Bundesministerium der Finanzen, IV C 1 – S-2252 / 15 / 10030 :005
Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 17.07.2017
Bezug: BMF-Schreiben vom 11. November 2016 (BStBl I S. 1324)
Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten für die steuerliche Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen die folgenden Grundsätze:
I. Begriffsbestimmung
1. Cum/Cum-Transaktion
2. Cum/Cum-Gestaltungen
3. Strukturierte Wertpapierleihe
Rz. 3 Sogenannte strukturierte Wertpapierleihegeschäfte sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass die Aktien an einen Entleiher verliehen werden, bei dem die Dividendenerträge nach § 8b Absatz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) von der Steuer befreit sein sollen. Insgesamt handelt es sich bei der strukturierten Wertpapierleihe – anders als bei Cum/Cum-Gestaltungen – um eine Gestaltung, bei der beim Entleiher künstlich ein Betriebsausgabenüberhang geschaffen werden soll.
Rz. 4 Dieser Betriebsausgabenüberhang entsteht für den Entleiher durch die an den Verleiher zu entrichtenden Entgelte (u. a. Dividendenkompensationszahlung und Wertpapierleihegebühr), denen infolge der Steuerbefreiung für Dividenden nach § 8b Absatz 1 KStG kein steuerpflichtiger Ertrag in Form der Dividende gegenübersteht. Bei Cum/Cum-Gestaltungen wird dagegen die Vermeidung der Definitivbelastung mit KapSt, insbesondere durch Steuerausländer, angestrebt. Anders als bei Cum/Cum-Gestaltungen werden bei strukturierten Wertpapierleihegeschäften auch ausländische Aktien (ohne inländische KapSt-Belastung) übertragen. Cum/Cum-Gestaltungen und strukturierte Wertpapierleihegeschäfte können kombiniert auftreten.
Rz. 5 Für die wirtschaftliche Zurechnung von Wertpapieren im Rahmen der strukturierten Wertpapierleihe gelten die Ausführungen im BMF-Schreiben zur wirtschaftlichen Zurechnung bei Wertpapiergeschäften vom 11. November 2016 (BStBl I S. 1324).
II. Materiell-rechtliche Ausgangssituation
1. Steuerausländer beim Bezug inländischer Dividenden
Rz. 6 Wenn ein Steuerausländer Dividenden aus Deutschland bezieht, ist – ebenso wie beim Steuerinländer – KapSt in Höhe von 25 % einzubehalten. Aufgrund der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) wird die für Steuerausländer einbehaltene KapSt in vielen Fällen teilweise erstattet. In der Regel verbleibt eine Definitivsteuerbelastung des Steuerausländers in Höhe von 15 %, da Deutschland als Quellenstaat ein begrenztes Quellensteuerrecht eingeräumt wird (vgl. Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe b OECD-Musterabkommen).
Rz. 7
Beispiel 1 (aus Vereinfachungsgründen ohne Solidaritätszuschlag):
Ein Steuerausländer hält Aktien einer inländischen Aktiengesellschaft. Im Rahmen der Ausschüttung erhält er eine Bruttodividende von 10.000 6. Dies ergibt folgenden Nettoertrag:
Bruttodividende | 10.000 € |
./. KapSt | ./. 2.500 € |
+ Erstattung aufgrund DBA-Regelung | + 1.000 € |
Nettoertrag | 8.500 € |
In Höhe von 1.500 € hat der Steuerausländer keinen Erstattungsanspruch. Die Dividende ist in Deutschland endgültig mit 15 % KapSt belastet.
2. Cum/Cum-Gestaltungen bei Steuerausländern
Rz. 8 Cum/Cum-Gestaltungen sind dadurch gekennzeichnet, dass ein Steuerausländer die Definitivbelastung mit KapSt auf Dividendenausschüttungen vermeidet, indem er seine inländischen Aktien vor dem Dividendenstichtag auf eine inländische KapSt-anrechnungsberechtigte Person (z. B. inländische Bank) überträgt und nach der Ausschüttung der Dividende wieder zurückübertragen bekommt. Die Übertragung der Aktien kann z. B. durch ein Wertpapierleihegeschäft (= die inländische KapSt-anrechnungsberechtigte Person leiht sich die Aktien über den Dividendenstichtag vom Steuerausländer), durch ein Kassageschäft (= die inländische KapSt-anrechnungsberechtigte Person kauft vor dem Dividendenstichtag die Aktien vom Steuerausländer und veräußert sie nach dem Dividendenstichtag zurück) oder durch ein Wertpapierpensionsgeschäft (Repo-Geschäfte) erfolgen.
Rz. 9 Cum/Cum-Gestaltungen sind in der Regel wirtschaftlich so ausgestaltet, dass bei der inländischen KapSt-anrechnungsberechtigten Person ein prozentualer Anteil der Bruttodividende verbleibt.
Rz. 10 Im Ergebnis soll durch diese Gestaltungen die beim Steuerausländer steuerpflichtige Dividende in eine nicht steuerpflichtige Kompensationszahlung aus dem Wertpapierleihegeschäft bzw. in einen nicht steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn aus dem Kassageschäft umgewandelt werden. Die einzelnen Transaktionen unterscheiden sich in der Dauer ihres Bestehens (Leihezeitraum) und in der Rendite.
III. Grundsätze der materiell-rechtlichen Beurteilung von Cum/Cum-Transaktionen
Rz. 12 Bei Cum/Cum-Gestaltungen ist jedoch zu prüfen, ob ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (Gestaltungsmissbrauch) im Sinne des § 42 Absatz 2 Abgabenordnung (AO) vorliegt. Bei Kapitalerträgen, die ab dem 1. Januar 2016 zufließen, ist § 36a EStG vorrangig anzuwenden.
1. Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO
Rz. 13 Gemäß § 42 Absatz 2 AO liegt ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Die der BFH-Entscheidung vom 18. August 2015, I R 88/13, BStBl 2016 II S. 961, zugrunde gelegten Merkmale sind dafür ein maßgebliches Indiz.
Rz. 14 Ein Gestaltungsmissbrauch ist dann anzunehmen, wenn ein wirtschaftlich vernünftiger Grund für das Rechtsgeschäft fehlt und der Fall insgesamt eine steuerinduzierte Gestaltung (Steuerarbitrage) aufweist. An einem wirtschaftlich vernünftigen Grund fehlt es insbesondere, wenn aus dem Geschäft im Wesentlichen nur ein Steuervorteil für die Parteien oder Dritte entsteht und das Gesamtentgelt des Entleihers bzw. Erwerbers für die Durchführung der Cum/Cum-Gestaltungen – unter Berücksichtigung auch solcher Geschäfte, die im sachlichen Zusammenhang mit der Cum/Cum-Transaktion stehen – auch hieran bemessen ist. Gleichfalls spricht für eine steuerinduzierte Gestaltung, wenn für den Entleiher bzw. Erwerber der Aktien die Ausübung des Stimmrechts vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde bzw. ihm es auf die Ausübung des Stimmrechts nicht ankommt. Weiteres Indiz für eine steuerinduzierte Gestaltung ist der Ausschluss des Risikos von Wertveränderungen der Aktien auf Seiten des Entleihers bzw. Erwerbers. Mit solchen Vereinbarungen überschreiten die Vertragsparteien ihr steuerlich zulässiges Gestaltungsrecht.
2. Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs im Sinne des § 42 AO
Rz. 15 Gemäß § 42 Absatz 1 Satz 3 AO entsteht der Steueranspruch bei Vorliegen eines Missbrauchs bei allen vom Sachverhalt Betroffenen so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Der steuerinduzierte Anteil der KapSt (in der Regel 3/5; vgl. Rz. 6f.) ist bei der inländischen Person nicht anzurechnen. Die nicht angerechnete KapSt ist bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen. Wurde bei der Dividendenzahlung kein KapSt-Abzug vorgenommen oder die einbehaltene KapSt erstattet, ist der steuerinduzierte Anteil der KapSt nachzuzahlen (vgl. z. B. Rz. 30). Wurden die Aktien von einer nicht erstattungsberechtigten Person entliehen oder erworben, ist die KapSt in voller Höhe nicht anrechenbar bzw. nachzuzahlen.
IV. Beispielhafte und nicht abschließende Aufzählung von Fallgestaltungen bei Cum/Cum-Gestaltungen und ihre steuerlichen Folgen
1. Cum/Cum-Gestaltungen auf Grundlage einer Wertpapierleihe (Grundfall)
Rz. 16 Im Rahmen von Cum/Cum-Gestaltungen auf Grundlage einer Wertpapierleihe verleihen nicht bzw. nicht voll KapSt-anrechnungsberechtigte Aktionäre (Verleiher der Aktien) ihre Aktien für einen kurzen Zeitraum über den Dividendenstichtag an einen voll KapSt-anrechnungsberechtigten inländischen Empfänger (Entleiher der Aktien). Als ein kurzer Zeitraum über den Dividendenstichtag gilt in jedem Fall eine Haltedauer von weniger als 45 Tagen. Der Entleiher der Aktien vereinnahmt die Dividende ohne Abzug von KapSt bzw. macht die einbehaltene KapSt im Wege der Anrechnung oder Erstattung geltend. Die aus der Wertpapierleihe vom Entleiher der Aktien an den Verleiher der Aktien geschuldete Kompensationszahlung ist regelmäßig niedriger als die (Brutto-) Dividendenzahlung.
Rz. 17
Beispiel 2 (aus Vereinfachungsgründen ohne Solidaritätszuschlag): Ergebnis
Der Entleiher der Aktien erhält die Nettodividende in Höhe von | + 750 € |
+ Steuergutschrift in Höhe der KapSt von | + 250 € |
./. leistet eine Kompensationszahlung an den Verleiher der Aktien in Höhe von 90 % der Bruttodividende | ./. 900 € |
./. zahlt ein Darlehensentgelt in Höhe von 4,25 % p. a. des Aktienwertes (Kurs: 72,40 € * 100 Stück = 7.240 € * 4,25 % / 360 Tage *14 Tage) | ./. 12 € |
Gewinn | 88 € |
Der Steuerausländer erhält die Kompensationszahlung von | 900 € |
und ein Darlehnsentgelt von | 12 € |
Insgesamt | 912 € |
Ohne Gestaltung blieben dem Verleiher 85 % der Bruttodividende | 850 €. |
Der Entleiher der Aktien erzielt in dem Grundfall einen Gewinn in Höhe von 88 6. Der ausländische Verleiher der Aktien erzielt einen Gewinn von 912 €, der im Inland nicht der Besteuerung unterliegt. | |
Rechtsfolge nach Anwendung des § 42 AO: | |
Der steuerinduzierte Anteil der KapSt (in der Regel 3/5) ist beim Entleiher nicht anrechenbar. | |
Änderung des Ergebnisses: | |
bisheriger Gewinn des Entleihers | 88 € |
Rückforderung KapSt vom Entleiher: | /. 150 € |
Verlust | ./. 62 € |
2. Cum/Cum-Gestaltungen auf Grundlage eines steuerinduzierten Kassageschäftes
Rz. 18 Im Rahmen von Cum/Cum-Gestaltungen auf Grundlage eines Kassageschäftes verkauft ein nicht bzw. nicht voll KapSt-anrechnungsberechtigter Aktionär Aktien mit Dividendenanspruch kurz vor dem Dividendenstichtag an einen voll KapSt-anrechnungsberechtigten Käufer im Inland mit dem Ziel der kurzfristigen Rückübertragung nach dem Dividendenstichtag. Der inländische Käufer vereinnahmt die Dividende ohne Abzug von KapSt oder macht die einbehaltene KapSt im Wege der Anrechnung oder Erstattung geltend. Ist bei Erwerb der Aktien der Preis für die Rückübertragung an den Veräußerer zwischen den Parteien nicht festgelegt, werden bei steuerinduzierten Geschäften zur Absicherung von Marktrisiken regelmäßig zeitgleich mit dem Kauf der Aktien Absicherungsgeschäfte vereinbart, insbesondere über Future- und Swapgeschäfte. Die positive Marge für den inländischen KapSt-anrechnungsberechtigten Käufer entsteht dann dadurch, dass die Preise der Wertpapierkäufe und die Entgelte der Sicherungsgeschäfte entsprechend vereinbart werden. Bei dieser speziellen Ausgestaltung der Transaktion ist von einem rein steuerinduzierten Geschäftsmodell auszugehen.
Rz. 19 Für diese Gestaltung eignen sich als inländische Beteiligte insbesondere Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen sowie andere Kapitalgesellschaften, bei denen § 8b Absatz 7 oder 8 KStG Anwendung findet.
Rz. 20
Beispiel 3 (aus Vereinfachungsgründen ohne Solidaritätszuschlag):
Der nicht bzw. nicht voll KapSt-anrechnungsberechtigte Aktionär verkauft seine Aktien zu einem Preis von 10.000 € zwei Tage vor dem Dividendenstichtag an eine inländische Bank. Die Bank erhält die Dividende von 1.000 € abzüglich 250 € KapSt. Der Kurs der Aktie beträgt nach der Dividendenausschüttung 9.000 € (sog. Dividendenabschlag). Die inländische Bank verkauft die Aktien unmittelbar nach dem Dividendenstichtag zu dem vorab festgelegten Preis
von 9.030 € zurück an den Steuerausländer. Da der Preis für den Verkauf der Aktien vorab festgelegt wurde, wurden Kursdifferenzen nicht durch Absicherungsgeschäfte ausgeglichen.
Ergebnis | |
Anschaffung der Aktien durch inländische Bank | ./.10.000 € |
+ Nettodividende in Höhe von | + 750 € |
+ Steuergutschrift in Höhe der KapSt von | + 250 € |
+ verkauft Aktien | + 9.030 € |
Gewinn | 30 € |
Der Steuerausländer erhält einen Verkaufspreis von | 10.000 € |
und zahlt beim Rückkauf | ./. 9.030 € |
In Deutschland nicht zu versteuernder Ertrag in Höhe von | 970 € |
Rechtsfolge nach Anwendung von § 42 AO: | |
Der steuerinduzierte Anteil der KapSt (in der Regel 3/5) ist bei der inländischen Bank nicht anrechenbar. | |
Änderung des Ergebnisses: | |
bisheriger Gewinn der inländischen Bank | 30 € |
Rückforderung der KapSt von der inländischen Bank | ./. 150 € |
Verlust | ./. 120 € |
3. Weitergereichte Wertpapierleihe bei gleichzeitigem Rückgeschäft mit festverzinslichen Wertpapieren
Rz. 21 In einem ersten Schritt werden Aktien mit Dividendenanspruch kurz vor dem Dividendenstichtag von einem nicht bzw. nicht voll KapSt-anrechnungsberechtigten Aktionär an eine inländische voll KapSt-anrechnungsberechtigte Bank A verliehen. Im zweiten Schritt werden diese Aktien von der Bank A an eine voll KapSt-anrechnungsberechtigte inländische Bank B verliehen. Diese Leihe erfolgt (formal) als Sicherung für eine gleichzeitige Leihe von festverzinslichen Wertpapieren von Bank B an Bank A mit einer Leihgebühr über dem Marktniveau. Entliehene Aktien werden nach dem Dividendenstichtag an die Bank A zurückübertragen. Teilweise werden die Aktien auch durch andere Aktien mit bevorstehendem Dividendenstichtag ersetzt.
Rz. 22 Im wirtschaftlichen Ergebnis wird die Bank B damit so gestellt, als hätte sie die Cum/Cum-Transaktion unmittelbar mit dem Aktionär (Ausland) durchgeführt und daraus eine Marge von z. B. 1,5 % der Bruttodividende erzielt; bei der Bank A können z. B. 0,5 % verbleiben. Dabei trägt die Bank B kein Kursrisiko. Sie überträgt nach Ablauf des Leihezeitraumes die Aktien an die Bank A unabhängig von der Kursentwicklung und erhält ihr ursprüngliches Portfolio an festverzinslichen Wertpapieren wieder vollumfänglich zurück.
Rz. 23
Beispiel 4 (aus Vereinfachungsgründen ohne Solidaritätszuschlag):
Ergebnis | |
Die Bank B erhält die Nettodividende | + 750 € |
+ Steuergutschrift in Höhe der KapSt von | + 250 € |
./. leistet an Bank A eine Kompensationszahlung in Höhe von 100 % der Bruttodividende | ./. 1.000 € |
+ erhält für ihre festverzinslichen Wertpapiere von Bank A eine über dem Marktniveau liegende Leihgebühr von | 15 € |
Gewinn | 15 6 |
Die Bank A erhält die Kompensationszahlung von Bank B in Höhe von 100 % der Bruttodividende | 1.000 € |
./. leistet an Bank B für die festverzinslichen Wertpapiere eine | |
über dem Marktniveau liegende Leihgebühr von | ./. 15 € |
./. leistet an den Aktionär (Ausland) für die entliehenen Aktien eine Kompensationszahlung von | ./. 980 € |
Gewinn | 5 € |
Der Aktionär (Ausland) erhält von Bank A eine Kompensationszahlung in Höhe von 98 % der Bruttodividende | 980 € |
Rechtsfolge nach Anwendung § 42 AO: | |
Der steuerinduzierte Anteil der KapSt (in der Regel 3/5) ist bei der Bank B nicht anrechenbar. | |
Änderung des Ergebnisses: | |
bisheriger Gewinn der Bank B | 15 € |
Rückforderung der KapSt von der inländischen Bank B | ./. 150 € |
Verlust | ./. 135 € |
Für den Aktionär (Ausland) und die Bank A ändert sich nichts. |
4. Cum/Cum-Gestaltungen auf der Grundlage von Wertpapierpensionsgeschäften (Repo-Geschäften)
Rz. 24 Zwischen einer A-Bank mit Sitz im Ausland und einer inländischen B-Bank werden Wertpapierpensionsgeschäfte (Repo-Geschäfte) über deutsche Aktien mit Dividendenbezugsrecht geschlossen.
Rz. 25 Die B-Bank erwirbt Aktien von der A-Bank vor dem Dividendenstichtag zum vereinbarten Preis. Die B-Bank erhält die Gewinnausschüttung und macht die Anrechnung der KapSt geltend. Die Nettodividende wird von der B-Bank an die A-Bank unmittelbar nach Erhalt, die einbehaltene KapSt nach der Erstattung bzw. Anrechnung durch das Finanzamt als Ausgleichszahlung weitergeleitet. Die B-Bank erhält eine Vergütung sowie einen Zinsertrag, der sich nach dem vereinbarten (marktüblichen) Zinssatz, dem jeweiligen Preis der Aktie und der individuellen Haltedauer bemisst. Die Bank veräußert die Aktien wenige Tage nach dem Dividendenstichtag zum ursprünglichen Preis an die A-Bank zurück.
Rz. 26
Beispiel 5 (aus Vereinfachungsgründen ohne Solidaritätszuschlag):
Ergebnis | |
Auswirkungen bei der B-Bank: | |
Kaufpreiszahlung an die A-Bank für die Aktien | ./ .10.000 € |
+ Nettodividende | + 750 € |
+ Steuergutschrift in Höhe der KapSt von | + 250 € |
./. Nettodividende an die A-Bank | ./ 750 € |
./. angerechnete KapSt an die A-Bank | ./ 250 € |
+ „Verkaufspreis“ der Aktien (hier 10.000 €) | + 10.000 € |
+ Vergütung (hier 3,5 % von 1.000 €) | + 35 € |
+ Zinsertrag (marktüblich hier 1,2 % *10.000 / 360 *12 Tage) | + 4 € |
Gewinn bei der B-Bank | 39 € |
Auswirkungen bei der A-Bank: | |
Veräußerungserlös für die Aktien | + 10.000 € |
+ Ausgleichszahlung in Höhe der Bruttodividende | + 1.000 € |
./. Vergütung und Zinsen | ./. 39 € |
./. Zahlung Veräußerungspreis bei Rückerwerb | ./. 10.000 € |
In Deutschland nicht zu versteuernder Ertrag in Höhe von | + 961 € |
Rechtsfolge nach Anwendung von § 42 AO: | |
Der steuerinduzierte Anteil der KapSt (in der Regel 3/5) ist bei der inländischen Person (B-Bank) nicht anrechenbar. | |
Änderung des Ergebnisses: | |
bisheriger Gewinn der B-Bank | 39 € |
Rückforderung der KapSt von der B-Bank | ./. 150 € |
Verlust | ./. 111 € |
5. Cum/Cum-Gestaltungen mit Investmentfonds
Rz. 27 Ein inländischer Investmentfonds ist bis einschließlich 31. Dezember 2017 (bis zum Inkrafttreten der im Rahmen des Investmentsteuerreformgesetzes vom 19. Juli 2016
a. Cum/Cum-Gestaltungen im Zusammenhang mit Kassageschäften auf Fondsebene
Rz. 28 Im Rahmen der Kassa-Variante kauft der Investmentfonds Aktien inländischer Emittenten von ausländischen Banken bzw. Brokern und sichert Kursrisiken ab. Nach Eingang der Dividenden werden die Aktien wieder verkauft und die Sicherungsgeschäfte durch entsprechende Gegengeschäfte glattgestellt.
b. Cum/Cum-Gestaltungen im Zusammenhang mit Wertpapierleihegeschäften mit Aktien als Sicherheiten auf Fondsebene
Rz. 29 Ein inländischer Investmentfonds verleiht festverzinsliche Wertpapiere an einen ausländischen Fonds. Als „Wertausgleich“ wird (formal) als Sicherheit ein nachgeschaltetes Wertpapierleihegeschäft mit inländischen Aktien geschlossen. Die KapSt wird gemäß § 11 Absatz 2 InvStG 2004 an den inländischen Investmentfonds erstattet und über die Kompensationszahlungen größtenteils an den ausländischen Fonds weitergereicht. Wenige Monate später wird der inländische Investmentfonds aufgelöst.
Rz. 30
Rechtsfolge nach Anwendung von § 42 AO: Rückforderung beim inländischen Investmentfonds
Der steuerinduzierte Anteil der an den inländischen Investmentfonds erstatteten KapSt (in der Regel 3/5) ist zurückzufordern. Im Fall der aufgrund einer Bescheinigung nach § 11 Absatz 2 Satz 4 InvStG 2004 unterlassenen Abführung der KapSt ist dieser Betrag von dem inländischen Investmentfonds nachzufordern.
Rz. 31
Haftungsinanspruchnahme der Depotbank
Es ist eine Haftungsinanspruchnahme der Depotbanken gemäß § 11 Absatz 2 Satz 3 InvStG 2004, § 44 Absatz 5, § 45a Absatz 7 EStG zu prüfen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Depotbanken regelmäßig eine eigene Buchführung für den Fonds erstellen, diese mit der Buchführung des Fonds abstimmen und bestehende Unstimmigkeiten ausräumen. Dadurch besitzen Depotbanken regelmäßig die Kenntnis über die Vertragsabschlüsse und einzelne Geschäftsvorgänge des Fonds und können so Cum/Cum-Gestaltungen erkennen.
6. Cum/Cum-Gestaltungen im Zusammenhang mit Kassageschäften und Erteilung einer Bescheinigung nach § 44a Absatz 5 EStG (sog. Dauerüberzahler)
Rz. 32 Eine inländische GmbH erwirbt von einem nicht bzw. nicht voll KapSt-anrechnungsberechtigten Steuerausländer Aktien deutscher Kapitalgesellschaften im Rahmen eines Over the counter-Geschäfts (OTC-Geschäfts = außerbörsliches Geschäft) kurz vor dem Dividendenstichtag und veräußert diese unmittelbar nach der Dividendenausschüttung wieder an den Steuerausländer zurück. Kurschancen und -risiken werden (z. B. durch den Abschluss von Future-Geschäften) ausgeschlossen.
Rz. 33 Der GmbH wurde auf Antrag eine Bescheinigung nach § 44a Absatz 5 EStG (Dauerüberzahler als Holdinggesellschaft) erteilt. Ein Steuerabzug für die Dividendenzahlungen wurde dementsprechend nicht vorgenommen. Die Depotbank schreibt die Dividenden gemäß § 44a Absatz 10 EStG ohne Steuerabzug auf dem Konto der GmbH gut. Die Sicherungsgeschäfte wurden jeweils so austariert, dass sich Gewinne und Verluste aus den Sicherungsgeschäften beinahe vollkommen mit den Gewinnen und Verlusten aus den Aktientransaktionen sowie den erhaltenen Dividenden ausgleichen.
Rz. 34 Durch entsprechende Preisvereinbarungen bei den OTC-Aktiengeschäften wurden bewusst Preise unter oder über dem Börsenkurs vereinbart, sodass am Ende eine Rendite in Höhe von bis zu 3 % der Bruttodividende bei der GmbH verbleibt.
Rz. 35
Beispiel 6:
Der nicht bzw. nicht voll KapSt-anrechnungsberechtigte Steuerausländer verkauft seine inländischen Aktien zu einem Preis von 10.000 € zwei Tage vor dem Dividendenstichtag an die B-GmbH. Die B-GmbH erhält die Bruttodividende in Höhe von 1.000 €, weil für die B-GmbH aufgrund einer Bescheinigung nach § 44a Absatz 5 EStG von der inländischen Depotbank (Bank A) keine KapSt einbehalten wurde (§ 44a Absatz 10 EStG). Der Kurs der Aktie beträgt nach der Dividendenausschüttung 9.000 €. Die B-GmbH verkauft nach dem Dividendenstichtag die inländischen Aktien zum aktuellen Kurswert von 9.000 6 zurück an den Steuerausländer. Zur Vermeidung von Verlusten aus Kursdifferenzen werden Absicherungsgeschäfte getätigt. Hierzu erfolgen der Verkauf und die spätere Glattstellung von gegenläufigen Futures auf den Wert der inländischen Aktien als Basiswert. Der Verkaufspreis des Futures wird hierbei mit einem geringen Preiszuschlag angesetzt, wodurch bei der B-GmbH im Zeitpunkt der Glattstellung eine geringe Rendite verbleibt. Zum Zeitpunkt des Future-Verkaufs erfolgt kein Abfluss / Zufluss. Bei Glattstellung wird das Ergebnis aus dem Future-Geschäft ausgewiesen (im Beispielsfall + 30 €). Zur Erzielung der Rendite wurde ein verminderter Dividendenabschlag in der Preisbestimmung des Futures einbezogen.
Ergebnis | |
Anschaffung der Aktien durch die B-GmbH | ./. 10.000 € |
+ Bruttodividende | + 1.000 € |
+ Steuergutschrift in Höhe von | + 0 € |
+ Erträge Future-Geschäft | + 30 € |
+ Verkaufserlös bei Rückveräußerung der Aktien | + 9.000 € |
Gewinn bei der B-GmbH | 30 € |
Der Steuerausländer erhält einen Verkaufspreis von | + 10.000 € |
./. Aufwendung Future-Geschäft | ./. 30 € |
+ Kaufpreis bei Rückerwerb der Aktien | ./. 9.000 € |
Gewinn beim Steuerausländer | 970 € |
In Deutschland nicht zu versteuernder Mehrertrag in Höhe von | +970 € |
Rechtsfolge nach Anwendung von § 42 AO: | |
Nachforderungsbescheid gegenüber der B-GmbH | |
Die der B-GmbH nach § 44a Absatz 5 EStG erteilte Bescheinigung ist zurückzufordern. Da sie die Bescheinigung durch Angaben zur Geschäftstätigkeit erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, kann eine Rücknahme gemäß § 130 Absatz 2 Nummer 3 AO erfolgen. Mit Nachforderungsbescheid ist von der B-GmbH auf Grundlage des § 44 Absatz 5 Satz 2 Nummer 3 EStG die nicht einbehaltene KapSt in Höhe von 150 € anzufordern. | |
Änderung des Ergebnisses: | |
bisheriger Gewinn der B-GmbH | 30 € |
Nachforderung der KapSt von der B-GmbH | ./. 150 € |
Verlust | ./. 120 € |
V. Anwendungsregelung
Rz. 37 Die in diesem BMF-Schreiben dargestellten Rechtsfolgen treten nicht ein, wenn der Dividendenstichtag vor der erstmaligen Anwendung des § 8b Absatz 4 KStG liegt und der Verleiher / Veräußerer eine Person im Sinne des § 32 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 KStG ist. In den Fällen der weitergereichten Wertpapierleihe (vgl. Rz. 21-23) ist auf den nicht bzw. nicht voll KapSt-anrechnungsberechtigten Vertragspartner der inländischen Bank abzustellen.
Dieses BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.