Nachfolgend ein Beitrag vom 29.1.2018 von Wozniak, jurisPR-InsR 2/2018 Anm. 3

Leitsatz

Zwar kann auch in einem Unterlassen eine insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung liegen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruht, somit in dem Bewusstsein erfolgt, dass die Untätigkeit irgendwelche Rechtsfolgen auslöst. Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn ein hochbetagter und erkrankter Erblasser davon absieht, in seinem letzten Lebensjahr monatliche Raten aus Reallasten gegenüber seinem Sohn in verjährungshemmender Weise geltend zu machen.

A. Problemstellung

Das OLG Frankfurt befasst sich in der hier zu besprechenden Entscheidung mit den Anforderungen, die an eine Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO zu stellen sind. In Übereinstimmung mit der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung geht das OLG Frankfurt davon aus, dass ein Unterlassen grundsätzlich geeignet ist, eine insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung zu begründen, hält aber für ein anfechtungserhebliches Unterlassen eine Willensbetätigung für erforderlich sowie das Bewusstsein des Handelnden, dass seine Untätigkeit Rechtsfolgen auslösen kann. Das Oberlandesgericht verneint dies in argumentativ wenig überzeugender Weise für einen betagten und erkrankten Erblasser, bei dem im Nachlassinsolvenzverfahren Anfechtungsansprüche verfolgt werden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger wurde durch Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts D vom 15.05.2012 zum Insolvenzverwalter über den Nachlass des 2011 verstorbenen A, im folgenden Erblasser, bestellt. Mit seiner am 05.05.2015 bei Gericht eingegangenen Klage macht er offene Rentenzahlungsansprüche aus einer notariellen Urkunde geltend. Vorangegangen war vor dem Tod des Erblassers der Umstand, dass der Erblasser mit notarieller Urkunde vom 02.05.2003 dem Beklagten, seinem Sohn, das Eigentum an einem in der Stadt Z gelegenen Grundstück übertragen hat. Dabei verpflichtete sich der spätere Beklagte unter § 4.1 der Urkunde im Gegenzug, dem Erblasser auf Lebenszeit eine dauernde monatliche Last i.H.v. 2.000 Euro zu zahlen, fällig jeweils zum Fünften eines Monats. Die Urkunde enthielt in § 12 Nr. 2 außerdem folgende Regelung:
„Ansprüche aus dieser Urkunde auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an dem Grundstück oder auf Abänderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung verjähren in 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn.“
Jedenfalls bis einschließlich 2007 beglich der Beklagte unstreitig die monatliche Last vereinbarungsgemäß. Im Gesamtzeitraum Januar 2008 bis März 2011 blieben die auf die monatliche Last geleisteten monatlichen Zahlungen des Beklagten hinter der vertraglich geschuldeten Summe zurück. Der Kläger errechnete seine Klageforderung wie folgt: Sollsumme Januar 2008 bis März 2011 78.000 Euro, hierauf erfolgte Zahlungen 37.360 Euro, damit offen 40.640 Euro. Auf die offenen Forderungen lässt sich der Kläger insgesamt 16.131,90 Euro anrechnen, welche der Beklagte für den Erblasser im Jahr 2009 an das Finanzamt und die Krankenkasse geleistet hat. Die Anrechnung erfolgt dergestalt, dass der Kläger eine Verrechnung mit der jeweils ältesten offenstehenden Forderung vornimmt, so dass danach noch ein Betrag i.H.v. 24.508,10 Euro verbleibt, der klageweise geltend gemacht wird. Zwischen den Parteien ist streitig, ob und in welchem Umfang anderweitige Zahlungen des Beklagten auf dessen Rentenzahlungsverpflichtung anzurechnen sind. Es handelt sich hierbei um eine behauptete Barzahlung am 01.04.2009 i.H.v. 9.000 Euro. Zum anderen hat der Beklagte in Höhe des Betrages der von ihm getragenen Beerdigungskosten von 5.708,64 Euro hilfsweise gegen die Klageforderung die Aufrechnung erklärt.
Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und dabei ausgeführt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum nur die vom Kläger in der Klage berücksichtigten Beträge als Leistungen auf die dauernde Last zu berücksichtigen seien. Der eingeklagte Betrag stehe hingegen zur Zahlung offen. Die vom Beklagten behauptete Vereinbarung einer Reduzierung der dauernden Last greife nicht durch, da diese mangels Gegenleistung jedenfalls gemäß § 134 InsO wirksam angefochten sei. Auch könne die behauptete Barzahlung von 9.000 Euro nicht berücksichtigt werden, da der Beklagte beweisfällig geblieben sei. Die erfolgte Aufrechnung hinsichtlich der Beerdigungskosten sei gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO unzulässig.
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter und hat mit Schriftsatz vom 21.03.2017 erstmals die Verjährungseinrede erhoben. Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und führt aus, dass die Klageforderung nicht verjährt sei. In der Nichtgeltendmachung der streitgegenständlichen Raten der dauernden Last durch den Erblasser sei eine anfechtbare gläubigerbenachteiligende Handlung in der Form des Unterlassens gemäß den §§ 129, 134 InsO zu sehen, so dass im Ergebnis die Verjährung der streitgegenständlichen Forderungen erst nach dem Tod des Erblassers und Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu laufen begonnen habe und die Klage somit in unverjährter Zeit erhoben worden sei.
Das OLG Frankfurt ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Es hält die Berufung des Beklagten für zulässig und in der Sache erfolgreich. Es weist daher die Klage ab.
Der Beklagte könne der Klageforderung wirksam die Verjährungseinrede nach § 214 BGB entgegenhalten. Die streitgegenständlichen rückständigen Raten unterlagen der Regelverjährung gemäß den §§ 195, 199 BGB und seien spätestens mit Ablauf des 31.12.2014 verjährt. Hierauf könne sich der Beklagte wirksam berufen, auch erstmals in der Berufungsinstanz. Monatliche Raten aus einer Reallast sowie einer parallelen schuldrechtlich eingegangenen Verpflichtung unterlägen als wiederkehrende Einzelansprüche nach dem Willen des Gesetzgebers stets der dreijährigen Verjährungsfrist nach den §§ 195, 199 BGB. Zwar handelt es sich bei der streitgegenständlichen Reallast um ein eingetragenes Recht i.S.d. § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, die durch geregelte Unverjährbarkeit eingetragener Rechte erfasse gemäß § 902 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch ausdrücklich nicht die Rückstände wiederkehrender Leistungen, für die es bei der Regelverjährung verbleibe. Auch aus der unter § 12 Nr. 2 der notariellen Urkunde zwischen Erblasser und Beklagtem getroffenen Verjährungsabrede folge keine längere Verjährungsfrist. Mit dieser Klausel hätten die Vertragsparteien dem Wortlaut des § 196 BGB folgend die dort geregelte zehnjährige Verjährungsfrist wirksam auf 30 Jahre verlängert, § 202 Abs. 2 BGB. Jedoch nicht die einzelnen Reallastraten seien als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung im Sinne dieser Vorschrift zu sehen, sondern nur die Einräumung des Stammrechts, also die Bestellung der Reallast. Die allgemeine Verjährungsfrist gelte auch für die auf rein schuldrechtlicher Grundlage zu bezahlenden, monatlich wiederkehrenden Leistungen, was der BGH insbesondere aus der in § 197 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Gesetzessystematik folgere. Die streitgegenständlichen offenen Raten der dauernden Last seien in den Jahren 2008 bis 2011 fällig geworden, nach der vom Kläger vorgenommenen Verrechnung stünden noch Raten aus den Jahren 2010 und 2011 offen. Verjährung der Raten aus dem Jahr 2010 sei daher gemäß den §§ 195, 199 BGB mit Ablauf des 31.12.2013 eingetreten, im Übrigen mit Ablauf des 31.12.2014. Die am 05.05.2015 bei Gericht eingegangene und dem Beklagten am 16.06.2015 zugestellte Klage konnte damit die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen. Eine vor Verjährungseintritt vorgenommene verjährungshemmende Rechtshandlung habe der Kläger nicht dargetan. Der mit Schreiben vom 05.09.2014 erfolgten außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung komme keine verjährungshemmende Wirkung zu. Die in § 211 BGB normierte An- und Ablaufhemmung in Nachlassfällen, wonach die Verjährung eines Anspruchs, der zum Nachlass gehöre, nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens eintrete, führe vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Das Nachlassinsolvenzverfahren wurde bereits mit Beschluss vom 15.05.2012 eröffnet, die Verjährung der ältesten streitgegenständlichen Forderungen trat jedoch erst lange nach Ablauf des Sechs-Monats-Zeitraums ein, nämlich erst mit Ablauf des 31.12.2013. In einer solchen Konstellation bleibe für die Regelung des § 211 BGB kein Anwendungsbereich. Die Klageforderung sei schließlich auch nicht über § 143 InsO begründet, denn entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Umstand, dass der Erblasser zu Lebzeiten die streitgegenständlichen Forderungen nicht in verjährungshemmender Weise gegenüber dem Beklagten geltend gemacht habe, nicht gemäß den §§ 129 Abs. 2, 134 InsO anfechtbare unentgeltliche Leistung. Zwar könne auch in einer Unterlassung ein insolvenzrechtlich anfechtbares Rechtshandeln liegen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruhe, somit in dem Bewusstsein erfolge, dass die Untätigkeit irgendwelche Rechtsfolgen auslösen werde. Schon hiervon könne vorliegend nicht ausgegangen werden; dass der 2011 verstorbene, hochbetagte und erkrankte Erblasser in seinen letzten Lebenswochen bewusst davon abgesehen haben soll, die aus seinem letzten Lebensjahr herrührenden streitgegenständlichen Raten der dauernden Last in verjährungshemmender Weise gegenüber seinem Sohn geltend zu machen, habe der Kläger nicht dargetan. Dies ergebe sich aber nicht aus den Umständen, da nichts ersichtlich sei, dass die Nichtgeltendmachung auf einer Willensbetätigung des Erblassers beruhe. Insofern liege auch keine Gläubigerbenachteiligung vor. Das OLG Frankfurt lässt auch die Revision in diesem Fall nicht zu.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Frankfurt illustriert in besonderer Weise die Zwiespältigkeit des vom BGH geprägten subjektiven Elements bei der Unterlassung von Rechtshandlungen i.S.d. § 129 InsO. Im Ausgangspunkt geht das Gericht zutreffend davon aus, dass nach regulären verjährungsrechtlichen Maßgaben eine Regelverjährung für streitgegenständliche Teile der Klageforderung eingetreten ist. Der Kläger stützt sein Begehren aus diesem Grund auf eine Anfechtung nach § 134 InsO und legt dar, dass in dem Unterlassen der Geltendmachung der Forderung ein insolvenzanfechtungsrechtlich relevantes Unterlassen des zwischenzeitlich verstorbenen Erblassers liege. Diese Ansprüche hat der Kläger als Nachlassinsolvenzverwalter geltend zu machen, sofern sie bestehen. Voraussetzung sei jedoch, so das Oberlandesgericht, dass der Erblasser in subjektiv bewusster Art und Weise die Forderungen habe verjähren bzw. nicht geltend machen lassen. Dass der Erblasser bewusst bzw. nicht mehr bewusst gehandelt hat, bleibt in der hier beschriebenen Fallkonstellation Spekulation, da der Erblasser verstorben ist. Es ist daher wenig überzeugend, wenn das Gericht zu der Aussage gelangt, es könne nicht angenommen werden, dass der Erblasser bewusst auf ein Tätigwerden verzichtet habe, weil er bereits alt oder krank war. Bewusstes Handeln setzt die Fähigkeit zum Handeln begriffsnotwendig voraus. Dass jedoch ein Erblasser, der alters- und krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine Forderungen einzutreiben, diese dann – folgt man dem Oberlandesgericht – nicht unentgeltlich zuwendet, sondern fiktiv der Wille zur Zuwendung unterstellt wird, kann nur als purer Hohn gegenüber dem verstorbenen Erblasser bezeichnet werden. In der üblichen Judikatur findet sich insofern regelmäßig der Satz, dass ein bewusstes Handeln des Erblassers für eine Unterlassungsanfechtung erforderlich sei. Der hier streitgegenständlichen Fall illustriert jedoch in anschaubarer Weise, dass dieser Prämisse so nicht richtig sein kann. Gegen die Entscheidung ist Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BGH: V ZR 246/17).

D. Auswirkungen für die Praxis

Im gegenwärtigen Zeitpunkt muss davon ausgegangen werden, dass Obergerichte schematisch ein Unterlassen in Anwendung der BGH-Rechtsprechung in Ansatz bringen und insofern ein subjektives Willenselement voraussetzen. Dass diese Rechtsauslegung mit bisweilen erheblichen „Unstimmigkeiten“ verbunden sein kann, illustriert der vorliegende Fall eindrucksvoll.

Unterlassen als insolvenzrechtlich anfechtbare Rechtshandlung
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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