Nachfolgend ein Beitrag vom 31.7.2017 von Schießl, jurisPR-SteuerR 31/2017 Anm. 2

Leitsatz

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird. Unerheblich ist, ob ein häusliches Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist. Für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen genügt die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung.

A. Problemstellung

Die Entscheidung betrifft die in der Praxis bedeutsame Frage, ob die Erforderlichkeit des häuslichen Arbeitszimmers für die Tätigkeit konstitutiv für die Abzugsfähigkeit von dessen Aufwendungen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Beteiligungseinkünfte), aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte bezüglich Renten und Versorgungsbezügen sowie Containervermietung. Er vermietete zwei Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss des in seinem Eigentum stehenden Objekts Z.-Straße in A. Das Erdgeschoss des Objekts nutzte er zu eigenen Wohnzwecken. Außerdem vermietete der Kläger eine Wohnung in der X.-Straße, die von einer Hausverwaltung betreut wurde. Hinsichtlich der Verwaltung seines Kapitalvermögens hatte der Kläger verschiedene Vermögensverwaltungsabteilungen bei Kreditinstituten beauftragt. Im Erdgeschoss des Objekts Z.-Straße in A. befindet sich ein 29 qm großes Zimmer; es ist büromäßig ausgestattet mit Schreibtisch und Regalen, Telefon, Fax und Kopierer und dient insbesondere der Aufbewahrung sämtlicher Bank-, Versicherungs-, Vermietungs- und Steuerunterlagen des Klägers. Nach seinen Angaben nutzte er das Zimmer zu 50% zur Verwaltung seines Kapitalvermögens und zu 50% zur Verwaltung der Mietverhältnisse und Mietobjekte sowie zur sonstigen Vermögensverwaltung.
In seiner Einkommensteuererklärung für 2010 erklärte er im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen für das Zimmer als Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von insgesamt 3.445 Euro. Zudem machte er Aufwendungen für eine Leuchte i.H.v. 43 Euro geltend. Mit Einkommensteuerbescheid 2010 vom 19.04.2012 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für das Zimmer i.H.v. 3.489 Euro fest. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb mit Einspruchsentscheidung vom 16.07.2012 erfolglos. Am 11.07.2012 erging aus nicht streitigen Gründen ein Änderungsbescheid. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen wurden nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen (FG Nürnberg, Urt. v. 12.02.2014 – 5 K 1251/12 – EFG 2014, 1103). Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer könnten nur berücksichtigt werden, wenn dieses für die Tätigkeit erforderlich sei. Dies folge zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, aber aus dem Sinnzusammenhang der Regelungen zur Abzugsfähigkeit eines Arbeitszimmers. Der Kläger verwalte nur zwei Mietwohnungen selbst. Dafür sei ein Arbeitszimmer nicht erforderlich. Auf die Frage, ob die Aufwendungen für das Arbeitszimmer in einen privat und in einen beruflich veranlassten Teil aufzuteilen seien, komme es angesichts der mangelnden Erforderlichkeit des Arbeitszimmers nicht an. Selbst bei Einbeziehung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in die Betrachtung der Erforderlichkeit ergebe sich kein anderes Ergebnis. Denn die Verwaltung des Kapitalvermögens sei teilweise auf Vermögensverwaltungsabteilungen bei Kreditinstituten übertragen worden, so dass auch für diese Tätigkeit kein Arbeitszimmer notwendig sei. Die Revision hatte Erfolg. Der BFH führte zur Begründung aus:
Häusliches Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG sei ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen diene und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werde. Ein häusliches Arbeitszimmer sei seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und diene vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum sei typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück sei. Entspreche ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, müsse er (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.
Die Regelung bestimme abschließend, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abziehbar seien. Weitere Voraussetzungen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer regele das Gesetz nicht. Die Erforderlichkeit sei kein Merkmal des Abzugstatbestands. Der Gesetzgeber typisiere in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG die Abzugsvoraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer, indem er die Abzugsmöglichkeit auf die zwei im Gesetz genannten Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung) begrenze. Der Steuerpflichtige sei in den vom Gesetz genannten Fallgruppen auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen, weshalb das Gesetz typisierend davon ausgehe, dass die Aufwendungen hierfür (nahezu) ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasst seien, obwohl auch in diesen Fällen eine private Nutzung des Raums nicht überprüft und damit nicht ausgeschlossen werden könne (BFH, Beschl. v. 27.07.2015 – GrS 1/14 Rn. 61 – BStBl II 2016, 265; Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 18/2016 Anm. 1). Den in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG angesprochenen Fallgruppen liege daher die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in diesen Fällen erforderlich seien (vgl. Heger, DB 2016, 249, 250).
Das Finanzgericht habe rechtsfehlerhaft die Erforderlichkeit des Arbeitszimmers für die Tätigkeit des Klägers als maßgebend erachtet. Sein Urteil sei deshalb aufzuheben.
Die Sache sei nicht spruchreif. Das Finanzgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang der in Rede stehende Raum zur Erzielung von Einkünften genutzt werde oder ob eine schädliche private (Mit-)Nutzung vorliege. Derartige Feststellungen oblägen aber dem Finanzgericht als Tatsachengericht und seien zur Entscheidung des Falls erforderlich (vgl. BFH, Urt. v. 15.12.2016 – VI R 86/13 – BFHE 256, 150 = BFH/NV 2017, 530; Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 15/2017 Anm. 3; Urban, DStZ 2016, 747, 750).
Komme das Finanzgericht unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast zu dem Ergebnis, dass die Verwaltung der privat genutzten Immobilie und die sonstigen privaten Tätigkeiten des Klägers in dem streitigen Raum im Verhältnis zur steuerrelevanten Nutzung des Arbeitszimmers als untergeordnet einzustufen seien und der Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von steuerbaren Einnahmen genutzt worden sei, seien die Aufwendungen für das streitige Zimmer als häusliches Arbeitszimmer sowie als Arbeitsmittel zu berücksichtigen.
Komme das Finanzgericht hingegen zu dem Ergebnis, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Nutzung des Arbeitszimmers auf die Verwaltung der eigengenutzten Immobilie oder für andere private Tätigkeiten (z.B. Erledigung privater Korrespondenz, Aufbewahrung privater Unterlagen) entfalle, scheide nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des BFH (Beschl. v. 27.07.2015 – GrS 1/14 Rn. 61) ein Abzug der Aufwendungen mangels Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers sowie wegen gemischter Nutzung der Arbeitsmittel aus.
Sofern der Kläger nach den im zweiten Rechtsgang zu treffenden Feststellungen des Finanzgerichts mehrere einkünfterelevante Tätigkeiten im Arbeitszimmer nebeneinander ausübe, seien die Aufwendungen für den streitigen Raum, sofern es sich nach den o.g. Grundsätzen überhaupt um ein berücksichtigungsfähiges Arbeitszimmer handele, entsprechend dem Nutzungsumfang den darin ausgeübten Tätigkeiten zuzuordnen. Liege der Mittelpunkt der steuerbaren Betätigungen nicht im häuslichen Arbeitszimmer, stehe für einzelne Tätigkeiten jedoch kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, könnten die Aufwendungen bis zur Höhe von 1.250 Euro abgezogen werden. Dabei seien die Aufwendungen für das Arbeitszimmer entsprechend dem Nutzungsumfang den darin ausgeübten Tätigkeiten zuzuordnen und ggf. im Schätzungsweg aufzuteilen. Die Abzugsmöglichkeit oder Abzugsbegrenzung sei für jede Tätigkeit selbstständig zu prüfen. Soweit der Kostenabzug für eine oder mehrere Tätigkeiten möglich sei, könne der Steuerpflichtige diese anteilig insgesamt bis zum Höchstbetrag abziehen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Nach den §§ 9 Abs. 5 i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 Euro begrenzt (Satz 3 HS. 1). Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 HS. 2).
Aufwendungen für gemischt genutzte Räume, die in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden sind und die sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch in mehr als nur untergeordnetem Umfang zu privaten Zwecken genutzt werden, sind hingegen insgesamt auch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbar (grundlegend BFH, Beschl. v. 27.07.2015 – GrS 1/14 Rn. 61).
II. Es ist unerheblich, ob ein häusliches Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist. Der BFH lehnt damit die anders lautenden Auffassungen der Finanzverwaltung (z.B. OFD Niedersachsen, Verfügung v. 11.05.2016 – S 2240-186-St 222/St 221, unter III.3.2) und von Finanzgerichten (FG Kassel, Urt. v. 21.11.2000 – 13 K 1005/00 – EFG 2001, 489, rechtskräftig; FG Nürnberg, Urt. v. 19.03.2012 – 3 K 308/11, rechtskräftig, unter 1.) ab. Das Gesetz verwendet den Begriff der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit nicht. Vielmehr typisiert es mit den beiden genannten Fallgruppen die Erforderlichkeit der beruflichen oder betrieblichen Nutzung des Arbeitszimmers, ohne den Begriff der Erforderlichkeit in Gestalt eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu einem Tatbestandsmerkmal zu machen (vgl. BFH, Urt. v. 27.09.1996 – VI R 47/96 – BStBl II 1997, 68, unter 2.b). Ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für die beiden Fälle, in denen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer überhaupt nur abzugsfähig sind, folgt daher weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung. Denn mit den beiden in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG geregelten Fallgruppen sollen gerade Streitigkeiten über die Notwendigkeit eines Arbeitszimmers vermieden werden (BT-Drs. 13/1686, S. 16, BR-Drs. 171/2/95, S. 36).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Prüfung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer hat sich strikt am Abzugstatbestand des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu orientieren. Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit lässt sich daraus nicht ableiten. Dem Finanzgericht als Tatsachengericht obliegt jedoch, tragfähige Feststellungen zu treffen, in welchem Umfang der in Rede stehende Raum zur Erzielung von Einkünften genutzt wird oder ob eine schädliche private (Mit-)Nutzung vorliegt.
Wenn der Steuerpflichtige mehrere einkünfterelevante Tätigkeiten im Arbeitszimmer ausübt und die Aufwendungen grundsätzlich bis zur Höhe von 1.250 Euro abgezogen werden können, weil kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, sind die Aufwendungen für das Arbeitszimmer entsprechend dem Nutzungsumfang den darin ausgeübten Tätigkeiten zuzuordnen und ggf. im Schätzungsweg aufzuteilen. Die Abzugsmöglichkeit oder Abzugsbegrenzung ist für jede Tätigkeit selbstständig zu prüfen. Soweit der Kostenabzug für eine oder mehrere Tätigkeiten möglich ist, kann der Steuerpflichtige diese anteilig insgesamt bis zum Höchstbetrag abziehen.