Nachfolgend ein Beitrag vom 31.7.2018 von Maibach, jurisPR-FamR 15/2018 Anm. 6

Leitsätze

1. Nach § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Teilhaber eines Miteigentumsanteils, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen.
2. Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung setzt ein Neuregelungsverlangen i.S.d. § 745 Abs. 2 BGB voraus.
3. Über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes bestimmen die Teilhaber, sofern sie keine abweichende Vereinbarung getroffen haben durch Mehrheitsbeschluss. Für die Beschlussfassung ist keine besondere Form vorgeschrieben; die Stimmabgabe kann jederzeit und in beliebiger Form erfolgen, ausdrücklich oder konkludent, schriftlich oder mündlich, gleichzeitig oder nacheinander.
4. Hat ein Miterbe die Stimmenmehrheit in einer Erbengemeinschaft, kann er vielmehr im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung ohne besondere Förmlichkeiten einen Mehrheitsbeschluss fassen. Die Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses hängt nämlich nicht davon ab, ob der Minderheit ausreichende Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben worden ist.

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen in der Erbengemeinschaft die Verwaltung und Benutzung von Nachlassgegenständen geregelt und wann eine Nutzungsentschädigung verlangt werden kann.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten hat keinen Erfolg, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg bietet. Den Klägern steht als Miterben der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung an die Erbengemeinschaft wegen der unentgeltlichen Nutzung des hälftigen Miteigentums des zum Nachlass gehörenden Hausanwesens gegen den Beklagten gemäß den §§ 745, § 2038 Abs. 2 BGB zu. Daneben hat die Klägerin zu 2) als Alleineigentümerin wegen der unberechtigten Nutzung der ihr gehörigen und nicht in den Nachlass fallenden ideellen Hälfte des Hauses einen selbstständigen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB.
Der Beklagte ist selbst Mitglied der Erbengemeinschaft, in deren Eigentum der hälftige ideelle Miteigentumsanteil des von ihm genutzten Objekts fällt. Auf die Erbengemeinschaft sind dabei die Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft entsprechend anwendbar. Die Stellung als Miterbe gibt ihm in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, zumindest den (hälftigen) Nachlassgegenstand wie ein Miteigentümer voll und entschädigungslos zu nutzen, jedenfalls soweit den anderen Miterben der Mitgebrauch nicht hartnäckig verweigert wird bzw. sich nicht aus den §§ 2038, 741 ff. BGB etwas anderes ergibt (vgl. LG Münster, Urt. v. 26.09.2014 – 10 O 160/08 Rn. 56 m.w.N.). Dass die Miterben – wozu auch die Kläger zählen – den hälftigen Miteigentumsanteil am Objekt selbst mitnutzen wollten und ihnen dies verwehrt worden ist, ist von den Klägern nicht behauptet worden. Nach § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB kann jedoch jeder Teilhaber eines Miteigentumsanteils, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen. Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme – zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten – ist aus objektiver Sicht zu beurteilen; entscheidend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (BGH, Urt. v. 11.11.2009 – XII ZR 210/05, zit. nach juris, Rn. 32; OLG Stuttgart, Urt. v. 09.09.2014 – 14 U 9/14 Rn. 11). Anerkannt ist, dass hierzu auch die Geltendmachung eines Nutzungsentschädigungsanspruchs zählt (LG Mönchengladbach, Beschl. v. 22.04.2016 – 11 O 1/16 Rn. 47 m.w.N.; OLG Hamm, Urt. v. 06.11.1991 – 8 U 119/91 Rn. 3; LG Dortmund, Beschl. v. 21.08.2012 – 3 O 72/12 Rn. 21; LG Potsdam, Urt. v. 26.03.2010 – 1 O 26/08 Rn. 40). § 2038 Abs. 2 BGB steht dem nicht entgegen, da vorliegend die Zahlung der Nutzungsentschädigung an den Nachlass der Erbengemeinschaft und nicht an die einzelnen Miterben begehrt wird. Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung setzt dabei ein Neuregelungsverlangen i.S.d. § 745 Abs. 2 BGB voraus. Es muss also ein Verlangen geäußert werden, die Verwaltung und Benutzung neu (ex nunc) zu regeln. Eine bloße Zahlungsaufforderung reicht nicht aus (LG Mönchengladbach, a.a.O., Rn. 48). Dies ist hier erfolgt. Über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes bestimmen die Teilhaber, sofern sie keine abweichende Vereinbarung getroffen haben, durch Mehrheitsbeschluss. Die Stimmenmehrheit bestimmt sich nach der Größe der Anteile (vgl. Gregor in: Herberger/Martinek/Rüßmann, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 745 BGB, Rn. 2). Da es sich vorliegend um eine Nachlassverwaltung handelt, ist hier gemäß den §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 1 Satz 2 BGB die durch den Erbfall begründete Erbteilsgröße maßgeblich (vgl. v. Morgen in: Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 4. Aufl., IV, Rn. 228; BGH, Urt. v. 19.09.2012 – XII ZR 151/10 Rn. 14; OLG Brandenburg, Urt. v. 12.08.1997 – 2 U 188/96 Rn. 15; Muscheler, ZEV 1997, 169, 173).
Aus dem vorgelegten gemeinschaftlichen Erbschein ergibt sich, dass die Kläger mit 6/10 der Erbteile am Nachlass des Erblassers beteiligt sind. Insoweit liegt hier (bereits) eine grundsätzliche Mehrheit nach der Erbteilsgröße vor. Für die Beschlussfassung selbst ist dabei keine besondere Form vorgeschrieben; die Stimmabgabe kann jederzeit und in beliebiger Form erfolgen, ausdrücklich oder konkludent, schriftlich oder mündlich, gleichzeitig oder nacheinander (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2009 – XII ZR 210/05 Rn. 3; v. Morgen in: Groll, a.a.O., Rn. 235, Aderhold in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 745 BGB Rn. 2). Einer förmlichen Beschlussfassung bedurfte es daher nicht. Hat ein Miterbe die Stimmenmehrheit in einer Erbengemeinschaft, kann er vielmehr im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung ohne besondere Förmlichkeiten einen Mehrheitsbeschluss fassen (BGH, Urt. v. 19.09.2012 – XII ZR 151/10 Rn. 15). Unter Beachtung dieser Grundsätze reichte die Verständigung der Kläger als Miterben untereinander aus, um den Mehrheitsbeschluss herbeizuführen. Unerheblich ist, dass die übrigen Miterben weder beteiligt noch gehört wurden. Die Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses hängt nämlich nicht davon ab, ob der Minderheit ausreichende Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben worden ist. Hat die Mehrheit der Miterben eine ordnungsgemäße Maßnahme zur Verwaltung des Nachlasses – nicht Verfügung – beschlossen, so kann sie die Maßnahme vielmehr auch ohne die Mitwirkung der überstimmten Miterben mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft ausführen. Ein Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft ist auch nicht bereits deshalb unwirksam, weil ein Miterbe noch nicht einmal gehört worden ist. Nach herrschender Meinung führt die Unterlassung der Anhörung eines Miterben nicht zur Ungültigkeit des Mehrheitsbeschlusses, sondern allenfalls – wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – zu Schadensersatzansprüchen (BGH, Urt. v. 29.03.1971 – III ZR 255/68 Rn. 35; BGH, Urt. v. 19.09.2012 – XII ZR 151/10 Rn. 15). Soweit es den Beklagten selbst betrifft, wäre dies ohnehin schadlos, da ein Mitglied nicht stimmberechtigt ist, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm betrifft (vgl. BGH, Urt. v. 19.09.2012 – XII ZR 151/10 Rn.16; BGH, Urt. v. 29.03.1971 – III ZR 255/68 Rn. 27).
Der Beklagte verkennt zudem, dass der Klägerin zu 2), unabhängig vom Anspruch der Erbengemeinschaft, auch noch ein selbstständiger Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung zusteht, da er nicht nur den hälftigen ideellen Miteigentumsanteil der Erbengemeinschaft am Objekt genutzt hat, sondern auch den hälftigen ideellen Miteigentumsanteil der Klägerin zu 2) am Objekt, der erst gar nicht in den Nachlass gefallen ist. Dieser Anspruch folgt aus § 812 Abs. 1, Satz 1 Alt. 2 BGB, da der Beklagte diesen Miteigentumsanteil der Klägerin zu 2) genutzt hat, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein. Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Zeitraum durch einen rechtsgrundlosen Eingriff auf Kosten der Klägerin die Nutzungsmöglichkeiten an den Räumlichkeiten des Objektes erlangt. Der hierfür zu zahlende Wertersatz bemisst sich nach § 818 Abs. 2 BGB.

C. Kontext der Entscheidung

Auch das LG Mönchengladbach und das LG Dortmund vertreten in jüngeren Entscheidungen die Auffassung, dass der Anspruch eines Miteigentümers auf Nutzungsentgelt nicht schon dann ausgelöst wird, wenn der andere das im Miteigentum stehende Grundstück allein nutzt (LG Mönchengladbach, Beschl. v. 22.04.2016 – 11 O 1/16; LG Dortmund, Urt. v. 21.08.2012 – 3 O 72/12). Die Verpflichtung zur Zahlung eines Nutzungsentgelts setzt vielmehr ein Neuregelungsverlangen i.S.d. § 745 Abs. 2 BGB voraus, also gerichtet darauf, die Verwaltung und Benutzung neu zu regeln. Eine bloße Zahlungsaufforderung reicht hierfür nicht aus (BGH, Urt. v. 11.12.1985 – IVb ZR 82/84 – NJW 1986, 1340; OLG Hamburg, Beschl. v. 10.02.2006 – 10 U 18/05 – OLGR Hamburg 2006, 512; OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.03.2001 – 9 U 7/00 – FamRZ 01, 1713; OLG Köln, Beschl. v. 09.11.1998 – 13 W 55/98 – FamRZ 99, 1272). Erst vom Zeitpunkt des Neuregelungsverlangens an kann ein Anspruch auf Nutzungsentgelt entstehen. Das Nutzungsverlangen wirkt nur für die Zukunft (LG Mönchengladbach, a.a.O.). Dabei kann eine solche Verwaltungs- und Benutzungsregelung gemäß § 745 Abs. 2 BGB in Form einer Entschädigungszahlung für die Nutzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes durch einen Teilhaber unmittelbar im Wege einer Zahlungsklage geltend gemacht werden (BGH, Urt. v. 15.09.1997 – II ZR 94/96).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung dürfte für die Praxis hilfreich sein, weil anknüpfend an eine übliche Fallkonstellation im Rahmen einer bestehenden, noch nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft die Voraussetzungen für den Anspruch von Miterben auf Verwaltung und Benutzung eines Nachlassgegenstandes sowie auf Nutzungsentschädigung anschaulich dargelegt werden.

Voraussetzungen der Zahlung einer Nutzungsentschädigung durch den Miterben an die Erbengemeinschaft
Denise HübenthalRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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