Nachfolgend ein Beitrag vom 24.10.2017 von Cranshaw, jurisPR-HaGesR 10/2017 Anm. 6
Leitsatz
Demjenigen, der sich über eine Treuhandgesellschaft an einer Fondsgesellschaft beteiligt, steht sowohl gegenüber dem Fonds wie auch gegenüber der Treuhandgesellschaft ein Anspruch auf Auskunft über die Namen und Anschriften der übrigen Mitgesellschafter und Treuhandkommanditisten zu.
A. Problemstellung
In der Praxis der geschlossenen Anlagefonds insbesondere in der Rechtsform der GmbH & Co. KG wird häufig eine Struktur gewählt, deren Merkmale darin bestehen, dass die Gesellschaft (jedenfalls nach Platzierung des Fonds an die einzuwerbenden Anleger) einen einzigen Kommanditisten hat, der nicht nur alle Kommanditanteile hält, sondern der auch allein am Vermögen der KG beteiligt ist. Dieser Kommanditist, regelmäßig eine juristische Person, hält seine mitgliedschafts- und vermögensrechtlichen Positionen jedoch nicht im ökonomischen Eigeninteresse, sondern ausschließlich im Interesse der Anleger, mit denen er über einen AGB-mäßig konzipierten Treuhandvertrag verbunden ist. Zwischen dem Gesellschaftsvertrag der KG und dem Treuhandvertrag besteht eine Verbindung dahingehend, dass der einzelne Kapitalanleger, Treugeber und Partner des Treuhandvertrags mit dem Treuhandkommanditisten im Gesellschaftsvertrag so gestellt wird, als sei er im Handelsregister eingetragener Kommanditist. Auch die einzelnen Treugeber und Anleger bzw. Zeichner werden untereinander in derselben Weise behandelt. Zwischen ihnen besteht keine anderweitige parallele gesellschaftsrechtliche Verbindung, sie bilden nicht etwa untereinander eine BGB-Gesellschaft, die Partner des einheitlichen Treuhandvertrages wäre. So viele Anleger es gibt, so viele gleichförmige Treuhandverträge werden geschlossen. Zum Zeitpunkt der Platzierung des Fonds treten sie diesem nacheinander bei, sozusagen „sternförmig“. Ihre Rechte nehmen sie durch ggf. gemeinsame Willensbildung und Weisungen an den Treuhänder, d.h. den Treuhandkommanditisten, wahr. Im Allgemeinen ist dies nur erforderlich bei Eintritt schwerwiegender von der Planung des Fonds abweichender negativer Entwicklungen. Nicht selten können die Treugeber, und zwar jeder für sich, den Treuhandvertrag beenden und sich selbst als Kommanditist im Handelsregister eintragen lassen. Der Grund dieser Treuhandkonzeption ist die vereinfachte Administration der Gesellschaft, insbesondere im Außenverhältnis zum Registergericht bei großen Anlegerzahlen. Über das Institut des Treuhandkommanditisten vermeidet man umfangreiche Registereintragungen zum Zeitpunkt der Fondsplatzierung sowie bei späteren Änderungen auf der Ebene der Kommanditisten. Der Treuhandvertrag regelt vernünftigerweise auch, dass nur derjenige Treugeber ist und einem Gesellschafter gleich zu achten ist, der in das von dem Treuhandkommanditisten geführte Register der Treugeber bzw. Anleger eingetragen wurde und solange dies der Fall ist. Zugleich erleichtert das Treuhandkonzept Gesellschafterversammlungen der KG. Das Problem der Willensbildung der Zeichner bei dergleichen mittelbaren Beteiligungen wird allerdings auf die Ebene des Treuhandkommanditisten verlagert. Von einer „eigentlich“ vorgesehenen gesellschaftsrechtlichen Einflussnahme der Zeichner, die das alleinige ökonomische Risiko des Fonds tragen, kann allerdings dann nicht (mehr) die Rede sein, wenn keiner von ihnen die Willensbildung (gegenüber dem Treuhänder) herbeiführen kann, weil er keine Treugeberversammlung fordern kann oder weil er mangels Kenntnis keinen Kontakt mit seinen mittelbaren „Mitgesellschaftern“ aufnehmen kann.
In diesem Zusammenhang steht die Besprechungsentscheidung des AG Dortmund; die dortige Problematik spielt in der Praxis der Fondsadministration und in der einschlägigen Rechtsprechung eine bedeutsame Rolle.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Der Kläger hatte sich 2008 mit nominal 20.000 US-Dollar als Treugeber an einem geschlossenen Fonds („E GmbH & Co. KG“) beteiligt; der weitere Tatbestand mit Wiedergabe von Auszügen des Gesellschaftsvertrags sowie des Treuhand- und Verwaltungsvertrages zwischen den Anlegern (Treugebern) und der Treuhandkommanditistin zeigt, dass es sich um eine „Beteiligungsgesellschaft“ handelt. Der Kläger war daher wohl auch nicht einmal über den Treuhänder unmittelbar an der Eigentümergesellschaft beteiligt, die das Anlageobjekt hielt, sondern nur an der Beteiligungsgesellschaft, die wiederum vermutlich alleiniger Anteilseigner der eigentlichen Objektgesellschaft war. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass die Anleger, obwohl sie nicht Gesellschafter werden, im Innenverhältnis zur Gesellschaft und im Verhältnis zueinander wirtschaftlich wie Kommanditisten gestellt werden. Pflichten der Kommanditisten treffen im Innenverhältnis die Anleger. Der Treuhandvertrag inkorporiert den Gesellschaftsvertrag und ist dessen Bestandteil. Die Treuhänderin handele allein „im Auftrag und für Rechnung“ des jeweiligen Treugebers. Die Treuhänderin führt ein Treugeberregister, über die Eintragung dort wird jeder Treugeber unterrichtet. In § 10 Ziff. 2 dieses Vertrages wird aber ein Anspruch des einzelnen Treugebers auf Angaben zu anderen Treugebern ausgeschlossen. Die Offenlegung von Kontakt- und Beteiligungsdaten steht danach dem Treuhänder nur gegenüber der Geschäftsführung und dem Verwaltungsrat der Gesellschaft zu, soweit nicht der Treugeber die Bekanntgabe gegenüber Dritten ausdrücklich gestattet hat. Ausnahmen von dieser Verschwiegenheitspflicht sind gesetzliche Pflichten zur Offenlegung oder die Auskunft gegenüber dem zuständigen Finanzamt bzw. gegenüber einer Bank im Interesse der Eigenkapitalrefinanzierung der Gesellschaft. Auch zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtete Berater der Gesellschaft erhalten Einblick in das Register und die über die Zeichner vorliegenden Daten.
Der Kläger bat die Beklagten, d.h. die Gesellschaft und die Treuhandkommanditistin, um schriftliche Auskunft über die Kontaktdaten der „unmittelbar und mittelbar beteiligten Gesellschafter und Treugeberkommanditisten“. Die Beklagten verteidigten sich mit dem Einwand, sie seien vertraglich (vgl. o.) zur Verschwiegenheit über diese Daten verpflichtet. Sie werfen dem Kläger unzulässige Rechtsausübung vor und behaupten, er wolle lediglich Mitgesellschafter zur Forderung von Schadenersatz „anstacheln“.
II. Das AG Dortmund hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Auskunft verurteilt. Mangels weiterer Anmerkungen in der Datenbank von juris darf wohl angenommen werden, dass die Entscheidung rechtskräftig geworden ist. Den Streitwert hat das Gericht auf 2.000 Euro festgesetzt, d.h. auf 10% der Beteiligungssumme des Klägers, da etwa höhere Schadenersatzansprüche nicht erkennbar seien.
In der Hauptsache begründet das Gericht seine Entscheidung damit, der klägerische Anspruch folge aus dem Gesellschaftsvertrag. Die Kenntnis der Mitgesellschafter sei ein nicht entziehbares Mitgliedschaftsrecht bei der Personengesellschaft, wofür sich das Amtsgericht u.a. auf eine Entscheidung des LG Dortmund (Urt. v. 15.09.2015 – 3 O 73/15, wohl unv.) beruft. Dieser Anspruch stehe auch dem mittelbar beteiligten Gesellschafter als Treugeber eines Kommanditisten zu, der nach dem Gesellschaftsvertrag einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichgestellt sei. Zu diesem Ergebnis gelangt das AG Dortmund unter Würdigung des Gesellschafts- sowie des Treuhandvertrages, wobei es sich zur Gleichstellung des Treugebers mit einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter auf die Judikatur des BGH stützen kann (vgl. insbesondere BGH, Beschl. v. 11.01.2011 – II ZR 187/09 – WM 2011, 317). Das Recht auf Bekanntgabe der Mitgesellschafter könne nicht – wie hier geschehen – ausgeschlossen werden; unbeachtlich sei die Verankerung dieses Ausschlusses im Treuhandvertrag. Auch § 242 BGB bzw. das Schikaneverbot des § 226 BGB stünden dem Auskunftsbegehren nicht entgegen. Eine „abstrakte Missbrauchsgefahr“ rechtfertige es nicht, die Namen anderer Gesellschafter zu verschweigen. Dem Klägeranwalt sei es auch nicht durch § 226 BGB verwehrt, eine Interessengemeinschaft der Anleger zu bilden. Auch insoweit stützt sich das AG Dortmund auf Judikatur des BGH (Hinweisbeschl. v. 21.09.2009 – II ZR 264/08 Rn. 13 – ZIP 2010, 27, kein Anspruch auf Anonymität bei (nur) abstrakter Missbrauchsgefahr; BGH, Urt. v. 05.02.2013 – II ZR 134/11 Rn. 44 – BGHZ 196, 131, zur Interessengemeinschaft). Damit bestand der Auskunftsanspruch sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber dem Treuhandkommanditisten, die daher als Gesamtschuldner zu verurteilen waren.
C. Kontext der Entscheidung
I. Die Entscheidung des AG Dortmund erinnert nochmals an die „eigentlich“ höchstrichterlich geklärte Frage der Auskunftspflicht über die Kontaktdaten der Mitgesellschafter. Es gibt ersichtlich keinen Grund zur Verschwiegenheit. Der Anleger, der sich als Gesellschafter an einer Kommanditgesellschaft beteiligt, hat datenschutzrechtlich kein erkennbares rechtlich schützenswertes Interesse, anonym zu bleiben, also zu verhindern, dass seine Person oder seine Beteiligung offenbar werden. Das Gesetz selbst steht dem entgegen, wie aus § 162 Abs. 1 HGB hervorgeht. Nichts anderes kann gelten, wenn er zwar nur mittelbar beteiligt ist, aber im Innenverhältnis einem Gesellschafter gleichsteht. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Struktur der mittelbaren Beteiligung aus den unter Abschnitt A. umrissenen Gründen der vereinfachten Administrierung der Gesellschaft gewählt wird und nicht zur Anonymisierung der Beteiligten. Zudem ergeben sich Zweifel bei einer solchen Fondsstruktur an der steuerrechtlich gewollten Mitunternehmerschaft der Treugeberkommanditisten, wenn das entscheidende Mitgliedschaftsrecht der Abstimmung und Entscheidung über Fragen der Gesellschaft anonym und ohne Diskursmöglichkeit erfolgen würde.
II. Auch die Bildung einer „Interessengemeinschaft“ zur etwaigen Durchsetzung gegen andere Fondsbeteiligte ist weder unzulässige Rechtsausübung noch Schikane. Vertragsklauseln zum Schutz eines Treuhänders oder anderer Beteiligter gegen die Geltendmachung von Ansprüchen, die für schikanös gehalten werden, können nicht akzeptiert werden, auch wenn Offenlegungen von Kontaktdaten zur Bündelung von Erkenntnissen mehrerer Anleger dienen und der Treuhänder damit entgegen allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen den potentiellen Anspruchstellern und Klägern erst dadurch mittelbar helfen würde, eine Schadensersatzklage schlüssig zu machen. Das gilt im Übrigen erst recht im Umfeld seiner Rechenschaftspflichten, deren Erfüllung er nicht deswegen verweigern könnte, weil er feststellt, ihm könnten aus den offengelegten Tatsachen etwaige Schadensersatzrisiken erwachsen.
III. Die Festsetzung des Streitwertes liegt am unteren Rand des Wertes für eine Auskunftsklage; die Judikatur des BGH setzt zwischen 10% und 25% des potentiellen Leistungsanspruchs fest (vgl. statt aller Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, § 3 Rn. 21a m.w.N.). Da hier nur „formale“ Auskünfte erstritten wurden, die nicht zwingend zu irgendwelchen Ersatzansprüchen führen müssen, war die Festsetzung von 10% des ungefähren Wertes der klägerischen Beteiligung zutreffend. Zugleich steht damit fest, dass das Urteil rechtsmittelfähig für die Beklagten war (vgl. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO); bei einer Beteiligung des Klägers in Höhe von über 50.000 US-Dollar wäre bei gleichem Wertansatz aber nicht mehr das Amtsgericht, sondern das Landgericht sachlich zuständig gewesen (§ 23 Nr. 1 GVG).
IV. Die etwa nötige Vollstreckung des Urteils gegen die Beklagten, das inhaltlich auf eine nicht vertretbare Handlung gerichtet ist, nämlich „dem Kläger die ihnen zuletzt bekannten Vornamen und Nachnamen sowie Adressen der mittelbar und unmittelbar beteiligten Anleger [der] E GmbH & Co. KG schriftlich mitzuteilen“, erfolgt nach § 888 ZPO durch Zwangsgeld oder Zwangshaft gegen die Beklagten. Die Vollstreckung der Zwangshaft (vgl. § 888 Abs. 1 Satz 3, §§ 802g – 802j ZPO) richtet sich im Falle der Treuhandkommanditistin und der Gesellschaft gegen die natürlichen Personen, die die Geschäftsführung der Kommanditistin bzw. der Komplementärin innehaben (Folge aus § 51 ZPO, vgl. Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, § 51 Rn. 3, 4, 6, 6a; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, § 888 Rn. 16).
D. Auswirkungen für die Praxis
I. Das Erstaunliche an dem Urteil ist, dass es überhaupt erstritten werden musste. Treuhandkommanditisten und geschäftsführende Gesellschafter geschlossener Fondsgesellschaften bzw. die die Geschäftsführungsfunktion ausübenden natürlichen Personen sollten angesichts der klaren Rechtslage, an die dieses Urteil erinnert, ungeachtet etwaiger Verschwiegenheitspflichten in Gesellschafts- und Treuhandverträgen auf Wunsch an Treugeber bzw. Anleger die hier ausgeurteilten Kontaktdaten mitteilen. Das Auskunftsbegehren ist nur dann unzulässige Rechtsausübung oder ein Verstoß gegen das Schikaneverbot, wenn kein „vernünftiges Interesse“ daran erkennbar ist oder wenn trotz geringfügigen Interesses der Aufwand zur Auskunftserteilung unverhältnismäßig ist (BGH, II ZR 187/09 Rn. 22, m.w.N.). Der Gesellschafter sollte sein Begehren daher jedenfalls plausibel kurz begründen. Der Aufwand der Mitteilung der bei dem Treuhänder vorhandenen Daten über die anderen Treugeber ist stets geringfügig, wenn ein Register der Treugeber wie hier vertragsgemäß zu führen ist. Erhöhter Aufwand als Folge etwa unprofessioneller Führung des Registers wäre bedeutungslos.
II. Es spricht zudem einiges dafür, bei Gelegenheit Gesellschaftsverträge mit solchen Klauseln an die Rechtslage anzupassen, wozu es allerdings formal einer Zeichnermehrheit bedarf. Hier dürfte der Hinweis auf die mittlerweile als herrschend zu bezeichnete Judikatur hinreichend sein. Alternativ könnte man eventuell in einer Information an die Zeichner dergleichen Regelungen als obsolet bezeichnen und sie künftig, weil insoweit unwirksam, unbeachtet lassen.
III. Ein proaktives Verhalten, wie vorstehend umrissen, ist durchaus geeignet, in schwieriger Situation mit einzelnen Zeichnern bzw. – wie regelmäßig – bei ökonomischen Schwierigkeiten des Fonds Spannungspotential abzubauen.
IV. Vorwürfen gegen Fondsbeteiligte oder Schadenersatzforderungen kann ohnehin nicht dadurch begegnet werden, dass man versucht, Mauern der Fondszeichner untereinander zu errichten, um von fehlender Information über andere Beteiligte gleichsam zu profitieren, sondern nur durch begründete inhaltliche Gegenargumente. Im Übrigen folgen Schranken für die Treugeber-Kommanditisten aus den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln bzw. zulässigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags.
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