Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. April 2011 – 6 AZR 726/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 10. September 2009 – 5 Sa 85/09 –


 

Im Vergütungssystem des BAT war bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten nach Erfüllung der erforderlichen Bewährungszeit der Aufstieg des Angestellten in eine höhere Vergütungsgruppe vorgesehen (Bewährungsaufstieg). Ebenso konnten Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung zu einem Aufstieg führen (Fallgruppenaufstieg). Die Höhe der Grundvergütung hing von der Vergütungsgruppe und von der erreichten Lebensalterstufe ab. Darüber hinaus waren familienstands- und kinderbezogene Entgeltbestandteile vorgesehen. Ortszuschlag der Stufe 2 erhielten ua. verheiratete Angestellte, Ortszuschlag der Stufe 3 und der folgenden Stufen Angestellte, denen Kindergeld zustand, wobei sich die Stufe nach der Zahl der zu berücksichtigenden Kinder richtete. Das Vergütungssystem des TVöD sieht einen Bewährungs- oder Fallgruppenaufstieg und eine Vergütungserhöhung mit zunehmendem Lebensalter grundsätzlich nicht mehr vor. Kinderbezogene Entgeltbestandteile werden nur noch gezahlt, wenn Besitzstandsregelungen Anwendung finden. Für aus dem Geltungsbereich des BAT in den TVöD übergeleitete Beschäftigte haben die Tarifvertragsparteien teilweise einen Strukturausgleich vereinbart, um Exspektanzverluste in Bezug auf die Höhergruppierung und die Vergütung nach Lebensaltersstufen abzumildern, und bestimmt, dass der Strukturausgleich ab dem 1. Oktober 2007 zu zahlen ist. Im TVÜ-Bund haben sie in einer Tabelle zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und die Stufe 1 sowie die Stufe 2 des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt.

Der in einem von der Bundesrepublik Deutschland geförderten Zentrum für Luft- und Raumfahrt beschäftigte Kläger erhielt bis zum Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 Ortszuschlag der Stufe 4. Mit Wirkung zum 1. Juli 2007 wurde er von der Entgeltgruppe 15 in die Entgeltgruppe 14 TVöD herabgruppiert. Die Beklagte zahlte dem Kläger deshalb ab dem 1. Oktober 2007 keinen Strukturausgleich. Sie vertrat darüber hinaus die Auffassung, dem Anspruch des Klägers stehe entgegen, dass dieser bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 4 erhalten habe. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung des vom Kläger beanspruchten Strukturausgleichs iHv. monatlich 50,00 Euro brutto verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die tarifliche Stichtagsregelung stellt bezüglich der den Anspruch auf Strukturausgleich begründenden Voraussetzungen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ-Bund ab. Fällt später eine Voraussetzung weg, hindert dies den Anspruch auf Strukturausgleich in der festgesetzten Höhe nur dann, wenn die Tarifvertragsparteien dies angeordnet haben. Dies ist bei Höhergruppierungen und Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Fall, nicht jedoch bei Herabgruppierungen. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfüllte der Kläger am Stichtag auch das Merkmal „Ortszuschlag Stufe 2“. Er wurde nur aufgrund seiner Unterhaltspflicht für zwei Kinder nicht der Stufe 2, sondern der Stufe 4 zugeordnet. Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht der Beklagten verheiratete Beschäftigte mit Kindern vom Anspruch auf Strukturausgleich ausnehmen wollen, hätten sie aufgrund der sachlich nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung gegenüber verheirateten Beschäftigten ohne Kinder die Grenzen ihrer Regelungsbefugnis überschritten.

Pressemitteilung (Urteilstext abrufbar)