Nachfolgend ein Beitrag vom 19.7.2017 von Donner, jurisPR-ArbR 29/2017 Anm. 4

Leitsatz

Eine Schmerzensgeldzahlung wegen Mobbings scheidet regelmäßig aus, wenn sich das gerügte Verhalten des Arbeitgebers als eine Reaktion auf eine Provokation des Arbeitnehmers darstellt.

A. Problemstellung

In seiner Entscheidung befasst sich das LArbG Kiel mit der Frage, wann ein schadensersatzauslösendes Verhalten in Form von „Mobbing“ im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gegeben ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen „Mobbings“ geltend. Er ist bei der Beklagten zu 2) als Angestellter im IT-Bereich beschäftigt, die an zwei Standorten eine Universitätsklinik betreibt und die im Januar 2010 ihre IT-Organisation auf die Beklagte zu 1) übertrug. Dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprach der Kläger; seitdem wird er auf Grundlage eines Personalgestellungsvertrags bei der Beklagten zu 1) als Gruppenleiter des Backoffice im Bereich Servicemanagement beschäftigt. Nach der Verlagerung der Beklagten zu 1) an einen anderen Standort wurde vereinbart, dass der Kläger im Zeitraum von August bis Ende Dezember 2013 zunächst an zwei Tagen pro Woche am neuen Standort tätig werden sollte und ab Januar 2014 dann ausschließlich dort. Der Wunsch des Klägers, seine Arbeitsleistung zumindest teilweise von zuhause aus erbringen zu können, wurde abgelehnt. Daraufhin stellte der Kläger einen Antrag auf Einrichtung eines Home-Office-Arbeitsplatzes entsprechend einer zwischen der Beklagten zu 2) und ihrem Personalrat bestehenden Dienstvereinbarung, sowie nachfolgend einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht, mit der er die Beschäftigung am ursprünglichen Standort und im Home-Office sowie hilfsweise ausschließlich am ursprünglichen Standort geltend machte. Der Antrag wurde abgelehnt.
Seit Sommer 2014 befindet sich der Kläger in psychotherapeutischer Behandlung, seit Anfang 2015 ist er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Seine Bitte, an den Tagen seiner psychotherapeutischen Termine von zu Hause aus arbeiten zu dürfen, sei von der Beklagten zu 1) nicht beantwortet worden. Wegen des Verhaltens seines Vorgesetzen, durch das sich der Kläger herabgesetzt fühlte, beantragte der Kläger im August 2014 erfolglos die Einleitung eines Verfahrens nach der Dienstvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“. Diese Umstände hätten zu einer Erkrankung des Klägers sowie zur Verletzung seiner Gesundheit und seinem Persönlichkeitsrecht geführt; den hieraus ihm entstandenen und entstehenden Schaden beantragte der Kläger von der Beklagten zu 1) neben der Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes zu ersetzen. Wegen des Mobbings sei die Beklagte zu 2) darüber hinaus verpflichtet, die Gestellung aufzuheben und ihn bei sich zu beschäftigen.
Zur Begründung seines Anspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Beklagte zu 1) habe im Rahmen der Standortverlegung des IT-Bereichs mit sämtlichen Mitarbeitern sozialverträgliche Lösungen gefunden außer mit ihm. Darüber hinaus sei er entgegen der Kommunikationskaskade von seinem Vorgesetzten wiederholt nicht zu regelmäßigen Meetings eingeladen und mehrfach von diesem ehrverletzend behandelt worden. Darüber hinaus ignoriere ihn sein Vorgesetzter, indem er den Kläger nicht grüße und seine E-Mails nicht beantworte. Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen.
Die Klage blieb in der ersten Instanz ohne Erfolg. Gegen das Urteil des ArbG Kiel legte der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens Berufung ein; die Beklagten beantragten, die Berufung zurückzuweisen. Die Vorwürfe des Klägers seien nach wie vor weitgehend unsubstantiiert und belegten auch kein Mobbing in Form einer zielgerichteten Herabwürdigung des Klägers.
Auch das LArbG Kiel hielt den Antrag für unbegründet und hat die Berufung zurückgewiesen.
Die erhobenen Vorwürfe sah das Landesarbeitsgericht weitestgehend als haltlos an, insbesondere konnte es keine nach der geltenden Rechtsprechung für die Annahme einer Mobbingsituation erforderliche „schikanöse Tendenz“ erkennen. Vielmehr sah es in den vom Kläger gestellten Anträgen auf Einrichtung eines Home-Offices unmittelbar nach der Ablehnung seines geäußerten Wunsches auf Heimarbeit eine Provokation durch den Kläger als Reaktion auf die Ablehnung einer für ihn günstigeren Lösung. Dass der Kläger gemobbt werde, habe er bis zuletzt nicht hinreichend substantiiert darlegen können.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des LArbG Kiel folgt der Rechtsprechung des BAG: Danach ist „Mobbing“ kein Rechtsbegriff und auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbstständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund Mobbings geltend, muss jeweils geprüft werden, ob arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB oder ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB verletzt wurden bzw. ob eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB vorliegt (BAG, Urt. v. 28.10.2010 – 8 AZR 546/09 Rn. 17 – NZA-RR 2011, 378, 379).
Zwar hat der Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer bestimmte aus § 241 Abs. 2 BGB folgende Fürsorge- und Schutzpflichten zu erfüllen, die eine Herabwürdigung oder Missachtung eines Arbeitnehmers verbieten (BAG, Urt. v. 28.10.2010 – 8 AZR 546/09 Rn. 17 – NZA-RR 2011, 378, 379). Demgegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass Weisungen, die sich im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers bewegen und bei denen sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lässt, nur äußerst selten eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. Zudem sind im Arbeitsleben auch länger anhaltende Konfliktsituationen üblich und stellen damit ein sozial- und rechtsadäquates Verhalten dar (BAG, Urt. v. 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 Rn. 85 – NZA 2007, 1154, 1162). Erforderlich ist vielmehr eine eindeutige Täter-Opfer-Konstellation (BAG, Urt. v. 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 Rn. 86 – NZA 2007, 1154, 1162).
Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Mobbinghandlung nimmt das LArbG Kiel auf seine frühere Rechtsprechung Bezug. Danach liegt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast beim betroffenen Arbeitnehmer, der konkrete Tatsachen anzugeben hat, aus denen er das Vorliegen von Mobbing ableitet. Der bloße Hinweis darauf, er werde beschimpft, beleidigt, bedroht etc. ist nicht ausreichend (LArbG Kiel, Urt. v. 15.10.2008 – 3 Sa 196/08 Rn. 26).

D. Auswirkungen für die Praxis

Aus der Entscheidung ergibt sich, dass mobbendes Verhalten dann noch nicht gegeben ist, wenn Mitarbeiter aufgrund ihrer unterschiedlichen Arbeits- und Handlungsweisen am Arbeitsplatz nicht miteinander auskommen.
Problematisch ist insgesamt, dass es sich beim Mobbing um einen Begriff handelt, der rechtlich nicht eingegrenzt werden kann. So mag es vorkommen, dass ein Mitarbeiter sich ausgegrenzt fühlt, objektiv aber Erklärungen für das Verhalten seines Gegenübers bestehen. Zart besaitete Arbeitnehmer haben dann oftmals das Nachsehen. Wollen sie sich gegen das Verhalten eines Kollegen oder Vorgesetzen zur Wehr setzen, muss der Mobbingvorwurf anhand konkreter Fakten und Situationsbeschreibungen dezidiert vorgebracht werden. Es reicht also nicht aus, wenn der Arbeitnehmer sich darauf beruft, er sei beleidigt worden, sondern er sollte den Wortlaut der Beleidigung und ihren Kontext klar darlegen können. Behauptet ein Arbeitnehmer wie im vorliegenden Fall, er trage vom Verhalten seiner Kollegen oder Vorgesetzten gesundheitliche Folgen davon, muss er außerdem darlegen, dass diese Folgen auch tatsächlich durch diese Verhaltensweisen ausgelöst wurden; die Beweislast bezieht sich mithin auch auf den Kausalzusammenhang (BAG, Urt. v. 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1154, 1163). Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung ist für die geforderte Kausalität allerdings nicht ausreichend, da der Arzt die Arbeitsplatzsituation allein aufgrund der Schilderungen des Arbeitnehmers einzuschätzen vermag (LArbG Kiel, Urt. v. 15.10.2008 – 3 Sa 196/08 Rn. 26).
Dass der Arbeitgeber nicht ohne weiteres erfolgreich auf Schadensersatz verklagt werden kann, wenn ein Arbeitnehmer sich zurückgesetzt fühlt, ist durchaus zu begrüßen. Vorzugswürdig erscheint es nämlich, etwaigen Missverständnissen mit Gesprächen beizukommen, und zwar insbesondere dann, wenn die Büros der Streithähne wie im vorliegenden Fall in unmittelbarer Nähe liegen. Hilfreich sein können dabei entsprechende im Betrieb vorgesehene Anlaufstellen oder das Zurückgreifen auf einen Mediator.