Nachfolgend ein Beitrag vom 24.3.2017 von Lach, jurisPR-ITR 6/2017 Anm. 2

Leitsätze

1. Das auf der eBay-Internetplattform mit Eröffnung der Auktion erklärte Angebot eines Anbieters ist sowohl nach § 145 BGB als auch nach den zur Erläuterung des Vertragsschlussvorgangs aufgestellten eBay-Bedingungen darauf angelegt, „einem anderen“ als dem Anbieter die Schließung eines Vertrages anzutragen. Das Angebot kann deshalb nur durch einen vom Anbieter personenverschiedenen Bieter angenommen werden.
2. Das über ein zweites Mitgliedskonto unzulässig auf ein eigenes Angebot abgegebene Gebot eines Anbieters ist unwirksam und bleibt in der Reihe der abgegebenen Gebote unberücksichtigt. Ein regulärer Bieter muss es deshalb auch nicht übertreffen, um Meistbietender zu werden oder zu bleiben.
3. § 156 BGB findet auf eBay-Auktionen keine Anwendung (Bestätigung von BGH, Urt. v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01 – BGHZ 149, 129 und BGH, Urt. v. 03.11.2004 – VIII ZR 375/03 – WM 2004, 2457).

A. Problemstellung

Die Entscheidung beschäftigt sich mit den rechtlichen Folgen von unzulässigen „Eigengeboten“ von eBay-Verkäufern, insbesondere der Wirksamkeit von Eigengeboten und ob und zwischen wem und zu welchen Bedingungen bei einer derart manipulierten Internetauktion ein Vertrag zustande kommt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Beklagte bot zum Startpreis von 1 Euro einen Gebrauchtwagen mit einem Verkehrswert von 16.500 Euro auf eBay zum Verkauf per Internetauktion an. Nachdem ein Dritter den verlangten Startpreis geboten hatte, gab der Kläger ein Maximalgebot über 12.345 Euro ab und war hiernach zwischenzeitlich mit einem Höchstgebot von 1,50 Euro von eBay als Höchstbietender ausgewiesen. Als einziger weiterer verbliebener Bieter neben dem Kläger bot der Beklagte über einen Zweitaccount selbst mit. Dies, obwohl § 10 Ziff. 6 der auf den Streitfall anwendbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (abgedruckt im Tatbestand der Entscheidung) Verkäufern die Manipulation des Verlaufs einer Auktion durch die Abgabe von Geboten unter Verwendung eines weiteren Mitgliedskontos untersagte (vgl. auch § 3 Ziff. 3 der derzeitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay). Nach und nach überboten sich Kläger und Beklagter. Bei Schluss der Auktion betrug das vom Beklagten selbst abgegebene Höchstgebot 17.000 Euro. Der Kläger brachte erst jetzt in Erfahrung, dass der Beklagte sowohl Verkäufer als auch Höchstbietender war, denn der Beklagte stellte den Pkw erneut ein und gab über seinen Zweitaccount auch in dieser Parallelauktion Angebote ab. Der Kläger forderte daraufhin den Beklagten zur Übereignung des Pkw gegen Zahlung des Kaufpreises auf. Er vertrat hierbei die Auffassung, dass ein Kaufvertrag zum Preis von 1,50 Euro wirksam zustande gekommen sei. Unstreitig wäre dieser Betrag das Höchstgebot gewesen, wenn der Beklagte keine Eigengebote abgegeben und auch kein Dritter ein weiteres Gebot abgegeben hätte. Der Beklagte veräußerte den Pkw anderweitig, sodass der Kläger auf Schadensersatz in Höhe des Verkehrswerts klagte.
Das Landgericht gab der Klage erstinstanzlich statt (LG Tübingen, Urt. v. 26.09.2014 – 7 O 490/13). Das Oberlandesgericht wies die Klage auf die Berufung des Beklagten ab (OLG Stuttgart, Urt. v. 14.04.2015 – 12 U 153/14). Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist zwischen den Parteien zwar ein Kaufvertrag zustande gekommen, jedoch nicht zum Preis von 1,50 Euro, sondern zu dem höchsten vom Kläger abgegebenen Gebot von 17.000 Euro (mit diesem Maximalgebot war der Kläger nicht Höchstbietender geworden, weil es das gleich hohe, aber zuvor abgegebene Höchstgebot des Beklagten nicht übertraf). Daher habe der Kläger zwar dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch. Da der Kaufpreis jedoch den Verkehrswert übersteige, sei dem Kläger kein Schaden entstanden. Einen vorvertraglichen oder deliktischen Schadensersatzanspruch verneinte das Oberlandesgericht, da nach § 287 ZPO nicht von einem ersatzfähigen Schaden auszugehen sei. Das Oberlandesgericht war davon überzeugt, dass ein anderer Bieter 16.500 Euro für den Pkw geboten hätte, wenn der Beklagte nicht bereits zuvor unzulässigerweise 17.000 Euro geboten hätte. Dem Kläger wäre es daher nach der Überzeugung des Oberlandesgerichts nicht möglich gewesen, das Fahrzeug unterhalb dieses Kaufpreises – dem Verkehrswert – zu erwerben.
Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf, wies die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurück und hat damit die im Ergebnis der Klage stattgebende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt.
Das Oberlandesgericht vertrat die Auffassung, dass es auf das letzte Gebot des Klägers ankomme. Jedes Gebot des Klägers sei ein eigenständiges, wirksames Gebot in Höhe des jeweiligen Nennwerts gewesen. Das unredliche Verhalten des Beklagten gebe dem Kläger nur das Recht, seine Willenserklärung wegen einer arglistigen Täuschung anzufechten oder Ersatz eines etwaigen Schadens zu verlangen. Eine Auslegung dahingehend, dass bei Abgabe des letzten Gebots des Klägers etwas anderes angeboten worden sei als der Kauf zu einem Preis von 17.000 Euro (etwa: den Kauf zu dem niedrigst-möglichen Höchstgebot unter Außerachtlassung der Eigengebote), sei nicht möglich. Auch die Rechtsklarheit gebiete dieses Ergebnis, da das nachträgliche Streichen von Geboten den Gebotsverlauf verfälschen würde, weil sich potentielle Interessenten von aktuellen Geboten abhalten lassen könnten, auf den Artikel mitzubieten. Der Grundsatz des § 156 Satz 2 BGB, wonach ein Gebot erlösche, wenn ein Übergebot abgegeben werde, und es auf dessen Wirksamkeit nicht ankomme, sei heranzuziehen, weil sich die AGB von eBay daran erkennbar anlehnten. Entsprechend komme es auf das erste Gebot des Klägers und die Unwirksamkeit der zwischenzeitlichen Eigengebote nicht mehr an. Eine vollumfängliche entsprechende Anwendung von § 156 Satz 2 BGB vertrat auch das Oberlandesgericht nicht, da andernfalls kein Vertragsschluss hätte angenommen werden können.
Diese Rechtsauffassung teilte der BGH nicht. In seiner Entscheidung erachtete er alle Gebote, die nach dem ersten Gebot des Klägers erfolgt waren, für rechtlich unbeachtlich. Dabei ging er von dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtsgrundsatz aus, dass ein Kaufvertrag im Rahmen einer bei eBay durchgeführten Internetauktion nicht gemäß § 156 BGB durch einen auf ein abgegebenes Gebot eigens erklärten Zuschlag, sondern gemäß den §§ 145 ff. BGB durch aufeinander bezogene korrespondierende Willenserklärungen der Parteien – Angebot und Annahme – bei Auktionsende zustande kommt (BGH, Urt. v. 07.11.2001 – VIII ZR 13/01). Höchstgebot sei danach das erste Maximalgebot des Klägers i.H.v. 12.345 Euro gewesen. Dieses habe das bis dato einzige vorhandene Angebot von 1 Euro um 0,50 Euro überboten. Das Gebot sei anschließend nicht mehr übertroffen worden. Denn die Eigengebote seien unwirksam gewesen. Das in die Auktion eingestellte Angebot des Beklagten sei begriffsnotwendig an einen anderen gerichtet und habe von ihm selbst als vom Adressatenkreis Ausgeschlossenen mangels Adressateneignung nicht wirksam angenommen werden können. Die AGB von eBay sähen nicht ausdrücklich vor, dass unzulässige Eigengebote maßgeblich seien. § 156 Satz 2 BGB, für den anerkannt sei, dass das Übergebot, welches das vorangegangene Gebot zum Erlöschen bringe, nicht rechtswirksam sein müsse, weil im Interesse alsbaldiger Rechtsklarheit (bei Versteigerungen) der tatsächliche Hergang entscheidend sei, finde nach ständiger Rechtsprechung des BGH auf eBay-Internetauktionen keine Anwendung. Auch in den AGB von eBay sah der BGH keine Anlehnung an § 156 BGB, sondern an seine vorgenannte eigene ständige Rechtsprechung.
Auch auf die späteren Gebote des Klägers komme es nicht an. Da die Eigengebote des Beklagten unwirksam gewesen seien, habe der Kläger sie weder überbieten müssen noch wollen, um Höchstbietender zu werden. Seinen späteren Geboten sei ein entsprechender Erklärungsinhalt durch Auslegung nicht zu entnehmen. Er habe nur reguläre Gegengebote übertreffen wollen. Ein Angebot dahingehend, 17.000 Euro anzubieten, habe er folglich nach Auslegung nicht abgegeben.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung beschränkt sich auf einen eng umrissenen Sonderfall, der aber in der Praxis nicht selten vorkommen dürfte. Mit ihr entwickelt der BGH seine ständige Rechtsprechung zum Vertragsschluss bei Internetauktionen für den Sonderfall des sog. „shill bidding“ fort. Die rechtlichen Folgen des shill bidding in einer eBay-Internetauktion waren zuvor höchstrichterlich ungeklärt.
Für den ähnlichen Fall eines Scheingebots eines Dritten hatte zuvor bereits das OLG Frankfurt – wie hier der BGH – einen Vertragsschluss des redlichen Bieters zu dem letzten redlichen Höchstgebot unter Außerachtlassung aller Scheingebote angenommen (OLG Frankfurt, Urt. v. 27.06.2014 – 12 U 51/13). Das LG Frankenthal (Urt. v. 08.07.2014 – 8 O 63/14) sowie Stimmen in der Literatur verneinten hingegen mangels Annahme des redlichen Kaufinteressenten in diesen Konstellationen einen Vertragsschluss und stellten auf die eBay-AGB ab, die sich an § 156 Satz 2 BGB anlehnten (Linardatos, Jura 2015, 1339; Sutschet, NJW 2014, 1041). So auch im vorliegenden Fall das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, Urt. v. 14.04.2015 – 12 U 153/14). Die entgegenstehende Entscheidung des BGH dürfte daher über ihren eigentlichen Anwendungsfall (Eigengebote) auch für den Fall der Scheingebote eines kollusiv mit dem Verkäufer zusammenarbeitenden Dritten Anwendung finden und die o.g. Lösung des OLG Frankfurt bestätigen.
Offen bleibt, wie andere Fälle rechtlich unwirksamer Angebotsabgaben in Internetauktionen zu behandeln sind. So etwa Fälle, in denen ein Dritter etwa wegen Geschäftsunfähigkeit oder Willensmängeln ein unwirksames Angebot abgibt und daraufhin ein höheres wirksames Angebot des Käufers veranlasst. Der BGH lässt damit für andere Konstellationen eine Tür offen, um aus dem Grund eines rechtssicheren Verlaufs von Internetauktionen die Wirksamkeit von unwirksamen Geboten im Gebotsverlauf – entsprechend dem vom Berufungsgericht § 156 Satz 2 BGB entlehnten Rechtsgedanken – zu fingieren. Nicht aber in der vorliegenden Fallvariante. Jedenfalls in der Konstellation des Verkäufers mit Manipulationsabsicht tragen die unwirksamen Gebote für den BGH den Anschein der Unwirksamkeit gleichsam „auf der Stirn“. Der Schutz des Rechtsverkehrs beanspruche daher einen höheren Stellenwert. Der Verkäufer, der shill bidding betreibt, ist nicht schutzwürdig. Wirkt sich sein Verhalten letztlich für ihn nachteilig aus, muss er die Konsequenzen tragen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Durch die Entscheidung erhöht sich das Schadensrisiko für eBay-Verkäufer, die ihre eigenen Auktionen durch Abgabe unzulässiger Eigengebote bzw. Scheingebote Dritter manipulieren. Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts wären sie für ihren Verstoß gegen die AGB von eBay „belohnt“ worden, indem ein Kaufvertrag zu dem höchsten von einem redlichen Bieter gebotenen Preis zustande gekommen wäre. Der Käufer wäre dann auf die Möglichkeit einer Anfechtung nach § 123 BGB verwiesen worden, um sich von dem Kaufvertrag zu lösen. Die Lösung des BGH erhöht den Einsatz für den unlauteren Verkäufer, indem sie im Ergebnis zu einem Vertragsschluss zu dem niedrigsten möglichen Höchstgebot unter Hinwegdenken der unzulässigen Eigengebote kommt. Dies ist für den Verkäufer besonders dann potentiell nachteilig, wenn er, wie im entschiedenen Fall, durch seine Eigengebote nur einen redlichen Bieter zu einer substantiellen Teilnahme an der Auktion hat animieren können.