Nachfolgend ein Beitrag vom 7.8.2018 von Merkens, jurisPR-PrivBauR 8/2018 Anm. 1

Leitsätze

1. Nach einem Wechsel des Architekten in der Leistungsphase 3 gehört es nicht zu den Aufgaben des Nachplaners, die getroffene Systementscheidung – hier: kein Einbau einer Befeuchtungsanlage – in Frage zu stellen und die Planung erneut vorzunehmen.
2. Der nachfolgend beauftragte Architekt muss die Vorplanung nicht ohne Anhaltspunkte auf ihre Richtigkeit überprüfen.

A. Problemstellung

Das OLG Hamm hatte sich mit der Frage zu befassen, inwieweit nach einem Wechsel des Planers in der Leistungsphase 3 für den nachfolgenden Planer die Verpflichtung besteht, die zuvor von dem ersten Planer erbrachten Leistungsphasen 1 und 2 zu prüfen bzw. in Frage zu stellen, und ob der nachfolgende Planer überhaupt verpflichtet ist, die ihm überlassenen Vorplanungen auf Richtigkeit zu prüfen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin als Auftraggeberin eines größeren und komplizierten Bauvorhabens hatte mit der Planung der technischen Ausrüstung (§ 55 HOAI) zunächst das Ingenieurbüro Dr. H. beauftragt. Im Zuge der Entwurfsplanung legte das Ingenieurbüro Dr. H. einen TGA-Erläuterungsbericht vor, der, da die Möglichkeit zu jederzeitigen Fensterlüftung des Gebäudes nicht gegeben war, eine unterstützende Lüftungsanlage vorsah. Eine Befeuchtung der Zuluft war demgegenüber nicht vorgesehen. Da die Klägerin mit der Zusammenarbeit unzufrieden war, beauftragte sie später ein anderes Ingenieurbüro (die Beklagte) mit den Leistungsphasen 3 bis 9 nach § 53 HOAI. Die Leistungsphase 3 wurde in dem Vertrag mit dem Zusatz versehen „Entwurfsplanung (System- und Integrationsplanung) der vorliegenden Planung ist zu überarbeiten“. Im Zuge dessen wurde der Beklagten die zuvor erstellte Entwurfsplanung mit dem Erläuterungsbericht, nicht aber die Vorplanung des Ingenieurbüros Dr. H. zur Verfügung gestellt. Vereinbart war darüber hinaus, dass die Grundleistungen der Leistungsphasen 1 und 2, da bereits erbracht, nicht vergütet werden sollten. Die Vergütung der Leistungsphase 3 wurde mit 7,5 v.H. vereinbart. Nach Fertigstellung des Gebäudes beanstandet die Klägerin, dass die Luftfeuchtigkeit in dem Gebäude teilweise unter 25% oder sogar unter 20% liegt, was aus ihrer Sicht gesundheitsgefährdend für die in den Räumlichkeiten beschäftigten Personen und Besucher sein könne, die über Atemluftprobleme und trockene Schleimhäute etc. klagten. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hätte im Rahmen der ihr obliegenden Planungen sicherstellen müssen, dass die notwendigen Luftfeuchtigkeitswerte eingehalten werden, um gesundheitliche Probleme zu vermeiden. Jedenfalls hätte die Beklagte die Klägerin umfassend zu den Raumluftverhältnissen und den Behaglichkeitsanforderungen an das Raumklima aufklären müssen. Die Klägerin hätte sich dann dazu entschieden, eine Befeuchtung der Zuluft einzubauen. Mit der Klage verlangt die Klägerin (unter Berücksichtigung der Ohnehin-Kosten) Erstattung des Aufwandes, der für die nachträgliche Nachrüstung der Befeuchtung der Zuluft erforderlich sein soll.
Das LG Bochum hatte die Klage abgewiesen (2 O 332/14) und zur Begründung ausgeführt, die im Rahmen der Leistungsphase 3 seitens der Beklagten geschuldete Überarbeitung der zuvor erbrachten Planungsleistung gehe nicht so weit, dass die Beklagte die von dem Vorplaner getroffene Grundsatzentscheidung, eine Befeuchtungsanlage nicht vorzusehen, hätte grundlegend in Frage stellen müssen.
Die dagegen geführte Berufung wurde von dem OLG Hamm zurückgewiesen. Zur Begründung stellte das Oberlandesgericht zunächst darauf ab, dass die der Beklagten beauftragten Ingenieurleistungen auf den Vertragszweck auszurichten waren, eine Funktionstauglichkeit auf eine Nutzbarkeit des Gebäudes als Bürogebäude sicherzustellen. Das bedeute, dass die Räume so beschaffen sein müssten, dass ein Aufenthalt darin während der regelmäßigen Arbeitszeit keine Gesundheitsgefährdung verursachen dürfe. An einem eigenen Planungsfehler der Beklagten fehle es, da es nicht zu ihren Pflichten gehörte, eine Befeuchtungsanlage zu planen (sollte diese überhaupt notwendig sein). Die Beklagte sei nur zum Teil mit der Leistungsphase 3 beauftragt gewesen und hatte die ihr beigestellte Planung des vorher tätigen Ingenieurbüros zu überarbeiten. Das könne nicht bedeuten, dass die Beklagte die Leistungen der Leistungsphasen 1 und 2 hätte erneut bringen müssen. Ebenso wenig bedurfte die Leistungsphase 3 einer kompletten Neuplanung. Die Frage, ob eine Befeuchtung der Zuluft einzubauen war, sei eine konzeptionelle Frage. Diese Entscheidung werde in den Leistungsphasen 1 und 2 getroffen. Die Leistungsphase 2 beinhalte die Festlegung des für die jeweiligen Bereiche der technischen Ausrüstung in Betracht kommenden Systems samt der Untersuchung alternativer Lösungsmöglichkeiten und überschlägiger Auslegung der wichtigsten Systeme und Anlagenteile. In der Leistungsphase 3 erfolge dann ein Durcharbeiten des vorher erstellten Planungskonzeptes und das Festlegen aller Systeme und der Anlagenteile. Damit sei die konzeptionelle Entscheidung, auf eine Befeuchtung der Zuluft zu verzichten, bereits zuvor im Rahmen der Leistungsphase 2 getroffen worden. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten gewesen, diese grundsätzliche konzeptionelle Entscheidung noch einmal in Frage zu stellen.
Eine Überprüfung der ihm überlassenen Vorplanung eines anderen Architekten durch den Nachfolgerarchitekten sei nur dann veranlasst, wenn der Nachplaner Anhaltspunkte dafür habe, die Richtigkeit der ihm überlassenen Vorplanung zu prüfen. Dies wäre hier nur dann der Fall gewesen, wenn es eine anerkannte Regel der Technik gebe, die vorschreibt, dass ein Bürogebäude im Falle des Einbaus einer Belüftungsanlage zusätzlich mit einer Befeuchtungsanlage der Zuluft auszustatten ist, um eine Mindestraumluftfeuchte sicherzustellen. Das OLG Hamm handelt im Einzelnen ab, dass es keine verbindlichen Normen hinsichtlich einer Mindestraumluftfeuchte gibt, was durch ein Sachverständigengutachten bestätigt wurde.

C. Kontext der Entscheidung

Der Entscheidung des OLG Hamm ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Leistungsphasen 1 und 2 wurden der Beklagten überhaupt nicht, die Leistungsphase 3 nur teilweise beauftragt. Vereinbarungsgemäß sollte die Beklagte die ihr (nur) bis dahin im Rahmen der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) erbrachten Leistungen des Vorplaners „überarbeiten“. Die Grundsatzfrage, ob eine Befeuchtungsanlage einzubauen ist, ist eine konzeptionelle Frage. Diese Systementscheidung wird im Rahmen der Leistungsphasen 1 und 2 geprüft und dann auch entschieden. Im Rahmen der Leistungsphase 2 ist das Planungskonzept zu erstellen. Dazu gehört eine Vordimensionierung der Systeme und maßbestimmenden Anlagenteile, das Untersuchen von alternativen Lösungsmöglichkeiten bei gleichen Nutzungsanforderungen einschließlich einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (Messerschmidt/Niemöller/Preussner/Schmidt, HOAI 2015, § 55 Rn. 14). Damit, sowie mit den teilweise bereits erbrachten Leistungen der Entwurfsplanung einschließlich des Erläuterungsberichtes, waren die Planungen bereits so weit fortgeschritten, dass die Beklagte darauf aufbauen konnte, was so auch vertraglich vereinbart war. Eine Verpflichtung der Beklagten, die zuvor getroffene Grundsatzentscheidung noch einmal in Frage zu stellen, hätte nur dann bestanden, wenn die Beklagte Anhaltspunkte dafür haben musste, diese Grundsatzentscheidung noch einmal zu hinterfragen, den – unterstellten – Fehler hätte also bemerken müssen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.01.2006 – 17 U 168/04 – NJW-RR 2006, 600; Langen NZBau 2015, 2). Vergleichbar ist die Konstellation bei der Beurteilung der Untersuchungs-/Hinweispflichten des Unternehmers nach § 4 Abs. 3 VOB/B (vgl. dazu Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, VOB, 6. Aufl. 2018, § 4 VOB/B Rn. 81). Etwas anderes würde dann gelten, wenn die Befeuchtung der Zuluft nach den anerkannten Regeln der Technik unabdingbar war, um den Funktionszweck des Gebäudes (Nutzung als Bürogebäude) zu gewährleisten. Das OLG Hamm befasst sich ausführlich mit dieser Frage und stellt im Ergebnis fest, dass es bezüglich der Raumluftfeuchte keine anerkannte Regel der Technik des Inhalts gibt, dass bei Unterschreitung gewisser Werte zwingend eine Befeuchtung der Zuluft zu planen/auszuführen ist, sodass auch ein eigener Planungsfehler der Beklagten zu Recht verneint wurde.
Einen anderen Ansatzpunkt behandelt das OLG Hamm nicht: Der Architektenvertrag ist Werkvertrag (BGH, Urt. v. 22.10.1981 – VII ZR 310/79 – NJW 1982, 438; Messerschmidt/Niemöller/Preussner, VOB, 6. Aufl. 2018, § 4 VOB/B Grundl. Rn. 4). Damit schuldete der nachfolgende Planer hier per se schon keine Grundleistungen der Leistungsphasen 1 und 2 und die Erbringung der Leistungsphase 3 nur teilweise, da in dem Vertrag mit 7,5% (statt 17%) bewertet und nach dem Vertrag die von dem Auftraggeber beigestellten Unterlagen nur zu überarbeiten waren. Durch die Überlassung der im Rahmen der Leistungsphase 3 von dem Vorplaner erstellten Unterlagen sowie des Erläuterungsberichtes, wonach die lufttechnische Funktion der Anlage im Einzelnen beschrieben war, ohne dass die Befeuchtung der Zuluft vorgesehen war, dürfte insoweit zwischen den Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB zustande gekommen sein.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Aufbauen auf Vorleistungen ist für den nachfolgenden Planer stets mit erheblichen Risiken behaftet. Dabei ist zunächst zu prüfen, welche eigenen Leistungen der nachfolgende Planer zu erbringen hatte, um den geschuldeten Erfolg, der sich in erster Linie nach der Zweckbestimmung des Objekts bestimmt, zu erreichen. Der nachfolgende Planer ist daher gut beraten, ihm überlassene Unterlagen nicht ungeprüft zu übernehmen. Er sollte sicherstellen, dass seine nachfolgenden Leistungen die anerkannten Regeln der Technik unter Berücksichtigung des beabsichtigten Nutzungszwecks erfüllen. Ist das der Fall, komme eine Haftung für die ihm überlassenen Vorleistungen nur dann in Betracht, wenn er bei durchschnittlich zu erwartenden Kenntnissen eines Architekten den Fehler des vorher tätigen Architekten bemerken musste (OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.01.2006 – 17 U 168/04 – IBR 2006, 572; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, § 12 Rn. 747).

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Lesenswert sind auch die Ausführungen des OLG Hamm zu der Frage, ob es für Gebäude Grenzwerte einer Mindestraumluftfeuchte gibt. Das Thema Raumklima vor allem bei Arbeitsplätzen spielt zunehmend eine große Rolle. In dem entschiedenen Fall wurden Gesundheitsgefahren dargetan, die auf eine angeblich zu niedrige Raumluftfeuchte zurückzuführen waren. Das OLG Hamm stellt mit ausführlicher Begründung fest, dass es keine zwingenden Vorgaben gibt, sodass Bauherren derzeit gut beraten sind, Vorgaben für ein bestimmtes Raumklima zu machen.

Planerwechsel: Prüfpflicht des Nachfolgers?
Birgit OehlmannRechtsanwältin

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