Nachfolgend ein Beitrag vom 18.10.2018 von Lammel, jurisPR-MietR 21/2018 Anm. 4

Leitsätze

1. Nur wenn die Voraussetzungen des § 9a HeizkostenV vorliegen, darf der Wärmeverbrauch geschätzt werden.
2. Eine leicht zeitversetzt zur Ablesung anderer Einheiten erfolgte Selbstablesung ist der Abrechnung zugrunde zu legen.
3. Sobald dem Eigentümer der Entwurf einer Niederschrift mit den tatsächlich unter TOP „Verschiedenes“ gefassten Beschlüsse vorliegt, beginnt die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist zu laufen.

A. Problemstellung

Das AG Hamburg-Altona hat sich mit der Schätzung und/oder Selbstablesung zur Verbrauchserfassung für eine Heizkostenabrechnung befasst.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft und streiten über eine Beschlussfassung zur Genehmigung der Jahresabrechnung. Der Kläger hält diese Abrechnung für fehlerhaft, weil in sie eine auf einer Schätzung seines Wärmeverbrauchs beruhende Heizkostenabrechnung eingegangen sei. Die Beklagtenseite verteidigt die Schätzung, weil der Kläger für eine Ablesung zunächst nicht zur Verfügung gestanden habe und danach nicht rechtzeitig auf die Anfragen der Ablesefirma reagiert habe.
Das AG Hamburg-Altona hat der Klage insoweit stattgegeben.
Die Jahresabrechnung entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die in sie eingestellte Heizkostenabrechnung auf einer unzulässigen Schätzung beruhe. Die Voraussetzungen für eine Schätzung nach § 9a HeizKV lägen „zweifelsfrei“ nicht vor. Außerdem hätten die Werte aus der Selbstablesung verwendet werden müssen. Der Zeitraum von 14 Tagen zwischen Aufforderung zur Ermöglichung der Ablesung bzw. Durchführung einer Selbstablesung und Übermittlung der selbstabgelesenen Werte sei hinnehmbar gewesen.

C. Kontext der Entscheidung

Ein in der Einkleidung einer WEG-Beschlussanfechtung häufig vorkommender Fall bei der Erstellung der Heizkostenabrechnung: Die Abrechnungsfirma trifft trotz Ankündigung des Ablesetermins den Nutzer einer Wohnung nicht an; auf erneute Nachfrage bzw. Hinweis auf eine Selbstablesung erfolgt zunächst keine Reaktion. Dann wird geschätzt und nach Erstellung der Heizkostenabrechnung werden die Daten der Selbstablesung übermittelt. Drei Probleme sind hier zu lösen: (a) Wie lange muss die Abrechnungsfirma auf eine Reaktion des nicht angetroffenen, aber mit einer Wiederholungsmitteilung versehenen Nutzers warten? (b) Darf bei wiederholtem Nichtantreffen der Verbrauch des jeweiligen Nutzers geschätzt werden? (c) Kann der Nutzer die zu erfassenden Werte selbst ablesen und sind diese dann in der Heizkostenabrechnung zu verwerten?
(a) Sind in dem abzurechnenden Gebäude noch keine funkablesbaren Erfassungsgeräte installiert, müssen die vorhandenen Geräte vom Ableser an Ort und Stelle abgelesen werden, wozu das Betreten der Wohnungen erforderlich ist. Je nach Nutzerstruktur und Größe des Gebäudes kommt es immer wieder vor, dass beim angekündigten ersten Ablesetermin nicht alle Nutzer zu Hause sind. Bei dem zu bemessenden Zeitraum zwischen Ersttermin und Folgetermin ist einerseits der Grund des Nichtantreffens (lt. Auskunft von Nachbarn) zu berücksichtigen, andererseits aber auch das Erfordernis, kompakt zeitnah alle Verbrauchswerte zu erfassen, um ein halbwegs realistisches Abbild des Verbrauchs zu erzielen. Denn je größer der Zeitabstand zwischen den abzulesenden und in die Endabrechnung einzustellenden Einzelwerten ist, desto eher besteht die Gefahr einer Verschiebung der Vergleichswerte, denn die zu erfassende Nutzung – jedenfalls die des Warmwassers – verursacht einen Fortgang der Zählung, was dazu führt, dass der letzte erfasste Wert zu höherem Gesamtverbrauch führt, aber auch dazu, dass die früher abgelesenen Werte infolge der Verhältnisrechnung mit geringeren Kosten belastet werden. Die Situation entspricht der nach einem Versäumnisurteil mit einer Einspruchsfrist von zwei Wochen. Die vom AG Hamburg-Altona hier angenommene Zwei-Wochen-Frist ist also durchaus interessengerecht.
(b) Das AG Hamburg-Altona hat angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Schätzung „zweifelsfrei“ nicht gegeben seien. Hierfür hat es keine weitere Begründung gegeben; methodisch zeigt die Verwendung des Terminus „zweifelsfrei“, dass durchaus Zweifel bestanden, aber keine Begründung für die Anwendung der Norm auf den vorliegenden Fall gefunden worden ist.
Nach dem Sachverhalt lag ein Geräteausfall nicht vor, so dass die erste Alternative des § 9a Abs. 1 Satz 1 HeizKV nicht zur Anwendung kommen konnte. Aber das Amtsgericht hätte sich auch mit dem Tatbestandsmerkmal „andere zwingende Gründe“ befassen müssen. Dieses Merkmal ist auslegungsbedürftig und sein Sinn ist anhand des konkreten Merkmals „Geräteausfall“ zu ermitteln. Das heißt dann, die anderen zwingenden Gründe müssen dem Geräteausfall gleichstehen, mithin eine Korrektur des Erfassungsmangels ist rückwirkend nicht mehr möglich. Wenn der konkrete Nutzer – trotz entsprechender Ankündigung – mehrfach nicht angetroffen worden ist und letztlich ein Zeitraum vergangen ist, der den zulässigen von zwei Wochen weit überschreitet, kann eine realitätsnahe Erfassung und damit Abrechnung nicht mehr durchgeführt werden. In solchen Fällen ist also eine Schätzung durchaus zulässig.
(c) Gegen die Verwertung selbst ausgelesener Erfassungswerte kann nicht von vornherein misstrauisch geltend gemacht werden, der Nutzer könnte seine Werte nach unten manipuliert haben. Eine solche mögliche Manipulation wird zum einen minimiert durch die Möglichkeit des Vergleichs mit den Vorjahreswerten desselben Nutzers oder mit Werten aus vergleichbaren anderen Wohnungen desselben Erfassungszeitraums. Zum anderen erfolgt spätestens im Folgejahr mit einer Fremdablesung die Korrektur.
Aber eine Selbstablesung ist nur bei den elektronischen Heizkostenverteilern mit ihrer numerischen Anzeige durch einen Laien möglich. Die Ablesung der Verdunstungsgeräte verlangt hingegen eine entsprechende Erfahrung und das passende Equipment, so dass der Nutzer zwar „ablesen“ kann, diese Werte mangels zu vermutender entsprechender Erfahrung aber nicht verwertbar sind.

D. Auswirkungen für die Praxis

Fehler in der Erfassung zeitlicher oder ablesungstechnischer Art bei der Heizkostenabrechnung wirken sich auf die Beschlussfassung einer Wohnungseigentümergemeinschaft dahin gehend aus, dass der Beschluss deswegen anfechtbar ist, weil keine „ordnungsgemäße“ Verwaltung vorgelegen hat; ordnungsgemäß heißt in diesem Zusammenhang den tatbestandlichen und rechtlichen Vorgaben der HeizKV folgend.

Schätzung zur Verbrauchserfassung für Heizkostenabrechnung
Andrea KahleRechtsanwältin

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