Nachfolgend ein Beitrag vom 13.12.2017 von Boemke, jurisPR-ArbR 50/2017 Anm. 2
Orientierungssatz zur Anmerkung
Sonn- und Feiertagszuschläge unterliegen keiner besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung und sind daher mindestlohnwirksam.
A. Problemstellung
Inwiefern Zuschläge auf den gesetzlichen Mindestlohn anzurechnen sind, war bei Einführung des Mindestlohngesetzes heftig umstritten. Nunmehr hat die Rechtsprechung bereits für verschiedenste Arten von Zulagen Klarheit geschaffen. In der vorliegenden Entscheidung befasst sich das BAG mit der Anrechnung von Sonn- und Feiertagszuschlägen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs. Die klagende Arbeitnehmerin ist seit dem 18.03.2008 bei der Beklagten im Rahmen einer 40-Stunden-Woche beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt betrug vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 1.340 Euro. Daneben erhielt die Arbeitnehmerin einen Sonn- und Feiertagszuschlag i.H.v. 2 Euro brutto pro Stunde. Seit Januar 2015 zahlte die Arbeitgeberin pauschal einen Betrag von 1.473,31 Euro brutto. Ein gesonderter Zuschlag für Sonn- und Feiertagsstunden wurde nicht mehr gewährt. In den Monaten Mai und Juni 2015 arbeitete die Arbeitnehmerin insgesamt 48 Stunden an Sonn- und Feiertagen. Hierfür verlangt sie eine zusätzliche Vergütung i.H.v. 96 Euro brutto. Die Klage war in allen drei Instanzen ohne Erfolg.
Das BAG legt dar, dass der Klägerin arbeitsvertraglich ein Anspruch auf Zahlung von 1.340 Euro brutto/Monat zusteht. Daneben könne sie kraft betrieblicher Übung für die Sonn- und Feiertagszuschläge 2 Euro/Stunde verlangen. Dies waren für den Monat Mai 64 Euro und für den Monat Juni 32 Euro. Mit Zahlung des pauschalen Bruttomonatsgehalts von 1.473,31 Euro seien bestehende Entgeltansprüche vollständig erfüllt worden. Unstreitig war, dass mit der Bruttolohnzahlung pro geleisteter Arbeitsstunde in den betreffenden Monaten mindestens der Mindestlohn von damals 8,50 Euro/Stunde gezahlt wurde. Sonn- und Feiertagszuschläge könnten daneben nicht zusätzlich verlangt werden.
Mindestlohnwirksam seien alle Entgeltzahlungen, die der Arbeitgeber mit Rücksicht auf das arbeitsrechtliche Austauschverhältnis erbringe. Ausgenommen seien solche Zahlungen, die ohne Rücksicht auf eine tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung erbracht werden, oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhten. Der Mindestlohn sei pro Zeitstunde, und zwar unabhängig von der zeitlichen Lage oder den Umständen der Arbeit, zu gewähren. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze seien auch Sonn- und Feiertagszuschläge mindestlohnwirksam. Es handele sich um Entgeltzahlungen, die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis mit Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung erbracht werden.
Auch aus dem Arbeitszeitgesetz ergäben sich keine besonderen Zahlungspflichten für Sonn- und Feiertagsarbeit. Das Gesetz sehe anders als bei der Nachtarbeit nicht besondere Zuschläge, sondern die Gewährung von Ersatzruhetagen vor (§ 11 Abs. 3 ArbZG).
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung führt die Rechtsprechung zu anrechnungsfähigen Zulagen konsequent fort. Wird ein Zuschlag für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung gewährt, ist dieser grundsätzlich auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen (BAG, Urt. v. 25.05.2016 – 5 AZR 135/16 Rn. 32; Boemke, JuS 2015, 385, 391). Zur Anrechenbarkeit von Sonn- und Feiertagszuschlägen wurden unterschiedliche Ansichten vertreten: zum Teil wurde von der Anrechenbarkeit ausgegangen (Boemke, JuS 2015, 385, 391; Greiner in: BeckOK-Arbeitsrecht, § 1 MiLoG Rn. 38; Müller-Glöge in: MünchKomm BGB, § 1 MiLoG Rn. 23; die Anrechnungsfähigkeit zumindest nicht ausschließend Bayreuther in: Thüsing, MiLoG, § 1 Rn. 108), nach anderer Auffassung sollten Zulagen für Sonn- und Feiertage zusätzlich zum Mindestlohn gezahlt werden (BMI Rundschreiben v. 28.01.2015 – D 5 – 31000/20*8 unter 4.2; Däubler, NJW 2014, 1924, 1926; Düwell/Schubert, MiLoG, § 1 Rn. 78, 84; Müller in: Dombert/Witt, Münchener Anwaltshandbuch Agrarrecht, 2. Aufl. 2016, § 23 Rn. 216; Sittard in: HWK, § 1 MiLoG Rn. 19; Vogelsang in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 66 Rn. 30; Wortmann, ArbRB 2014, 346, 348). Es wurde aber auch danach differenziert, ob der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung ausschließlich an Sonn- und Feiertagen erbringt (Brors, NZA 2014, 938, 940 f.; mit ähnlicher Tendenz wohl auch Franzen in: ErfKomm, § 1 MiLoG Rn. 14). Das BAG setzt seine Rechtsprechung konsequent fort und sieht sowohl Sonn- als auch Feiertagszuschläge als mindestlohnwirksam an. Für den Mindestlohn nach der Pflegearbeitsbedingungenverordnung hatte das BAG dies bereits zuvor entschieden (BAG, Urt. v. 18.11.2015 – 5 AZR 761/13).
Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Zehnten Senats des BAG vom 23.08.2017 (10 AZR 859/16) zur Unpfändbarkeit von Sonn- und Feiertagszulagen nach § 850a Nr. 3 ZPO. Hierzu legt der Zehnte Senat dar, dass der Sinn und Zweck des § 850a Nr. 3 ZPO nicht in der Sicherung eines existenzsichernden Einkommens liegt. Dieser Zweck würde bereits durch § 850c ZPO verfolgt. Vielmehr will der Gesetzgeber den Arbeitnehmer als Pfändungsschuldner in bestimmten Situationen ggü. dem Pfändungsgläubiger privilegieren; bei belastenden Tätigkeiten ist es gerechtfertigt, ihm mehr von seinem Arbeitseinkommen zu belassen (BAG, Urt. v. 23.08.2017 – 10 AZR 859/16 Rn. 38). Der Mindestlohn verfolgt jedoch einen anderen Zweck als § 850c ZPO (Sicherung einer Existenzgrundlage, vgl. Greiner in: BeckOK-Arbeitsrecht, § 1 MiLoG Rn. 1), sodass schon insoweit kein Gleichlauf geboten ist. Überdies geht es insoweit um das Verhältnis des Arbeitnehmers als Gläubiger eines Anspruchs auf Arbeitslohn (§ 611a Abs. 2 BGB) zum Arbeitgeber als Schuldner dieses Anspruchs. Die Frage ist nicht, ob dem Arbeitnehmer als Pfändungsschuldner etwas zu belassen ist, sondern ob er bestimmte Zahlungen zusätzlich zum Mindestlohn erhalten soll.
D. Auswirkungen für die Praxis
Für Arbeitgeber besteht nun Rechtssicherheit, dass auch Zulagen für Sonn- und Feiertagsarbeiten wirksam auf den Mindestlohn anzurechnen sind.
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