Nachfolgend ein Beitrag vom 19.10.2016 von Zwade, jurisPR-BKR 10/2016 Anm. 3

Orientierungssätze

1. Bei einem Beitritt zu einer Fondsgesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, bestehen (vor-)vertragliche Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern und dem unmittelbar Beitretenden sowie mit dem über einen Treuhänder beitretenden Gesellschafter/Kommanditisten. Die Gründungsgesellschafter haften deshalb den Beitretenden gegenüber für im Zusammenhang mit der Beitrittsentscheidung gemachte unrichtige oder unvollständige Angaben unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens. Diesen obliegt daher die Pflicht, die künftigen Anleger über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende Beteiligung von Bedeutung sind, insbesondere über die Risiken der Beteiligung und über regelwidrige Auffälligkeiten zu informieren. Dies betrifft sowohl den Gründungskommanditisten wie auch den Gründungskomplementär.
2. Als Mittel der Aufklärung genügt regelmäßig, wenn dem Interessenten statt einer mündlichen Aufklärung ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann.
3. Sind die entsprechenden Prospektangaben jedoch unvollständig, unrichtig oder irreführend, kommt eine diesbezügliche Aufklärungspflicht z.B. des Anlageberaters, -vermittlers, Gründers und auch eines Treuhandkommanditisten in Betracht.

A. Problemstellung

Die Prospekthaftung im weiteren Sinne stellt die prominenteste Anspruchsgrundlage für Anleger dar, soweit diese sich von einer eingegangenen Beteiligung an einem geschlossenen Fonds, regelmäßig eine Kommanditbeteiligung, lösen wollen. Die Haftung trifft bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft die Gründungskommanditisten und Gründungskomplementärin der Fondsgesellschaft, wenn diese ihre Pflicht, die künftigen Anleger über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende Beteiligung von Bedeutung sind, verletzt haben. Als Mittel der Aufklärung genügt regelmäßig, wenn dem Interessenten ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird. Das OLG Frankfurt hatte sich vorliegend insbesondere mit der Frage zu befassen, ob Fehler des Prospektes, der unstreitig übergeben wurde, auszumachen sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger, der beruflich im Bereich „Logisitic und Computer Integrated Manufactoring“ spezialisiert war, hatte sich mit Datum vom 13.12.2005 mit einem Betrag von 20.000 Euro nebst 5% Agio an dem geschlossenen Fonds A… GmbH & Co. KG beteiligt. Gegenstand des Fonds war die Entwicklung, der Bau und Betrieb eines Aussichts- bzw. Riesenrades in Singapur nach dem Vorbild des London Eye. Das Riesenrad wurde nach Errichtung in Betrieb genommen, die prognostizierten Erlöseinnahmen blieben jedoch aus. Der Kläger erhielt keine Ausschüttungen. Der Fonds geriet in der Folge in Liquiditätsnot, der Projektgesellschaft drohte die Insolvenz. Es wurde Zwangsverwaltung (receivership) angeordnet.
Mit Datum vom 31.12.2012 hatte der Kläger einen Güteantrag bei einer Gütestelle einreichen lassen. Dieser richtete sich gegen die Beklagte zu 1, die Rechtsnachfolgerin der Gründungsgesellschafterin und Treuhandkommanditistin war, sowie gegen die Beklagte zu 2, eine Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Nachdem sich die Beklagten an dem Güteverfahren nicht beteiligten, wurde dieses mit Schreiben vom 13.07.2012 für gescheitert erklärt. Mit der am 16.01.2013 eingereichten und am 04.03.2013 zugestellten Klage machte der Kläger Ansprüche gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 21.000 Euro nebst entgangenem Gewinn und Verzugszinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus der Beteiligung so wie auf Feststellung des Annahmeverzuges und Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.
Der Kläger behauptete, dass die C GmbH & Co. KG, die ihm die Beteiligung vermittelt hatte, eine Vertriebsvereinbarung mit den Beklagten unterhielt. Der für die C GmbH & Co. KG tätige Vermittler habe unzutreffende Angaben gemacht. Er habe diesem mitgeteilt, dass er den Verkaufsprospekt nicht im Ganzen lesen könne, woraufhin der Vermittler geäußert habe, dies sei kein Problem, da er selbst den Prospekt eingehend geprüft und ausgewertet habe. Tatsächlich sei jedoch eine Vielzahl von Prospektfehlern auszumachen. So seien unter anderem die Kosten der Eigenkapitalbeschaffung der Höhe nach falsch ausgewiesen, die Weichkosten falsch und irreführend dargestellt, Absicherungsmechanismen unzutreffend ausgewiesen. Dem Anleger werde im Prospekt weiter in unzutreffender Weise suggeriert, dass er am Ende der Laufzeit (2017) jedenfalls 150% seines eingesetzten Kommanditkapitals durch Ausübung einer Verkaufsoption zurückerhalten werde. Prognoseberechnungen des Prospekts sein ebenfalls unzutreffend. Die Beklagten hätten als Gründungsgesellschafter für den unrichtigen Prospektinhalt aus Prospekthaftung im weiteren Sinne einzustehen.
Die Beklagten vertraten die Auffassung, Ansprüche gegen sie schieden aus, weil sie gegenüber dem Kläger, mit dem es keinen unmittelbaren Kontakt gegeben hatte, kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hätten. Weiter waren die Beklagten der Überzeugung, dass sie als Gründungsgesellschafter nicht verpflichtet gewesen seien, dass im Prospekt dargestellte Anlagekonzept auf seine Plausibilität und wirtschaftliche Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Die gleichwohl vorgenommene Prüfung habe jedoch keine Hinweise für Unrichtigkeiten ergeben. Eine Falschberatung durch die C GmbH & Co. KG müssen sich die Beklagten nach ihrer Überzeugung letztlich nicht zurechnen lassen. Zuletzt wurde die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat den Kläger informatorisch angehört und anschließend die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagten kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hätten. Auf die von dem Kläger geführte Berufung wurden die Zeugen G und C 1 zur Frage der Vertriebstätigkeit der C GmbH & Co. KG sowie zum Inhalt des Beratungsgespräches vernommen. Das Berufungsgericht hat die Berufung im Ergebnis sodann als unbegründet zurückgewiesen.
Im Rahmen der Begründung hat sich das Berufungsgericht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt, wonach im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, gewisse Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner obliegen, bei deren Verletzung er wegen Verschuldens bei Vertragsschluss auf Schadensersatz haftet (Besprechungsurteil Rn. 83, BGH, Urt. v. 09.07.2013 – II ZR 9/12 Rn. 26). Dass diese Haftung die Gründungskommanditisten und Gründungskomplementärin der Fondsgesellschaft trifft, entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH.
Hinsichtlich einer Beratung seitens des Zeugen C 1, der für die als Vermittlerin eingeschaltete C GmbH & Co. KG die Beteiligung vermittelte, konnte das Berufungsgericht nach der Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung gelangen, dass dieser einen unzutreffenden Kapitalerhalt im Rahmen der Beteiligung suggeriert hatte. Obgleich die Verwendung eines Prospektes zur Aufklärung des Beitrittsinteressenten es nicht ausschließt, unzutreffende Angaben des Vermittlers dem Gründungsgesellschafter über § 278 BGB zuzurechnen, konnte eine solche Zurechnung mangels festgestellter Pflichtverletzung des Zeugen C 1 aufgrund unzutreffender mündlicher Angaben oder Zusagen nicht erfolgen.
Abzustellen war somit ausschließlich auf die Frage, ob Prospektfehler auszumachen sind. Insofern konnte sich das Berufungsgericht auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung stützen, wonach es als Mittel der Aufklärung genügt, wenn dem Interessenten statt einer mündlichen Aufklärung ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 24.04.2014 – III ZR 389/12 Rn. 9; BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 345/10 Rn. 33). Von einem Anleger kann dabei eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospektes verlangt werden (BGH, Urt. v. 05.03.2013 – II ZR 252/11 Rn. 14). Hinsichtlich der Prospektangaben ist dabei nicht alleine auf die Einzeltatsachen, sondern wesentlich darauf abzustellen, welches Gesamtbild von den Verhältnissen des Unternehmens durch die Prospektaussagen dem interessierten Publikum vermittelt werden (BGH, Urt. v. 23.04.2012 – II ZR 75/10 Rn. 13). Das Gesamtbild des Prospektes um die angesprochenen Anlegerkreise sind der relevante Maßstab hinsichtlich der Beurteilung der Frage der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Prospektes (BGH, Urt. v. 05.03.2013 – II ZR 252/11 Rn. 14). Wurde der Anleger ordnungsgemäß mittels Übergabe eines fehlerfreien Prospektes aufgeklärt, nimmt er die Informationen jedoch nicht zur Kenntnis, geht dies grundsätzlich zu seinen Lasten (BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 345/10 Rn. 33).
Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung musste sich der Kläger somit den Inhalt des Prospektes, der rechtzeitig übergeben worden war, entgegenhalten lassen. Dabei ließ das Berufungsgericht bereits den Einwand nicht gelten, der Emissionsprospekt sei zu lang und unübersichtlich. Denn maßgeblich ist insoweit einzig, ob die Prospektinformationen ein zutreffendes Gesamtbild von den Verhältnissen des Unternehmens vermitteln. Konkrete Prospektfehler hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Im Ergebnis hat es deshalb die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

C. Kontext der Entscheidung

Die Prospekthaftung im weiteren Sinne stellt die prominenteste Anspruchsgrundlage für Anleger dar, soweit diese sich von einer eingegangenen Beteiligung an einem geschlossenen Fonds, regelmäßig eine Kommanditbeteiligung, lösen wollen. Dabei wird überwiegend im Wege des großen Schadensersatzes die Rückzahlung der auf die Beteiligung geleisteten Einlage zzgl. Agio und ggf. entgangenem Gewinn abzüglich erhaltener Ausschüttungen Zug um Zug gegen Rückgabe der Beteiligung begehrt. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne stellt sich in dogmatischer Sicht nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung als ein Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach den §§ 280 Abs. 1, 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB dar (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 21.06.2016 – II ZR 331/14 Rn. 12; BGH, Urt. v. 09.07.2013 – II ZR 9/12 Rn. 26; BGH, Urt. v. 23.04.2012 – II ZR 75/10 Rn. 9). Nach dieser ständigen Rechtsprechung des BGH obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, gewisse Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Vertragspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet (BGH, Urt. v. 09.07.2013 – II ZR 9/12 Rn. 26; Emmerich in: MünchKomm BGB, 5. Aufl., § 311 Rn. 112). Diese Haftung trifft bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon beigetretenen Gesellschafter, mit denen bei einer Personengesellschaft der Aufnahmevertrag geschlossen wird (BGH, Urt. v. 21.06.2016 – II ZR 331/14 Rn. 12; BGH, Urt. v. 23.04.2012 – II ZR 211/09 Rn. 9). Die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss ist bei einer Publikumsgesellschaft nur insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch beigetreten sind und die auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen – und Abschlüsse – erkennbar keinerlei Einfluss haben (BGH, Urt. v. 21.06.2016 – II ZR 331/14 Rn. 12; BGH, Urt. v. 09.07.2013 – II ZR 9/12 Rn. 28). Demzufolge sehen sich die Gründungsgesellschafter einer Publikums-Personengesellschaft grundsätzlich regelmäßig solchen Ansprüchen aus Prospekthaftung im weiteren Sinne ausgesetzt. Diese Haftung wird auch nicht durch die spezialgesetzlichen Formen der Prospekthaftung außer Kraft gesetzt (BGH, Urt. v. 09.07.2013 – II ZR 9/12 Rn. 26). Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne unterliegen grundsätzlich der Regelverjährung nach den §§ 195, 199 BGB (Siol in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 4. Aufl., § 45 Rn. 72).
Die Entscheidung des OLG Frankfurt reiht sich in die umfangreiche obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung zur Prospekthaftung im weiteren Sinn bei der Beteiligung an Publikums-Personengesellschaften ein. Sie verdeutlicht nochmals, dass im Falle einer rechtzeitigen Prospektübergabe und einer eventuellen Beratung auf der Grundlage dieses Prospektinhaltes – ohne abweichende mündliche Zusagen des Beraters oder Vermittlers – der Prospekt Inhalt maßgeblich ist und ohne Prospektfehler der Anleger mit seinem Anspruch aus der Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht reüssieren kann. Ob der Prospekt lang oder kurz ist spielt dabei keine Rolle, da bei einer rechtzeitigen Prospektübergabe der Anleger zu einer sorgfältigen und eingehende Lektüre des Prospektes verpflichtet ist.
Die Auslegung des Prospekts kann dabei das Revisionsgericht selbst uneingeschränkt vornehmen, soweit ein Emissionsprospekt über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus verwendet wurde und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht, was regelmäßig bejaht werden kann (BGH, Urt. v. 23.10.2012 – II ZR 294/11 Rn. 11). Im Rahmen einer solchen Auslegung hat der BGH erst jüngst mit Urteil vom 21.06.2016 (II ZR 331/14) zu dem Prospekt einer Publikums-Kommanditgesellschaft ausgesprochen, dass es mit den Anforderungen an einen wahrheitsgemäßen, vollständigen und verständlichen Prospekt zwar nicht zu vereinbaren ist, wenn der Anleger zur Ermittlung des Anteils der Weichkosten erst verschiedene Prospektangaben abgleichen und anschließend eine Reihe von Rechengängen durchführen muss, es jedoch andererseits nicht erforderlich ist, dass der Anteil der Weichkosten im Prospekt mit einer Prozentzahl vom Anlagebetrag angegeben wird. Es genügt vielmehr, wenn der Anleger diesen Anteil mittels eines einfachen Rechenschrittes feststellen kann (BGH, Urt. v. 21.06.2016 – II ZR 331/14 Rn. 16, BGH, Urt. v. 12.12.2013 – III ZR 404/12 Rn. 14 ff.; BGH, Beschl. v. 23.09.2014 – II ZR 319/13 Rn. 37 ff.).

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis stellt die besprochene Entscheidung abermals klar, dass im Falle einer rechtzeitigen Übergabe des Prospektes, bei der dem Interessenten bis zur Anlageentscheidung eine eingehende und sorgfältige Lektüre des Prospektes möglich ist, der Prospektinhalt die maßgebliche Richtschnur für die Beurteilung von Haftungsansprüchen gegen die Gründungsgesellschafter darstellt, soweit darüber hinaus nicht zusätzliche, unzutreffende Angaben des Beraters oder Vermittlers nachgewiesen werden können. Letztere nachzuweisen erweist sich in der Praxis regelmäßig als schwierig, zumal die Beweislast für entsprechende Pflichtverletzungen auf Seiten des Anlegers liegt.