Nachfolgend ein Beitrag vom 2.7.2018 von Roth, jurisPR-InsR 13/2018 Anm. 2
Leitsätze
1. Weiß das Finanzamt, dass ein Dritter, welcher sich für die Steuerverbindlichkeiten des Schuldners verbürgt hat, auf Weisung und unter Verrechnung mit einer Kaufpreisforderung des Schuldners die Steuerschulden tilgt, hat es Kenntnis von der gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung des Schuldners.
2. Der auf Zahlung von Geld gerichtete Rückgewähranspruch ist keine Entgeltforderung, die bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, einen erhöhten Verzugszinssatz begründet.
Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Der Anfechtungsgegner hat auch dann Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners i.S.v. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, wenn er die Einzelheiten dazu, weshalb ein Dritter die Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners ihm gegenüber durch eine Drittzahlung tilgt, nicht kennt; denn bei einer solchen Fallgestaltung hält er das Vorliegen einer Rechtshandlung des Schuldners jedenfalls für möglich (und in der Regel auch für wahrscheinlich), auch wenn er die Einzelheiten und Hintergründe der Drittzahlung überhaupt nicht kennt.
2. Ein über den konkreten Zahlungsfluss und dessen Hintergründe nicht näher unterrichteter Anfechtungsgegner geht nämlich mangels ihm bekannter gegenteiliger Anhaltspunkte von dem Regelfall aus, dass er eine außerhalb einer Zwangsvollstreckung empfangene Zahlung einer (die Gläubigergesamtheit benachteiligenden) Rechtshandlung seines Schuldners und nicht dem (seltenen) uneigennützigen Dazwischentreten eines Dritten verdankt.
3. Eine fehlende Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Rechtshandlung des Insolvenzschuldners (und damit des Benachteiligungsvorsatzes desselben) kann danach nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen anerkannt werden, in denen der Anfechtungsgegner über den maßgeblichen Geschehensablauf im Ansatz unterrichtet ist, aber auf der Grundlage des für ihn nicht vollständig erkennbaren Sachverhalts – etwa im berechtigten Vertrauen auf einen ihm mitgeteilten Zahlungsweg – bei unvoreingenommener Betrachtung eine Rechtshandlung des Schuldners oder eine Gläubigerbenachteiligung zuverlässig ausschließen darf.
A. Problemstellung
Der BGH hatte zu entscheiden, ob der Anfechtungsgegner auch dann Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners hat, wenn ein Bürge auf die Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners zahlt und der Insolvenzschuldner gleichzeitig, aufgrund eines Kaufvertrages (über eine Software), auch einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Bürgen hat.
Zu klären war daher vorliegend, ob der Anfechtungsgegner in einem solchen Fall von einer von dem Bürgen selbst veranlassten Zahlung allein auf die Bürgschaft ausgehen kann oder ob er vielmehr von einer die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger benachteiligenden Rechtshandlung des Insolvenzschuldners ausgehen muss.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der BGH befasst sich mit der Frage, ob der Anfechtungsgegner bei der Zahlung eines Dritten auf eine Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners (Drittzahlung) die notwendige Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners hat, wenn er nicht weiß, ob die Drittzahlung auf einer Rechtshandlung des Insolvenzschuldners beruht oder ob eventuell eine Drittzahlung aus Fremdvermögen oder eine Drittzahlung ohne ursächliche Rechtshandlung des Insolvenzschuldners vorliegt.
Der BGH führt hierzu aus, die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes des Insolvenzschuldners setze zwangsläufig auch die ungefähre Kenntnis des Zahlungsempfängers von dem Vorliegen einer Rechtshandlung des Insolvenzschuldners voraus.
Hierbei sei es aber (die Kenntnis des Anfechtungsgegners entspricht spiegelbildlich dem bedingten Vorsatz des Insolvenzschuldners) ausreichend, wenn der Zahlungsempfänger das Vorliegen einer Rechtshandlung des Insolvenzschuldners, als Ursache der Drittzahlung, lediglich für möglich bzw. für wahrscheinlich halte; der Zahlungsempfänger müsse weder wissen, welchen genauen Hintergrund die Drittzahlung habe, noch müsse er sicher wissen, ob der Drittzahlung eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners zugrunde liege. Denn im Regelfall liege der Zahlung eines Dritten eine Absprache zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Dritten zugrunde. Ferner nehme der Dritte im Regelfall auch für seine Drittzahlung bei dem Insolvenzschuldner Regress, indem er entweder die Drittzahlung auf Ansprüche des Insolvenzschuldners verrechne oder aber diesem, wie vorab vereinbart, ein Darlehen gewähre.
Lediglich dann, wenn der Dritte entweder unabhängig von dem Insolvenzschuldner, ohne dessen Weisung, handele oder aber wenn der Dritte nicht zur Kreditgewährung verpflichtet sei, liege keine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners bzw. keine Gläubigerbenachteiligung vor (der BGH nennt dies missverständlicherweise „Anweisung auf Kredit“, obgleich die Fälle der vorab vereinbarten Kreditgewährung, etwa durch Banken, im Rahmen eines Kontokorrentkredites eben gerade nicht unter diese Fallgruppe fallen).
Der BGH führt dann im Einzelnen aus, weshalb die Beweiswürdigung des OLG Dresden, das Finanzamt habe, trotz seiner Kenntnis von dem Vorliegen einer Bürgschaft einerseits sowie dem Vorliegen eines Kaufvertrages zwischen Insolvenzschuldner und Bürgern andererseits, die Zahlung nicht als auf die Bürgschaft geleistet habe ansehen dürfen, denklogisch inkonsequent bzw. nicht nachvollziehbar ist.
Der BGH hat die Entscheidung der Berufungsinstanz daher aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des BGH steht in Zusammenhang mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH in Fällen der Drittzahlung.
Während der BGH bislang vor allem die Frage zu entscheiden hatte, ob wirtschaftlich betrachtet eine Zahlung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners vorliegt, betrifft der vorliegende Fall die etwas anders gelagerte und tendenziell noch seltener umstrittene Frage, ob der Anfechtungsgegner als Zahlungsempfänger wissen kann, ob der Drittzahlung auch eine die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger benachteiligende Rechtshandlung des Insolvenzschuldners zugrunde liegt (und damit auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners von dem Benachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners gegeben ist).
Der BGH hat diese Frage bereits vormals anderweitig in seinen Urteilen vom 19.09.2013 (IX ZR 4/13) und vom 24.10.2013 (IX ZR 104/13) gleichlautend entschieden. Die aktuelle Entscheidung bekräftigt also nur die bisherige Rechtsprechung.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die vorliegende Entscheidung beleuchtet einen Aspekt, um welchen nur gelegentlich gestritten wird, nämlich die Fälle der sog. Drittzahlungen.
Zahlt ein Dritter an Gläubiger des Insolvenzschuldners, stellt sich regelmäßig die Frage, ob eine Leistung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners vorliegt. Diese Fragen hat der BGH zwischenzeitlich weitestgehend entschieden. In aller Regel liegt auch dann eine Leistung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners vor, wenn dieser eine Zahlung über fremde Konten (etwa des Ehegatten oder anderer nahestehender Personen) bewirkt bzw. wenn er eine Zahlung aus Kreditmitteln leistet.
Relativ selten wird indes über die Frage gestritten, ob aus Sicht des Anfechtungsgegners überhaupt eine für diesen erkennbare Rechtshandlung des Insolvenzschuldners vorlag.
Der BGH hat jetzt nochmals seine Sicht der Dinge hierzu klargestellt; er nimmt an, einer Drittzahlung liege in der Regel eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners zugrunde. Hiervon müsse der Anfechtungsgegner, als Zahlungsempfänger, im Regelfall ausgehen. Der Anfechtungsgegner kann sich also nicht darauf berufen, er habe angenommen, der Dritte sei ohne äußere Veranlassung durch den Insolvenzschuldner von sich aus tätig geworden, habe ohne rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Insolvenzschuldner gezahlt (sog. „Anweisung auf Kredit“) bzw. habe dem Insolvenzschuldner unentgeltlich etwas zuwenden wollen. Denn derartige Fallkonstellationen sind atypisch und selten und können von dem Anfechtungsgegner vernünftigerweise nicht pauschal unterstellt werden.
Wie die Sachlage in Fällen der Zwangsvollstreckung (etwa bei Zahlung eines Dritten als Drittsicherungsgebers auf die besicherte Schuld des Insolvenzschuldners) oder aber im Fall mehrfacher Verpflichtungsgründe (vorliegend einerseits Bürgschaft des Dritten gegenüber dem Finanzamt einerseits sowie Kaufvertrag zwischen Insolvenzschuldner und Drittem und abgekürzter Zahlungsweg andererseits) darstellt, ist hingegen eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.
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