Nachfolgend ein Beitrag vom 12.10.2018 von Ernst, jurisPR-ITR 20/2018 Anm. 2

Leitsätze

1. Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Empfängers stellt grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.
2. Eine Kundenzufriedenheitsbefragung in einer E-Mail fällt auch dann unter den Begriff der (Direkt-)Werbung, wenn mit der E-Mail die Übersendung einer Rechnung für ein zuvor gekauftes Produkt erfolgt.
3. Dem Verwender einer E-Mail-Adresse zu Werbezwecken nach Abschluss einer Verkaufstransaktion ist es zumutbar, bevor er auf diese Art mit Werbung in die Privatsphäre des Empfängers eindringt, diesem – wie es die Vorschrift des § 7 Abs. 3 UWG verlangt – die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zum Zwecke der Werbung zu widersprechen. Ansonsten ist der Eingriff grundsätzlich rechtswidrig.

A. Problemstellung

Bislang gerichtlich noch nicht gänzlich geklärt, in der Praxis aber weit verbreitet, ist das Phänomen der Kundenzufriedenheitsumfrage, die von einer Vielzahl von Unternehmern per E-Mail regelmäßig im Nachgang zu einem Kauf versucht wird. Vorliegend hat der BGH einige Grundsatzfragen geklärt. Eine Besonderheit des vorliegenden Falles lag darin, dass nicht ein Mitbewerber oder Verbraucherverband, sondern der Adressat selbst klagte.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger nimmt die Beklagte, bei der er über die Internet-Plattform „Amazon Marketplace“ Waren bestellt hat, auf Unterlassung der Zusendung von E-Mails in Anspruch, in denen der Dank für den Kauf eines Gegenstandes mit der Bitte verknüpft wird, an einer Kundenzufriedenheitsumfrage teilzunehmen. Nach der Bestellung erfolgte die Abwicklung nicht direkt zwischen den Parteien, sondern über Amazon. Eine Rechnung erhielt der Kläger zunächst nicht. Zwei Wochen später folgte diese von der Beklagten durch eine E-Mail mit dem Betreff „Ihre Rechnung zu Ihrer Amazon Bestellung“ und der zusätzlichen Bitte, bei Amazon unter dem beigefügten Link eine gute Bewertung abzugeben. Die beiden Vorinstanzen hatten die auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§§ 823, 1004 BGB) gestützte Klage unter Hinweis auf die Wertung des § 7 Abs. 3 UWG abgewiesen.
Der VI. Zivilsenat des BGH hat das Urteil des LG Braunschweig aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Dabei tenoriert der BGH „soweit der Kläger als Adressat nicht entweder zuvor in die Zusendung eingewilligt hat oder der Kläger bei der Erhebung und der Verwendung der vorgenannten E-Mail-Adresse darauf hingewiesen wurde, dass er der weiteren Verwendung seiner E-Mail-Adresse zur Zusendung von Werbung jederzeit widersprechen kann“. Tatsächlich sei, so der BGH, vorliegend kein Fall der Stammkundenklausel des § 7 Abs. 3 UWG gegeben.
Dabei stellt der VI. Zivilsenat fest, dass jeder Verstoß gegen § 7 UWG zugleich auch ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Adressaten ist. Dies hatte der erkennende Senat bislang dahinstehen lassen, entscheidet aber jetzt anhand der Regelung des Art. 13 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation und aufgrund des Gebots zur richtlinienkonformen Auslegung, dass ein Verstoß gegen diese Regelung grundsätzlich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei.
Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Klägers sei auch grundsätzlich als Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht zu werten. Ferner falle – dies sah auch das Berufungsgericht so – eine Kundenzufriedenheitsbefragung unter den Begriff der (Direkt-)Werbung. Damit war vorliegend die Klage begründet.
Eine andere Beurteilung ergebe sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus dem Umstand, dass die Bewertungsanfrage im Zusammenhang mit der Übersendung einer Rechnung für den Kauf eines zuvor über die Plattform von Amazon bei der Beklagten gekauften Produkts übersandt worden sei. Zwar liege in der Übersendung einer Rechnung selbst noch keine Werbung. Dies habe aber nicht zur Folge, dass die in der E-Mail enthaltene Bitte um Abgabe einer positiven Bewertung von vornherein keine (Direkt-)Werbung darstellen könnte. Für die Annahme, die nicht zu beanstandende Rechnungsübersendung nehme der E-Mail insgesamt den Charakter der Werbung, sei kein Raum.
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei auch rechtswidrig. Die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gehe zulasten der Beklagten aus. Dabei seien auch die Wertungen des § 7 Abs. 3 UWG berücksichtigt, denn diese Norm setze voraus, dass bereits bei der Erhebung der E-Mail-Adresse des Kunden (und bei jeder weiteren Verwendung) ein klarer und deutlicher Hinweis darauf erfolgt sei, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen könne. An einem solchen Hinweis fehle es vorliegend.
Der BGH legt ausdrücklich Wert auf die Feststellung, dass auch keine Veranlassung bestehe, die vom Kläger beanstandete Kundenzufriedenheitsanfrage ausnahmsweise als zulässig anzusehen. Selbst wenn die unerwünschte Werbung die Interessen des Klägers nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtige, da er die Kundenzufriedenheitsanfrage einfach ignorieren konnte, sei andererseits das Hinzufügen von Werbung zu einer im Übrigen zulässigen E-Mail-Nachricht auch keine solche Bagatelle, dass eine Belästigung des Nutzers in seiner Privatsphäre ausgeschlossen wäre. Der Adressat müsse sich mit der Kundenzufriedenheitsanfrage zumindest gedanklich beschäftigen. Zwar mag sich der Arbeitsaufwand bei einer einzelnen E-Mail in Grenzen halten. Mit der häufigen Verwendung von Werbezusätzen sei aber im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierungsmöglichkeit arbeitssparende Versendungsmöglichkeit und ihrer günstigen Werbewirkung immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails mit solchen Zusätzen zulässig sei. Eine bei isolierter Betrachtung unerhebliche Belästigung könne Mitbewerber zur Nachahmung veranlassen, wobei durch diesen Summeneffekt eine erhebliche Belästigung entstehen könne. Entscheidend sei aber ohnehin, dass es dem Verwender einer E-Mail-Adresse zu Werbezwecken nach Abschluss einer Verkaufstransaktion zumutbar sei, bevor er auf diese Art mit Werbung in die Privatsphäre des Empfängers eindringe, diesem – wie es die Vorschrift des § 7 Abs. 3 UWG verlange – die Möglichkeit zu geben, der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zum Zwecke der Werbung zu widersprechen.

C. Kontext der Entscheidung

Der VI. Zivilsenat des BGH konnte in der Entscheidung „No-Reply-E-Mails“ (Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 134/15 Rn.15 – GRUR 2016, 530) dahinstehen lassen, ob der Regelung des Art. 13 der RL 2002/58/EG, die in § 7 UWG umgesetzt ist, aufgrund des Gebots zur richtlinienkonformen Auslegung dadurch Geltung zu verschaffen sei, dass ein Verstoß gegen diese Regelung grundsätzlich als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu werten sei, weil seinerzeit schon gegen den eindeutig geäußerten Willen des E-Mail-Adressaten geworben wurde. Dies wird vorliegend nun ausdrücklich bejaht. Jeder Verstoß gegen § 7 UWG ist zugleich auch ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses Ergebnis ist letztlich ungeachtet der Auffassungen der Vorinstanzen wenig überraschend. Bemerkenswerter sind die Implikationen des Falles im Übrigen.
Die Tatsache, dass die Werbung vorliegend der per elektronischer Post übersandten Rechnung beilag, macht die Angelegenheit interessant. Dieser duale Nutzen derselben E-Mail privilegiert nach der Entscheidung – im Ergebnis sicherlich richtig – nicht jede beiliegende Werbung. Genauso hatte der VI. Zivilsenat bereits in Bezug auf eine Eingangsbestätigung geurteilt (BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 134/15 Rn. 19 – GRUR 2016, 530 „No-Reply-E-Mails“).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der VI. Zivilsenat zeigt im Tenor auf, dass er keinen Verstoß gegen das Werbeverbot sehen würde, wenn der Kläger bei der Erhebung und der Verwendung der vorgenannten E-Mail-Adresse darauf hingewiesen wurde, dass er der weiteren Verwendung seiner E-Mail-Adresse zur Zusendung von Werbung jederzeit widersprechen kann. Dies ist die Regelung der Stammkundenklausel des § 7 Abs. 3 UWG, die somit mittelbar zentraler Gegenstand der Entscheidung ist, auch wenn sie am allgemeinen Persönlichkeitsrecht aufgehängt ist. Der klare und deutliche Hinweis auf die Absicht zur Werbung muss nach dieser Norm nicht nur in jedem Newsletter (fast stets vorhanden), sondern auch schon bei Erhebung der Mailadresse (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG), mithin beim Kauf gegeben werden. Greift diese Klausel, muss sich der Online-Händler erst dann Gedanken über die Frage machen, ob es sich bei einem Anhang um Werbung handelt, wenn der Kunde widerspricht. Dies kann jener freilich auch schon im Feld „Bemerkungen“ bei der Bestellung tun – oder womöglich auch per E-Mail an die berüchtigten „No-Reply-E-Mail-Adressen“.
Die Praxis kann hieraus das Erfordernis schließen, selbst bei Unternehmen, die (angenehmerweise) keine Werbemails verschicken – auch nicht an „Stammkunden“ – dennoch klauselmäßig zu versuchen, dies einzuschließen. Das aber wiederum birgt das Risiko, dass eine derartige Klausel wiederum abgemahnt werden kann, wenn sie nicht hinreichend sauber formuliert ist. Es ist im deutschen Online-Werberecht leider nicht einfach, den schmalen Grat der Rechtstreue einzuhalten.
Der Begriff der Werbung ist weit – und das zu Recht. Allein eine Bestätigungsmail zum Double-opt-in ist nach h.M. keine unverlangte Werbung (und dies ist noch umstritten; Nachw. bei Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 7 Rn. 189). Aber wie weit reicht der Begriff tatsächlich? Die vorliegend streitgegenständliche Aufforderung zur Bewertung gehört sicherlich dazu. Gleiches gilt für ansonsten werbenden Text im Anschreiben. Und eine angehängte Datei mit einem Prospekt fiele auch darunter. Aber was gilt etwa für den werbenden Inhalt, der sich allein im Footer einer E-Mail findet – im kürzesten Fall z.B. ein Text wie „Von meinem iPhone versendet“? Viele Unternehmen gestalten ihren Footer so, dass das Logo mit Hinweisen wie „XY – Die Spezialisten für …“ o.ä. versehen ist. Das ist keine Pflichtangabe etwa nach § 37a HGB, also mithin Werbung gemäß § 7 UWG? Es sind noch lange nicht alle Fragen geklärt.

Kundenzufriedenheitsbefragung per E-Mail ohne Einwilligung des Empfängers unzulässig
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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