Nachfolgend ein Beitrag vom 28.8.2017 von Wozniak, jurisPR-InsR 17/2017 Anm. 1
Orientierungssatz zur Anmerkung
Die Enthaftungserklärung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO beendet auch die Massezugehörigkeit des Kautionserstattungsanspruchs.
A. Problemstellung
In einer bereits erwarteten Entscheidung hat sich der BGH nunmehr abschließend und klärend zu den verschiedenen untergerichtlich vertretenen Auffassungen zur Frage der Wirkung einer Enthaftungserklärung i.S.d. § 109 InsO auf eine Mietkaution des Mieters geäußert.
Der BGH schließt sich der von den Vorinstanzen, hier konkret dem AG Berlin-Mitte sowie dem LG Berlin vertretenen Auffassung an, wonach die Enthaftungserklärung des § 109 InsO auch die Mietkaution des Schuldners erfasse (zur Entscheidung des LG Berlin: Wozniak, jurisPR-InsR 22/2016 Anm. 3).
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Am 15.09.2014 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Schuldnerin war aufgrund eines schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Mietverhältnisses Mieterin einer Wohnung, wofür sie vor Insolvenzeröffnung eine Kaution i.H.v. 1.044 Euro geleistet hatte. Der Insolvenzverwalter hat gegenüber dem Vermieter eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO abgegeben. In seinem Schlussbericht vom 06.10.2015 beantragte er, im Rahmen des Schlusstermins anzuordnen, dass der Anspruch der Schuldnerin auf Rückerstattung der Mietkaution bis zum Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO einer Nachtragsverteilung vorbehalten bleibe.
Mit Beschluss vom 08.02.2016 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder für die Wohlverhaltensperiode und wies den Antrag zurück, hinsichtlich der Mietkaution eine Nachtragsverteilung anzuordnen. Die gegen die Zurückweisung seines Antrags gerichtete sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hatte keinen Erfolg. Mit der zum Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.
Das Beschwerdegericht hatte ausgeführt, wenn der Insolvenzverwalter oder Treuhänder eine Enthaftungserklärung gegenüber dem Vermieter des Schuldners abgebe, seien sämtliche Ansprüche aus dem bestehenden Mietverhältnis der Insolvenzmasse entzogen, so dass mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung der Mieter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Mietverhältnis in vollem Umfang zurückerhalte. Gerade der Schutz des Vermieters gebiete es, die Enthaftungserklärung auch auf die Kaution zu erstrecken. Andernfalls könnte der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht mit etwaigen Forderungen aus dem Mietverhältnis gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters aufrechnen. Der Wille des Gesetzgebers stehe einer solchen Lösung nicht entgegen.
Der BGH hat die Rechtsbeschwerde als statthaft und zulässig, in der Sache jedoch als unbegründet angesehen.
Der BGH hält die Auffassung der Vorinstanz für tragend und überzeugend. Eine Nachtragsverteilung komme nach der hier allein in Betracht kommenden Norm des § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur in Betracht, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt würden. Diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Wie der Senat mit Beschluss vom 16.03.2017 (IX ZB 45/15) entschieden und näher begründet habe, scheide auch der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer Mietkaution bis zur gesetzlich zulässigen Höhe (§ 551 Abs. 1, Abs. 3 Satz 4 BGB) aus der Insolvenzmasse aus, wenn der Insolvenzverwalter für das Wohnraummietverhältnis des Schuldners eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO abgebe. So liege der Streitfall. Die mit der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO verbundene Freigabe erstrecke sich auf dasjenige Vermögen des Schuldners, das der weiteren Durchführung des Mietvertrages zuzuordnen sei. Vom Insolvenzbeschlag frei würden deshalb insbesondere alle mietvertraglichen Forderungen des Schuldners, die erst nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Enthaftungserklärung entstünden. Der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer geleisteten Mietkaution entstehe zwar aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung der Kaution. Nach Sinn und Zweck der Mietkaution sei der Anspruch auf Rückzahlung jedoch der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung zuzuordnen. Eine solche Auslegung der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO, deren Reichweite nicht zur Disposition des Insolvenzverwalters stehe, widerspreche nicht den in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Vorstellungen des Gesetzgebers.
C. Kontext der Entscheidung
Mit der vom BGH nunmehr getroffenen Entscheidung werden eine Vielzahl von Unsicherheiten, häufig im Verbraucherinsolvenzverfahren, geklärt. Der Insolvenzverwalter ist regelmäßig in derartigen Verfahren mit der Frage einer Massezugehörigkeit der Mietkaution befasst gewesen, wenn das Mietverhältnis während oder nach dem Insolvenzverfahren beendet wird. Hatte der BGH in seiner Entscheidung vom 09.10.2014 (IX ZA 20/14) noch festgestellt, dass es sich bei dem Kautionsrückzahlungsanspruch grundsätzlich um einen Gegenstand der Insolvenzmasse handele, den der Verwalter einzuziehen habe, war die Frage, inwieweit eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO den Insolvenzbeschlag beseitigt, bis zuletzt offen.
Im Ausgangspunkt durfte als gesichert gelten, dass der Verwalter eine Mietkaution, sofern keine weiteren Umstände wie etwa eine Enthaftungserklärung hinzutreten, als massezugehörig anzusehen und einzuziehen habe, selbst wenn die Kaution aus den pfändungsfreien Vermögen des Schuldners gezahlt worden sei (so Heyer, ZInsO 2015, 1181).
Der BGH ordnet die Enthaftungserklärung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO als insolvenzbeschlagbeendend ein. Mit der Enthaftungserklärung nach vorgenannter Vorschrift hat der Insolvenzverwalter bekanntermaßen das Recht, zu erklären, dass für die nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist fällig werdenden Wohnraummietzinsansprüche nicht die Masse hafte, sondern nur noch der Schuldner mit seinem pfändungsfreien Vermögen. Diese Erklärung schützt die Masse vor Mietzinsansprüchen nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist und ermöglicht es umgekehrt dem Mieter, trotz Insolvenzverfahren seine Wohnung zu behalten, sofern er sich diese leisten kann. Die Literaturstimmen zu der Problemstellung waren bisher uneinheitlich und reichten von einer Zugehörigkeit zum Schuldnervermögen nach Enthaftungserklärung (FK-InsO, § 109 Rn. 16) bis zur Zuordnung zum insolvenzbefangenen Vermögen auch nach der Enthaftungserklärung (Hamburger Komm. InsO, § 109 Rn. 32; MünchKomm InsO, § 109 Rn. 61).
Da die Mietkaution in der Art eines Dauerschuldverhältnisses als Sicherung und Aufrechnungssubstrat der jeweils laufenden Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter aus dem Mietverhältnis zu dienen bestimmt ist und der Mieter mit der Enthaftungserklärung unstreitig zumindest wieder die Befugnis erhält, selbst über das Mietverhältnis zu disponieren, wäre es – worauf der BGH zu Recht hinweist – eine willkürliche Trennung von Vertragsverhältnis und der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Sicherheit, wenn man den Massezugehörigkeitscharakter auch nach Enthaftungserklärung weiter annehmen würde. Die Entscheidung verdient daher Zustimmung.
D. Auswirkungen für die Praxis
Bei Lichte besehen dürfte sich die Sorge manches Verwalterkollegen, dass durch die Entscheidung des BGH Verfahren erneut masseärmer werden, voraussichtlich nicht in so erheblichem Umfange bestätigen wie vielleicht zunächst angenommen. Einerseits entfällt der zusätzliche Aufwand für eine eventuelle Nachtragsverteilung nebst der erforderlichen Überwachung. Auch dürfte die große Zahl der hier einschlägigen Verfahren ohnehin Verfahren betreffen, bei denen die Gerichts- und Verwalterkosten nicht durch die Insolvenzmasse gedeckt und die Verfahrenskosten gestundet waren. Insofern dürfte sich dieser „Ausfall“ – wenn überhaupt – eher bei der Staatskasse als bei dem Insolvenzverwalter bemerkbar machen.