Nachfolgend ein Beitrag vom 12.4.2017 von Henssen, jurisPR-ArbR 15/2017 Anm. 6

Leitsatz

Die vom BAG zur unzulässigen Wiederholungskündigung entwickelten Grundsätze gelten auch für die Änderungskündigung. Eine unzulässige Wiederholungskündigung liegt bei einer Änderungskündigung schon dann vor, wenn sich der Arbeitgeber zur Begründung der dringenden betrieblichen Erfordernisse für beide Änderungskündigungen auf dieselbe unternehmerische Entscheidung beruft. Nicht erforderlich ist, dass die Änderungsangebote übereinstimmen.

A. Problemstellung

Die zu besprechende Entscheidung befasst sich mit einem durchaus ungewöhnlichen Fall bei der Deutschen Telekom AG, in dem es um die Frage geht, wann die Voraussetzungen für die Annahme der Unwirksamkeit einer Änderungskündigung unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungskündigung vorliegen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Der klagende Arbeitnehmer, Jahrgang 1959, war seit Juli 1978 bei der damaligen Deutschen Bundespost im Bereich des Fernmeldeamtes eingestellt und ununterbrochen beschäftigt worden. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für Angestellte der Deutschen Bundespost in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Seit dem 01.12.1999 unterliegt er dem besonderen tariflichen Schutz für ältere Arbeitnehmer.
Der Kläger arbeitete bis zum Jahr 1999 in einer Außenstelle von einem der damaligen Entwicklungszentren der Beklagten. Die dort von ihm wahrgenommenen Aufgaben wurden auf eine Tochtergesellschaft der Beklagten ausgelagert, die Entwicklungszentren aufgelöst. Der Arbeitnehmer setzte zunächst ab 01.07.1999 seine Tätigkeit bei der Tochtergesellschaft fort. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde unter Wegfall der Vergütung ruhend gestellt. Es lebte zum 01.01.2006 wieder auf, nachdem die Beklagte die bisherige Praxis der Beurlaubung aufgab und der Kläger einem Wechsel zur Tochtergesellschaft nicht zustimmte. Er wurde der Niederlassung „Personalbetreuung für zu Inlandstöchtern beurlaubte Mitarbeiter“ zugeordnet und nach Entgeltgruppe T8 vergütet. Er wurde mehrfach im Rahmen einvernehmlicher konzerninterner Leiharbeit bei Beteiligungsgesellschaften der Beklagten eingesetzt.
Erstmals mit Schreiben vom 29.04.2013 kündigte die Beklagte fristgerecht das Arbeitsverhältnis und bot die Fortsetzung nach Ablauf der Kündigungsfrist als „Senior Referent Projektmanagement im Betrieb V im dortigen Bereich V B S in Da“ an. Der Kläger nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an. Seine Klage war vor dem Arbeits- und dem Landesarbeitsgericht erfolgreich. Die Beklagte hatte die Änderungskündigung u.a. damit begründet, die Beschäftigungsmöglichkeit sei für den Kläger aufgrund der unternehmerischen Entscheidung, die Entwicklungszentren auszulagern, bereits 1999 dauerhaft entfallen. Die zeitliche Distanz könne deren Kausalität für die Änderungskündigung in 2013 nicht beseitigen. Diese Auffassung wies das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 17.04.2014 mit der Begründung zurück, ein Zeitraum von 14 Jahren zwischen unternehmerischer Entscheidung und Kündigung lasse offensichtlich die Dringlichkeit entfallen. Entsprechendes gelte für die Entscheidung über die Beendigung der Beurlaubungspraxis im Jahr 2006.
Nach Abschluss des Verfahrens und dem erfolglosen Versuch, einen Änderungsvertrag abzuschließen, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 09.07.2015 dem Kläger erneut mit dem Angebot einer Beschäftigung als „Sachbearbeiter Backoffice … der Firma V C S GmbH (VCS), Di , M“. Sie berief sich weiterhin darauf, dass der Arbeitsplatz des Klägers bereits 1999 dauerhaft und endgültig entfallen sei. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass sie dies nicht unmittelbar zum Anlass für eine Beendigungs- oder Änderungskündigung genommen, sondern zunächst durch mildere Mittel versucht habe, den Kläger in einer (anderen) Beschäftigung zu halten. Das Merkmal der Dringlichkeit sei insoweit nicht zeitlich zu verstehen.
II. Die Klage war in beiden Instanzen erfolgreich. Das LArbG Köln hat entschieden, eine Kündigung könne nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, welche der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht habe und die in dem über diese Kündigung geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden seien, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung sei der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfalte die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Habe sich dieser wesentlich geändert, dürfe der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen.
Vorliegend stütze die Beklagte die Kündigung vom 09.07.2015 auf dieselben Gründe wie die Kündigung vom 29.04.2013, nämlich auf dieselbe unternehmerische Entscheidung aus dem Jahr 1999, welche im ersten Prozess materiell geprüft worden sei mit dem Ergebnis, dass sie eine Kündigung nicht trägt. Der das dringende betriebliche Erfordernis begründende Sachverhalt sei identisch; er habe sich nicht geändert. Eine erneute materielle Prüfung, ob die unternehmerische Entscheidung der Beklagten aus dem Jahr 1999 eine betriebsbedingte Änderungskündigung rechtfertigen könne, sei nach den Maßstäben zur Wiederholungskündigung ausgeschlossen. Dem stehe nicht entgegen, dass sich das Änderungsangebot der beiden Änderungskündigungen unterscheide.

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Entscheidung des LArbG Köln nimmt Bezug auf die Grundsätze der Rechtsprechung des BAG zur sog. Wiederholungskündigung, welche dieses zuletzt im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung eines Croupiers in einer Spielbank streitentscheidend angewendet hat (vgl. BAG, Urt. v. 20.03.2014 – 2 AZR 840/12 Rn. 13 ff.). In dem dortigen Fall hatte die Spielbank ihren Mitarbeiter, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Pokertisch arbeiten und deshalb nicht mehr alle Tätigkeiten als Croupier I dauerhaft verrichten konnte, zunächst im Jahr 2003 gekündigt und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Croupier III (ohne Einsatz am Pokertisch) und entsprechende Herabgruppierung angeboten. Diese Änderungskündigung war vom BAG wie schon von den Vorinstanzen für unwirksam erklärt worden (vgl. BAG, Urt. v. 28.08.2008 – 2 AZR 967/06). Im Jahr 2011 kündigte die Spielbank erneut verbunden mit dem Angebot, den Kläger zu veränderten Arbeitsbedingungen als Croupier der Croupierstufe III weiter zu beschäftigen. Das BAG sah dies als unzulässige Wiederholungskündigung an.
Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem über diese Kündigung geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen. Das gilt auch bei einem sog. Dauertatbestand. Ein anderer Kündigungssachverhalt liegt auch in diesem Fall nur vor, wenn sich die tatsächlichen Umstände, aus denen der Arbeitgeber den Kündigungsgrund ableitet, wesentlich verändert haben. Die Präklusionswirkung tritt ferner dann nicht ein, wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen, also etwa wegen der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Mitarbeitervertretung für unwirksam erklärt worden ist (vgl. BAG, Urt. v. 20.03.2014 – 2 AZR 840/12 Rn. 13 m.w.N.). Verglichen mit den der Änderungskündigung aus 2003 zugrunde liegenden Umständen sei, so das BAG, der Kündigungssachverhalt unverändert. Dies gelte sowohl für die beschränkte Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers als auch für die Bindung des Arbeitgebers an das Ergebnis des Zustimmungsersetzungsverfahrens betreffend die Umgruppierung (vgl. im Einzelnen BAG, Urt. v. 20.03.2014 – 2 AZR 840/12 Rn. 14 ff.).
II. Nichts anderes gilt im Grundsatz für den vom LArbG Köln entschiedenen Fall. Auch hier stützt sich der Arbeitgeber auf einen unveränderten und gerichtlich bereits für unzureichend zur sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung befundenen Sachverhalt. Allerdings hatte das BAG über zwei Änderungskündigungen mit gleichem Inhalt zu entscheiden. Hier geht es aber um inhaltlich unterschiedliche Angebote zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Da ist es zunächst einmal nicht so ohne weiteres selbstverständlich, dies als Wiederholungskündigung zu qualifizieren.
Für die Annahme einer Wiederholungskündigung kommt es nicht nur auf den Kündigungsgrund, sondern auch auf die Kündigung selbst an. So ist anerkannt, dass eine Wiederholungskündigung nicht vorliegt, wenn der Arbeitgeber aufgrund desselben Kündigungssachverhalts nicht mehr fristlos, sondern ordentlich und fristgerecht kündigen will (vgl. BAG, Urt. v. 26.08.1993 – 2 AZR 159/93, zu II. 1. c) der Gründe; BAG, Urt. v. 22.05.2003 – 2 AZR 485/02, zu B. I. 1. a) der Gründe). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber bei unverändertem Sachverhalt einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nach rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung nunmehr außerordentlich mit sozialer Auslauffrist kündigt (vgl. BAG, Urt. v. 26.11.2009 – 2 AZR 272/08 Rn. 18 ff.).
Das Verbot wiederholter Kündigungen bei gleichgebliebenem Kündigungssachverhalt findet seine Grundlage sowohl in der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen (§ 322 ZPO) als auch im rechtlichen Charakter der Kündigung als Gestaltungserklärung. Ein Gestaltungsrecht ist nach seiner Ausübung verbraucht. Diese Ausübung bestimmt sich nach der vorgenannten Rechtsprechung aber auch nach der gewählten Art der Kündigung, nicht nur dem dafür herangezogenen Kündigungsgrund. Dementsprechend kann, wenn eine Beendigungskündigung wegen des Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes gerichtlich für sozial ungerechtfertigt erklärt wird, weil eine zumutbare Möglichkeit der Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen besteht, der Arbeitgeber diese Beschäftigung im Wege der Änderungskündigung dem Arbeitnehmer zuweisen, wenn es zu einer einvernehmlichen Lösung nicht kommt und ein Zuweisung im Wege des Direktionsrechts ausscheidet.
Im Falle von Änderungskündigungen mit unterschiedlichen Änderungsangeboten handelt es sich nicht um unterschiedliche Kündigungsarten. Hat sich nachträglich der Kündigungssachverhalt nicht geändert, kann der bloße Austausch des Angebotsinhalts nicht dazu führen, eine Wiederholungskündigung auszuschließen. Genau das hatte die Beklagte im Falle des LArbG Köln getan. Sie hatte einen nach nunmehr 16 Jahren weiterhin nicht vorliegenden dringenden betrieblichen Grund zum Anlass eines gegenüber der ersten Kündigung lediglich geänderten Arbeitsangebots genommen, ohne dass eine tatsächliche Änderung des Kündigungssachverhalts vorlag, welche dessen andere Beurteilung hätte rechtfertigen können.
III. Hier könnte allerdings dann ein Problem entstehen, wenn der Arbeitgeber bei einer Änderungskündigung „daneben greift“ und er nicht den Arbeitsplatz anbietet bzw. nicht nur die Änderungen vorschlägt, welche der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (vgl. BAG, Urt. v. 20.06.2013 – 2 AZR 396/12 Rn. 16; BAG, Urt. v. 10.04.2014 – 2 AZR 812/12 Rn. 24). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise akzeptieren muss, beurteilt sich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle vorgesehenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (vgl. BAG, Urt. v. 20.06.2013 – 2 AZR 396/12 Rn. 17; BAG, Urt. v. 10.04.2014 – 2 AZR 812/12).
Hat also der Arbeitgeber bei seinem ersten Änderungsangebot unbillige Änderungen vorgeschlagen, bestand und besteht weiterhin aber ein Arbeitsplatz, dessen geänderte Bedingungen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem Arbeitnehmer zumutbar sind, stellt sich die Frage, ob trotzdem eine Änderungskündigung mit einem entsprechendem neuen Angebot unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungskündigung ausscheidet, weil es um denselben Kündigungsgrund und dieselbe Kündigungsart geht. Lösen lässt sich dies wohl nur mit der Überlegung, dass eine Wiederholungskündigung ausscheidet, wenn die vorherige Änderungskündigung nicht schon aufgrund des „an sich“ bestehenden Sachverhalts sozial nicht gerechtfertigt ist, sondern erst an der Verhältnismäßigkeit scheitert, man also vergleichbar der Zwei-Stufen-Prüfung für den wichtigen Grund bei außerordentliche Kündigungen dass Vorliegen einer Wiederholung trotz geändertem Angebot prüft. Meines Erachtens ist dies eine vertretbare Lösung der Problematik.

D. Auswirkungen für die Praxis

In der Praxis dürfte der Ausspruch von Änderungskündigungen noch mehr zur „gefahrgeneigten“ Arbeit für Arbeitgeber und ihre anwaltlichen BeraterInnen werden. Für die Gerichte kommt es darauf an, nicht „blind“ den Leitsatz der besprochenen Entscheidung anzuwenden.