Nachfolgend ein Beitrag vom 9.1.2017 von Geserich, jurisPR-SteuerR 2/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. Die Ablösung einer vom Arbeitgeber erteilten Pensionszusage führt beim Arbeitnehmer zwar dann zum Zufluss von Arbeitslohn, wenn der Ablösungsbetrag auf Verlangen des Arbeitnehmers zur Übernahme der Pensionsverpflichtung an einen Dritten gezahlt wird (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Hat der Arbeitnehmer jedoch kein Wahlrecht, den Ablösungsbetrag alternativ an sich auszahlen zu lassen, wird mit der Zahlung des Ablösungsbetrags an den die Pensionsverpflichtung übernehmenden Dritten der Anspruch des Arbeitnehmers auf die künftigen Pensionszahlungen (noch) nicht wirtschaftlich erfüllt. Ein Zufluss von Arbeitslohn liegt in diesem Fall nicht vor.

A. Problemstellung

Streitig ist, ob dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer Arbeitslohn zufließt, wenn ein Dritter die Pensionsverpflichtung des Arbeitgebers übernimmt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer sowie Mehrheitsgesellschafter der A.-GmbH und hatte Anspruch auf ein Ruhegehalt in Höhe von 50% seiner letzten Vergütung. Die zur Finanzierung der Altersversorgung abgeschlossene Lebensversicherung war im Streitjahr bereits ausbezahlt. Der Auszahlungsbetrag in Höhe von rund 467.000 Euro wurde getrennt vom Betriebsvermögen der A.-GmbH angelegt. Der Kläger veräußerte sämtliche Geschäftsanteile an der A.-GmbH an die X.-AG. Im Kaufvertrag war vereinbart, dass die Pensionsverpflichtung, die zuvor auf 3.500 Euro monatlich „gedeckelt“ worden war, nicht auf den Erwerber, sondern auf die von A allein zu diesem Zweck gegründete B.-GmbH (Pensions-GmbH) übergehen sollte. Dementsprechend übernahm die B.-GmbH alle Rechte und Pflichten aus der dem A gewährten Pensionszusage der A.-GmbH gegen Zahlung einer Vergütung in Höhe von 467.000 Euro. A stimmte der Übertragung der Pensionsverpflichtung auf die B.-GmbH zu. Das Finanzamt wertete diese Vorgänge als Einnahmen des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe des Ablösebetrags. Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht abgewiesen (FG Düsseldorf, Urt. v. 24.10.2012 – 7 K 609/12 E). Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Er hat zur Begründung ausgeführt:
Das Finanzgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der A.-GmbH als Gegenleistung für die Übernahme der Pensionszusage an die B.-GmbH gezahlte Ablöse beim Kläger zu einem Zufluss von Arbeitslohn geführt habe. Die Sache sei jedoch nicht entscheidungsreif. Denn das Finanzgericht habe bislang nicht geprüft, ob der Kläger mit der „Deckelung“ des Ruhegehalts einen teilweisen Verzicht geleistet und damit eventuell eine zum Zufluss von Arbeitslohn führende und mit dem Teilwert zu bewertende verdeckte Einlage (BFH, Urt. v. 15.06.2016 – VI R 6/13 – BStBl II 2016, 903; Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 42/2016 Anm. 1) bewirkt habe.

C. Kontext der Entscheidung

I. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§§ 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei und begründet damit auch noch keinen gegenwärtigen Zufluss von Arbeitslohn (BFH, Urt. v. 27.05.1993 – VI R 19/92 – BStBl II 1994, 246). Der Zufluss ist grundsätzlich vielmehr erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben (BFH, Beschl. v. 23.07.1999 – VI B 116/99 – BStBl II 1999, 684), also wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt (BFH, Urt. v. 25.11.1993 – VI R 45/93 – BStBl II 1994, 254). Folglich fließt mit der Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer künftig Leistungen zu erbringen, Arbeitslohn erst in dem Zeitpunkt zu, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Eigentum verschafft (BFH, Urt. v. 03.07.1964 – VI 262/63 U – BStBl III 1965, 83; BFH, Urt. v. 26.07.1985 – VI R 200/81 – BFH/NV 1986, 306; BFH, Urt. v. 10.11.1989 – VI R 155/85 – BFH/NV 1990, 290). Der Zufluss von Arbeitslohn ist ferner zu bejahen, wenn der Arbeitgeber mit seinen Leistungen dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen einen Dritten verschafft (BFH, Urt. v. 16.04.1999 – VI R 66/97 – BStBl II 2000, 408). Auch in diesem Fall wird der Zufluss aber nicht durch das Versprechen des Arbeitgebers, z.B. Versicherungsschutz zu gewähren, herbeigeführt, sondern erst durch die Erfüllung dieses Versprechens, insbesondere durch die Leistung der Versicherungsbeiträge in der Weise, dass ein eigener unentziehbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf die Versicherungsleistung entsteht.
II. Demzufolge sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung gegenwärtig zufließender Arbeitslohn, wenn sich die Sache – wirtschaftlich betrachtet – so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Beträge zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Erwerb einer Zukunftssicherung verwendet hätte (BFH, Urt. v. 15.07.1977 – VI R 109/74 – BStBl II 1977, 761). Kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn, sondern eine Versorgungszusage liegt demgegenüber vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Versorgung aus eigenen, erst im Zeitpunkt der Zahlung bereitzustellenden Mitteln zusagt; in diesem Fall unterliegen erst die späteren aufgrund der Zusage geleisteten Versorgungszahlungen der Lohnsteuer (z.B. BFH, Urt. v. 15.07.1977 – VI R 109/74 – BStBl II 1977, 761; BFH, Urt. v. 19.05.1993 – I R 34/92 – BStBl II 1993, 804; jeweils m.w.N.).
III. Nach diesen Grundsätzen hat weder die dem Kläger erteilte Direktzusage noch die von der A.-GmbH als Gegenleistung für die Schuldübernahme an die B.-GmbH geleistete Zahlung in Höhe von 467.000 Euro zu zusätzlichem Arbeitslohn des Klägers geführt.
Die dem Kläger von der A.-GmbH in der Vergangenheit erteilte Direktzusage hat bei ihm vor Eintritt des Versorgungsfalles noch keinen Lohnzufluss ausgelöst. Denn aufgrund der Pensionszusage floss ihm als Gesellschafter-Geschäftsführer (noch) kein Vermögenswert zu, da ihm die A.-GmbH als Arbeitgeberin eine Versorgung aus eigenen, erst im Zeitpunkt der Zahlung bereitzustellenden Mitteln zusagte.
Die Ablösungszahlung im Rahmen der Schuldübernahme hat beim Kläger im Streitjahr gleichfalls keinen Zufluss von Arbeitslohn bewirkt. Durch die Zahlung der Ablöse erfüllte die A.-GmbH keinen Anspruch des Klägers, sondern einen solchen der B.-GmbH. Die A.-GmbH wandte dem Kläger durch die Zahlung auch keinen Anspruch gegen die B.-GmbH auf Zahlung von 467.000 Euro zu. Vielmehr wurde lediglich der Schuldner der Verpflichtung aus der Pensionszusage ausgetauscht. Die (bloße) Schuldübernahme nach § 415 Abs. 1 BGB führt indes lediglich zu einem Schuldnerwechsel und bewirkt (noch) keinen Zufluss beim Pensionsberechtigten. Sie ändert weder etwas an dem Charakter der Pensionszusage noch an deren Inhalt. Es blieb vielmehr bei dem bloßen Versprechen, die zugesagten Leistungen in der Zukunft zu erbringen.
IV. Auch hat die A.-GmbH den Anspruch des Klägers auf die künftigen Pensionszahlungen mit der Zahlung an die B.-GmbH vorliegend noch nicht wirtschaftlich erfüllt. Über den zur Übertragung der Pensionsverpflichtung auf die B.-GmbH verwendeten Betrag konnte der Kläger nicht verfügen. Insbesondere begründet der Umstand, dass der Kläger alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der B.-GmbH war, keine eigene Verfügungsmacht des Klägers über den an die B.-GmbH gezahlten Ablösebetrag.

D. Auswirkungen für die Praxis

Bereits im BFH-Urteil vom 12.04.2007 (VI R 6/02 – BStBl II 2007, 581; Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 24/2007 Anm. 2) hat der BFH entschieden, dass die Ablösung einer vom Arbeitgeber erteilten Pensionszusage beim Arbeitnehmer auch dann zum Zufluss von Arbeitslohn führt, wenn der Ablösungsbetrag auf Verlangen des Arbeitnehmers zur Übernahme der Pensionsverpflichtung an einen Dritten gezahlt wird. In diesem Fall sah der BFH in der Zahlung des Ablösungsbetrags durch den Arbeitgeber wirtschaftlich eine vorzeitige Erfüllung des Anspruchs aus einer in der Vergangenheit erteilten Pensionszusage. Diese Entscheidung ist jedoch durch die Besonderheit geprägt, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Wahlrecht eingeräumt war, die Zahlung an sich selbst (gegen Verzicht) oder an eine GmbH gegen Übernahme der Pensionsverpflichtung zu verlangen. Die in Ausübung des Wahlrechts auf Verlangen des Gesellschafter-Geschäftsführers erfolgte Zahlung an die „Pensions-GmbH“ würdigte der Senat als vorzeitige Erfüllung der Pensionszusage.
Ein solches Wahlrecht war dem Kläger vorliegend nicht eingeräumt. Es kann entgegen der Ansicht des Finanzgerichts und der Finanzverwaltung auch nicht allein deshalb angenommen werden, weil es der Kläger als alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter „faktisch“ in der Hand hatte, darüber zu entscheiden, wie die A.-GmbH das Verkaufshindernis „Pensionszusage“ beseitigen sollte. Eine solche Auffassung missachtet das sowohl im Gesellschaftsrecht als auch im Steuerrecht allgemein anerkannte Trennungsprinzip zwischen einer Kapitalgesellschaft als selbstständigem Rechtsträger und ihren Gesellschaftern.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Ob dem Kläger im Streitjahr durch die Übernahme der Pensionszusage seitens der B.-GmbH ohne Vereinbarung eines Risiko- oder Sicherheitszuschlags darüber hinaus eine verdeckte Gewinnausschüttung zugeflossen ist, war nicht Gegenstand des Verfahrens.