leiharbeit genutzt wird.
Mit dem neu in § 1 Abs. 1 AÜG eingefügten Satz 2 wollte der nationale Gesetzgeber die entsprechende Vorgabe in Art. 3 Abs. 1 lit. e RL Leiharbeit umsetzen, wobei er allerdings bewusst von einer näheren Konkretisierung Abstand genommen hat (krit. dazu Düwell, ZESAR 2011, 449, 453, 455 f.; Hamann, RdA 2014, 271, 272; Sansone, Gleichstellung von Leiharbeitnehmern nach deutschem und Unionsrecht, 2011, S. 463 f.). Da auch die RL Leiharbeit den Begriff „vorübergehend“ nicht definiert, ist sein Inhalt durch unionsrechtsautonome Auslegung zu ermitteln. Wortlaut und Historie ergeben keinen weiteren Aufschluss. Es kommt folglich entscheidend auf die systematische und vor allem die teleologische Auslegung an. Wie sich aus Art. 2 RL Leiharbeit ergibt, verfolgt die Richtlinie ein ausgewogenes Verhältnis von Schutz der Leiharbeitnehmer und Interesse der Arbeitgeber an einer Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen (sog. Flexicurity; vgl. Erwägungsgrund Nr. 9; Brors, ArbuR 2013, 108, 111 f.; EU-ArbR/Rebhahn/Schörghofer, 2016, RL 2008/104/EG, Art. 1 Rn. 15). Den Schutz der Leiharbeitnehmer bezwecken vor allem der Grundsatz des Equal Pay and Treatment (Art. 5 Abs. 1 RL Leiharbeit) und die gewollte Vollintegration der Leiharbeitnehmer in das entleihende Unternehmen (Art. 6 RL Leiharbeit). Demgegenüber ist das wirtschaftliche Interesse der entleihenden Unternehmen, ihre typischen Arbeitgeberrisiken und die Personalkosten zu flexibilisieren, indem sie zwischen teuren eigenen Arbeitnehmern und kostengünstigeren Leiharbeitnehmern ohne vertragliche Bindung wählen können, kein Richtlinienziel. Diese Art von Flexibilität schützt die RL Leiharbeit nicht (Brors, ArbuR 2013, 108, 111 f.; Hamann, Anm. zu BAG v. 10.7.2013, AP Nr 33 zu § 1 AÜG; Schüren/Fasholz, NZA 2015, 1473, 1474). Zentrale Bedeutung erlangt hierbei der auch vom Landesarbeitsgericht in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellte Abs. 5 des Art. 5 RL Leiharbeit. Der Richtliniengeber sieht in einer aufeinanderfolgenden Kette von Überlassungen an denselben Entleiher prinzipiell ein rechtstechnisches Instrument zur Umgehung der Ziele der RL Leiharbeit. Eine Überlassungskette ermöglicht eine dauerhafte Vermeidung der Gleichstellung der Leiharbeitnehmer und ist geeignet, ihnen den Zugang in ein Arbeitsverhältnis zum entleihenden Unternehmen zu verwehren. Ein solcher institutioneller Missbrauch der Leiharbeit steht nicht zu befürchten, wenn der Einsatz im entleihenden Unternehmen an einen vorübergehenden Beschäftigungsbedarf geknüpft ist, „vorübergehend“ also arbeitsplatzbezogen ist. Die Missbrauchsgefahr besteht ferner dann nicht, wenn verhindert wird, dass derselbe Leiharbeitnehmer „aufeinander folgend“ an dasselbe entleihende Unternehmen überlassen wird, ohne dass dort ein zeitlich begrenzter Beschäftigungsbedarf besteht. Insofern stellt sich eine mit der Zulässigkeit von Befristungsketten vergleichbare Wertungsfrage. Mit anderen Worten: Sollen Leiharbeitnehmer zur Abdeckung eines Dauerbeschäftigungsbedarfs eingesetzt werden, ist es mangels gesetzlicher Regelung Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, Maßstäbe für eine gemessen an den Richtlinienzielen noch hinnehmbare Gesamtdauer der Überlassung sowie der Zulässigkeit aufeinander folgender befristeter Überlassungen zu entwickeln. Und hier bietet es sich an, sich an die Wertungen in § 14 Abs. 2 bis 4 TzBfG anzulehnen (näher Hamann, NZA 2011, 70, 72 ff.; Hamann, jurisPR-ArbR 43/2014 Anm. 2).
Mit Wirkung zum 01.04.2017 liefert der Gesetzgeber die überfällige Konkretisierung von „vorübergehend“ nach. Das im Herbst 2016 von Bundestag und Bundesrat beschlossene „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ (BT-Drs. 18/9232 u. BT-Drs. 18(11)770; künftig: AÜG 2017) sieht in dem neuen § 1 Abs. 1b AÜG die Wiedereinführung einer Überlassungshöchstgrenze vor, diesmal von 18 Monaten. Für zum Stichtag bereits laufende Überlassungsverträge beginnt die Frist am 01.04.2017 zu laufen (§ 19 Abs. 2 AÜG 2017). Abweichungen von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer sind durch Tarifverträge (nur) der Einsatzbranche oder aufgrund solcher Tarifverträge in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zulässig (§ 1 Abs. 1b Sätze 3 bis 7 AÜG 2017). Wichtig für die Praxis ist, dass Überlassungszeiten eines Leiharbeitnehmers durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher zusammengerechnet werden, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen (§ 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG 2017). Damit hat sich der Gesetzgeber für den Arbeitnehmerbezug von „vorübergehend“ entschieden. Selbst wenn ein sachlicher Grund für einen längeren Einsatz vorliegen sollte (z.B. Vertretung eines für längere Zeit erkrankten Stammarbeitnehmers; Elternzeitvertretung), ist der Einsatz auf 18 Monate limitiert. Abweichungen dürfen allein die Tarifparteien bzw. aufgrund einer tariflichen Öffnungsklausel die Betriebspartner regeln (BT-Drs. 18/9232, S. 21).
Im unionsrechtlichen Kontext kritisch zu hinterfragen ist, ob die dreimonatige Unterbrechungszeit, die im Referentenentwurf vom 17.02.2016 übrigens noch sechs Monate betrug, ausreicht, einen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 5 Satz 1 RL Leiharbeit missbräuchlichen Dauereinsatz zu verhindern. Hier darf man auf die Kreativität der Zeitarbeitsbranche gespannt sein – und auf die Antworten, die die Arbeitsgerichte geben werden.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Rechtsunsicherheit bezüglich der Auslegung von „vorübergehend“ hat das Konfliktpotenzial zwischen den Betriebspartnern deutlich erhöht. Betriebsräte, die die Leiharbeit ohnehin kritisch sehen, legen den Begriff sehr eng aus und nutzen ihr Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG, um die befürchtete Verdrängung von Stammbeschäftigten durch Leiharbeitnehmer zu verhindern. Manche Arbeitgeber wiederum nutzen extensiv legale Gestaltungsmöglichkeiten, um das Mitbestimmungsrecht leerlaufen zu lassen. Hierbei zeigt sich, dass die Vorschriften zur Sicherung des Mitbestimmungsrechts in den §§ 99 bis 101 BetrVG aus Sicht der Betriebsräte keinen effektiven Schutz bieten. Die vorläufige Durchführung nach § 100 Abs. 1, 2 BetrVG ermöglicht Arbeitgebern wiederholte Kurzeinsätze von Leiharbeitnehmern ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. In einem vom LArbG Mainz (Beschl. v. 14.12.2007 – 6 TaBV 49/07; Hamann, jurisPR-ArbR 18/2008 Anm. 5) entschiedenen Fall wurde auf diese Weise eine Leiharbeitnehmerin 26 Mal als Kassiererin eingesetzt. Jedes Mal mit Ablauf der Dreitagesfrist des § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG wurde der Einsatz beendet. Auch der vorliegende Fall zeigt die Grenzen der Durchsetzung des Mitbestimmungsrechts auf. Ursächlich hierfür ist letztlich, dass der Arbeitgeber zur Aufhebung der Maßnahme erst angehalten werden kann, wenn gerichtliche Entscheidungen rechtskräftig geworden sind (§§ 100 Abs. 2, 101 BetrVG). Bis dahin darf er die personelle Maßnahme formal rechtskonform aufrechterhalten. Einen daneben bestehenden, unmittelbar aus § 99 BetrVG abgeleiteten Unterlassungsanspruch, der mittels einstweiliger Verfügung gesichert werden könnte, hat das BAG (Beschl. v. 23.06.2009 – 1 ABR 23/08 – NZA 2009, 1430) abgelehnt. So bleibt dem Betriebsrat nur ein auf zukünftige Unterlassung gerichteter Anspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG. Materiell setzt dieser Unterlassungsanspruch aber einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG voraus. Eine rechtsmissbräuchliche Umgehung des Mitbestimmungsrechts aus § 99 BetrVG ist zwar grundsätzlich als grober Verstoß i.S.v. § 23 Abs. 3 BetrVG anzusehen (Fitting, BetrVG, 28. Aufl. 2016, § 100 Rn. 6 u. § 101 Rn. 12). Das ist im gegebenen Fall indes fraglich, weil der Arbeitgeber sich formal an die gesetzlichen Bestimmungen hält und die Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat nicht offensichtlich berechtigt erfolgte.
Zu erwägen wäre noch ein – vom Betriebsrat hier als Widerantrag allerdings nicht verfolgter – Feststellungsantrag. Ein solcher Antrag ist sinnvoll, wenn das Bestehen einer (Unterlassungs-)Verpflichtung des Arbeitgebers nach dem BetrVG noch ungeklärt ist und deshalb die Voraussetzungen für einen „groben Verstoß“ zweifelhaft sind. Das BAG bejaht das Rechtsschutzbedürfnis für einen sog. vergangenheitsbezogenen Antrag, wenn der konkrete, erledigte Streitfall Ausdruck einer generellen Streitfrage ist, die immer wieder zu ähnlichen Auseinandersetzungen führen kann und das Feststellungsverfahren geeignet erscheint, die Streitfrage für die Zukunft verbindlich zu klären (BAG, Urt. v. 06.06.2007 – 4 AZR 411/06; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 12/2008 Anm. 3; Bachner in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 101 Rn. 10; Fitting, BetrVG, § 101 Rn. 5). Im gegebenen Fall rechtfertigt die prozesstaktische Vorgehensweise der Arbeitgeberin im Fall der Leiharbeitnehmerin P durchaus die Annahme, dass sie an ihrer Strategie auch zukünftig festhalten und es daher zukünftig zu ähnlichen Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat kommen wird. Ob ein Feststellungsantrag Erfolg haben kann, hängt letztlich davon ab, ob eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach den §§ 99, 100 BetrVG zu bejahen ist oder ob der Arbeitgeber nur einen gesetzlichen Gestaltungsspielraum nutzt.
Diese Frage wird das BAG im (noch anhängigen) Revisionsverfahren (1 ABR 52/16) wohl nicht mehr beantworten können. Die streitgegenständliche Maßnahme hat sich bereits durch Zeitablauf erledigt. Der Betriebsrat ist nicht beschwert, und die Arbeitgeberin dürfte kaum ein Interesse daran haben, die mögliche Rechtswidrigkeit ihrer Verfahrensweise auch noch höchstrichterlich attestiert zu bekommen.