OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 26.1.2017, 3.U.26/15
In einem durch die Kanzlei OEHLMANN geführten umfangreichen handelsrechtlichen Verfahren für einen Getränkefachgroßhändler aus dem Raum Berlin gegen die Radeberger Gruppe ist nunmehr auch die Berufungsinstanz obsiegend abgeschlossen worden. Die Berufung der Radeberger Gruppe gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt zu dem dortigen Az. 2-07.O.231/12 wurde zurück gewiesen. Die Revision gegen das Berufungsurteil wurde nicht zugelassen, Nichtzulassungsbeschwerde wurde nicht eingelegt, sodass das Urteil nunmehr rechtskräftig ist.
Sachverhalt:
Die Parteien hatten wechselseitige Ansprüche aus einem ursprünglich bestehenden und späterhin dann gekündigten Partnerschaftsvertrag geltend gemacht. Gegenstand der Klage des Getränkefachgroßhändlers waren ausstehende Gutschriften und Rückvergütungen in Höhe von 17.975 €, während die beklagte Radeberger Gruppe die Aufrechnung mit behaupteten Gegenforderungen erklärt hat und den überschießenden Betrag im Wege der Widerklage zuletzt mit 172.184 € geltend gemacht hat. Hintergrund dieser Gegenansprüche sollen Manipulationen bei der Leergutrückgabe über einen längeren Zeitraum gewesen sein, bei denen ein Fahrer des Getränkefachgroßhändlers und ein Mitarbeiter der Brauerei zusammengewirkt hätten. Das Landgericht hatte der Klage in vollem Umfang entsprochen und die Widerklage abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche des Getränkefachgroßhändlers seien unstreitig gegeben gewesen, für die behaupteten Gegenansprüche der Radeberger Gruppe fehle es an jeglicher Anspruchsgrundlage, die Höhe der behaupteten Ansprüche sei im Übrigen gänzlich unsubstantiiert. U.a. sei der beklagten Brauerei eine Anfechtung der periodischen Abrechnungen nach § 123 BGB verwehrt, weil sie nicht arglistig getäuscht worden sei. Ansprüche wegen Mitwirkung des klagenden Getränkefachgroßhändlers an irgendwelchen Handlungen der beiden Mitarbeiter seien nicht dargestellt worden und auch nicht ersichtlich, für ein etwaiges vertragswidriges Verhalten auch des eigenen Mitarbeiters habe die Klägerin nicht über § 278 BGB einzustehen. Ansprüche aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) kämen letztlich ebensowenig in Betracht wie aus ungerechtfertigter Bereicherung, letzterer stehe u.a. § 814 BGB entgegen.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main hatte die Berufung in der Sache keinen Erfolg, denn das Urteil des Landgerichts sei jedenfalls im Ergebnis zu Recht ergangen. Es könne dahin stehen, ob zwischen den Parteien ein Kontokorrentverhältnis im Rechtssinne bestanden habe. Unbestritten sei jedenfalls von einem periodischen Abrechnungsverhältnis in Bezug auf die bezogenen Getränkemengen und das zurück gewährte Leergutpfand auszugehen. Denn Gegenstand dieser Abrechnungen sei jeweils der Kaufpreis gewesen, den die Klägerin für bezogene Getränke der Beklagten zu entrichten hatte und von denen das von der Beklagten zurück gewährte Leergutpfand in Abzug gebracht wurde, sodass die Klägerin regelmäßig den Differenzbetrag an die Beklagte zu entrichten hatte.
Die Leergutsalden galten dabei als anerkannt, wenn der Kunde, also die Klägerin, nicht innerhalb von 2 Wochen schriftlich widersprach. Die Beklagte gehe dabei zutreffend davon aus, dass diese Regelung, die § 377 HGB nachgebildet sei, nicht die Beklagte betreffe. Indessen seien in dem vorliegenden Fall die Besonderheiten des Ermittlungs- und Abrechnungsverfahrens zu berücksichtigen. Denn die Beklagte selbst erfasste und verbuchte das Leergut über einen Touchscreen. Wenn die Beklagte aber selbst die Höhe des zurück gewährten Leergutpfandes ermittele und in die periodischen Abrechnungen als Abzugsbetrag mit einfließen lasse, dann liege in der Abrechnung zugleich das Anerkenntnis der Beklagten, das ermittelte Leergutpfandgeld zu schulden. Ob das Landgericht letztlich § 814 BGB zu Unrecht habe eingreifen lassen, könne dahin stehen, weil bei der Annahme eines Anerkenntnisses des zurück gewährten Leergutpfandes durch die Beklagte Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung bereits dem Grunde nach ausgeschlossen seien.
Anmerkungen:
Das Urteil überzeugt im Ergebnis, nicht jedoch in allen Teilen der Begründung. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben keine Entscheidung über das Vorliegen eines klassischen Kontokorrentverhältnisses im Sinne von § 355 HGB getroffen, dieses vielmehr offen gelassen und anhand der vertraglichen Vereinbarungen entlang argumentiert, dies offenkundig mit dem Ziel einer Einzelfallentscheidung. Die erhobene Einrede der Kontokorrentbindung hatte den unübertrefflichen Charme, dass damit die isolierte Geltendmachung von Einzelforderungen ausgeschlossen war, da diese durch Einstellung in den Kontokorrent ihre rechtliche Selbstständigkeit verloren hatten. Beide Parteien sind natürlich Kaufleute. Zwischen den Parteien existierte u.a. aufgrund des Partnerschaftsvertrages eine „Geschäftsverbindung“, aus der „beiderseitige Forderungen“ entstehen. Unstreitig geblieben ist auch, dass der Kläger ständig von der Beklagten Getränke bezogen und zugleich Leergut an die Beklagte zurückgegeben hat. Im Hinblick auf die erhaltene Ware sind dabei jeweils Forderungen der Beklagten und das zurückgegebene bepfandete Leergut betreffend solche des Klägers entstanden. Schließlich war auch eine Verrechnungsabrede (sog. Kontokorrentabrede) getroffen worden. Damit lagen alle Voraussetzungen für die Annahme eines Kontokorrentverhältnisses vor.
Darüber hinaus war vorliegend auch § 377 HGB einschlägig, der die unverzügliche Untersuchungs- und Rügepflicht regelt. Das Landgericht führte insofern unter Verweisung auf die diesbezüglich ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend aus, dass die Abgabe von bepfandetem Leergut als Sachdarlehen im Sinne des § 607 BGB zu bewerten sei und auf diese Sachdarlehensgeschäfte unter Kaufleuten § 377 HGB entsprechende Anwendung finde. Damit konnten der Beklagten – die Behauptungen der Lieferung einer geringeren Menge einmal als richtig unterstellt – wegen Verletzung der unverzüglichen Prüfungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB keine Rechte mehr gegen den Getränkefachgroßhändler zustehen.
Mit diesem Berufungsurteil kann der sog. Berliner Bierkrieg als beendet angesehen werden. Nach Auffassung des klagenden Getränkefachgroßhändlers hatte die beklagte Brauerei versucht, über 3.000 Hektoliter Fassbierumsatz in der Berliner Gastronomie mit einer fadenscheinigen Vertragskündigung auf eine eigene Tochtergesellschaft zu übertragen. Nicht nur dies ist ihr nicht gelungen, nahezu alle (ungebundenen) Gastronomiebetriebe beziehen nunmehr Fassbier einer anderen Brauerei. Es wird Jahre brauchen, diese Verluste wieder aufzuholen. Auch das Vorhaben, den Getränkefachgroßhändler für von der eigenen Revisionsabteilung dokumentierte katastrophale Versäumnisse der Brauerei in der Leerguterfassung verantwortlich zu machen, ist vollumfänglich gescheitert.
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