Nachfolgend ein Beitrag vom 18.12.2018 von Maibach, jurisPR-FamR 25/2018 Anm. 6

Orientierungssatz zur Anmerkung

Da § 2314 BGB lediglich auf § 260 BGB und nicht auf § 259 BGB verweist, schuldet der Auskunftsverpflichtete grundsätzlich nicht die Vorlage von Belegen.

A. Problemstellung

Das Urteil befasst sich mit der Frage, ob der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB auch das Recht umfasst, die Vorlage von Belegen verlangen zu können.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Erblasserin war die Mutter der Klägerin. Die Beklagte ist ihre Alleinerbin. Die pflichtteilsberechtigte Klägerin begehrt im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft, Vorlage von Belegen und letztlich die Auszahlung des Pflichtteils. Erstinstanzlich ist die Beklagte mittels Teilurteils zur Auskunft verurteilt worden. Der Anspruch auf Vorlage von Belegen wurde zurückgewiesen. Hiernach beauftragte die Beklagte einen Notar mit der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses, welches aber noch nicht vorliegt. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Vorlage bestimmter Belege in Form von Kontoauszügen fort. Sie ist der Auffassung, der Anspruch resultiere aus § 2314 BGB, jedenfalls aus § 242 BGB, weil die Beklagte bewusst falsch und unvollständig vortrage. Die Beklagte erwidert, der Anspruch auf Belegvorlage bestehe aus Rechtsgründen nicht. Außerdem habe sie die von der Klägerin verlangten Belege zwischenzeitlich dem mit der Errichtung des Verzeichnisses beauftragten Notar vorgelegt.
Das OLG Düsseldorf hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Es bestehe kein Anspruch der Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2314 BGB auf Vorlage bestimmter Kontoauszüge. Soweit die Klägerin die Vorlage von Kontoauszügen für die Zeit von mehreren Jahren vor dem Tod der Erblasserin verlange, sei die Erbin nicht verpflichtet, über alle lebzeitigen Vermögensdispositionen der Erblasserin zu informieren. Es bestehe kein entsprechendes Ermittlungsrecht der Pflichtteilsberechtigten. Eine derartige Verpflichtung wäre eine Rechenschaftslegung nach § 259 BGB, die wegen des Verweises auf § 260 in § 2314 BGB gerade nicht geschuldet sei. Es bestehe auch kein eingeschränkter Anspruch auf Belegvorlage zur Prüfung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Zwar habe der Erbe bei Vorliegen gewisser Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Zuwendung die näheren Umstände der Zuwendung offenzulegen, damit der Pflichtteilsberechtigte prüfen könne, ob es sich dabei um eine Schenkung im Rechtssinne handele; der Erbe dürfe die entsprechende rechtliche Würdigung nicht vorwegnehmen (OLG Hamburg, Urt. v. 28.09.2016 – 2 U 29/15 Rn. 61 – ErbR 2018, 92). Die Klägerin möchte jedoch Belege, um selbst etwaige Schenkungen ermitteln zu können. Einen derartigen Anspruch sehe das Gesetz jedoch – neben den bestehenden Ansprüchen auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses und ggf. der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung – nicht vor.
Darüber hinaus habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Vorlage von Kontoauszügen, soweit sich selbige auf den Todestag als grundsätzlich relevanten Stichtag gemäß § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB beziehen. Es sei nahezu einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass § 2314 BGB grundsätzlich keinen Anspruch auf Belegvorlage gewährt (vgl. hierzu lediglich OLG Koblenz, Beschl. v. 12.12.2011 – 10 U 409/11; OLG Hamm, Urt. v. 31.01.2012 – 10 U 91/11; OLG Bremen, Beschl. v. 29.06.2000 – 4 WF 59/00; Weidlich in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 2314 Rn. 10; Damrau/Tanck-Riedel, Praxiskommentar Erbrecht, 3. Aufl. 2014, § 2314 BGB Rn. 17; Demirci in: Krug, Pflichtteilsprozess, 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 184). Ein Anspruch auf Belegvorlage wird allenfalls in Sonderfällen wie bei einer Auskunft über ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.05.1996 – 7 U 126/95 – OLGR Düsseldorf 1996, 233; BGH, Urt. v. 30.10.1974 – IV ZR 41/73 – NJW 1975, 258), beim Wertermittlungsanspruch des § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB (Weidlich in: Palandt, a.a.O., § 2314 Rn. 10) oder de lege ferenda (Birkenheier in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, § 2314 Rn. 54; Klinger/Mohr, Belegvorlageanspruch des Pflichtteilsberechtigten, NJW-Spezial 2008, 71, 72) erörtert.
Welcher Auffassung zu folgen sei, müsse in der vorliegenden Fallgestaltung nicht allgemein entschieden werden, weil die Klägerin bereits einen Titel über die Verpflichtung der Beklagten zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erwirkt habe, aus dem sie die Zwangsvollstreckung betreibe. Der von der Beklagten beauftragte Notar habe die Pflicht, den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls (§ 2311 BGB) eigenständig zu ermitteln. Er werde daher u.a. die zum Nachlass gehörenden Konten selbstständig umfassend prüfen, zumal er verpflichtet sein könne, die Kontoauszüge der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall auf Anhaltspunkte für unentgeltliche Zuwendungen durchzusehen (BVerfG, Beschl. v. 25.04.2016 – 1 BvR 2423/14 Rn. 3 – ZEV 2016, 578; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.03.2014 – 2 W 495/13 – ZEV 2014, 308; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.01.2011 – 5 W 312/10 – 116 – ZEV 2011, 373; zusammenfassend Weidlich, Die neuere Rechtsprechung zum notariellen Nachlassverzeichnis: eine kritische Bestandsaufnahme, ZEV 2017, 241). Die Klägerin, die das Recht habe, der Errichtung des Nachlassverzeichnisses beim Notar beizuwohnen (§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB), erhalte auf diesem Weg zuverlässig die Informationen, die sie zur Beurteilung ihrer Ansprüche benötige. Welches schutzwürdige Interesse sie daran haben könnte, dass die Beklagte ihr zusätzlich von ihr gefertigte Kopien der Kontoauszüge übersende, sei nicht ersichtlich.
Schließlich habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Rechnungslegung aus einem – der Erteilung einer Kontovollmacht in der Regel zugrunde liegenden – Auftragsverhältnis gemäß den §§ 666, 259 BGB, da dieser Anspruch dem pflichtteilsberechtigten Nichterben nicht zustehe.

C. Kontext der Entscheidung

Das OLG Düsseldorf führt an einer Stelle seines Urteils aus, der Notar habe die Pflicht, den „Wert“ des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls „eigenständig“ zu ermitteln. Hierbei verweist es auf § 2311 BGB. Auch das OLG Koblenz führt in seiner wegweisenden Entscheidung zu der Frage, welche Pflichten dem Notar bei der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses obliegen (OLG Koblenz, Beschl. v. 18.03.2014 – 2 W 495/13), aus, es sei als „eigene Ermittlungstätigkeiten eines Notars denkbar“, dass er die „Einholung von Bewertungsgutachten durch den Auskunftsverpflichteten“ veranlasse. Somit stellt sich die Frage, ob der Notar berechtigt oder sogar verpflichtet ist, den Wert des Nachlasses zu ermitteln. In § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB ist geregelt, dass für die Berechnung des Pflichtteils der Bestand und „der Wert“ des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt wird. Der Wert ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln, § 2311 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Norm des § 2311 BGB stellt jedoch für den Pflichtteilsberechtigten keine Anspruchsgrundlage dar. Diese findet sich vielmehr in § 2314 Abs. 1 BGB. Hiernach kann er vom Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangen. Darüber hinaus kann der Pflichtteilsberechtigte nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB u.a. verlangen, dass dieses Bestandsverzeichnis des Nachlasses von einem Notar aufgenommen wird. Hieraus folgt, dass der Notar, wenn auch mit eigener Prüfungs- und ggf. Ermittlungspflicht, die Auskunft des Erben aufnimmt. Auch der Notar erstellt im Ergebnis also ein reines Bestandsverzeichnis zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten. Weder er noch der Erbe sind im Regelfall in der Lage, den Wert von Nachlassgegenständen zu ermitteln oder auch nur seriös zu schätzen. Hierzu besteht im Rahmen des Verfahrensabschnitts auf Erteilung der Auskunft auch keine Veranlassung. Vielmehr verfügt der Pflichtteilsberechtigte über einen Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dieser Anspruch steht selbstständig neben dem Auskunftsanspruch (vgl. hierzu lediglich Weidich in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 2314 Rn. 13). Ihrem Inhalt nach sind beide Ansprüche deutlich auseinanderzuhalten: Während der Auskunftsanspruch auf die Weitergabe von Wissen gerichtet ist, bezweckt der Wertermittlungsanspruch eine vom Wissen und den Wertvorstellungen des Verpflichteten gänzlich unabhängige vorbereitende Mitwirkung anderer Art (vgl. Palandt, a.a.O.). Werden beide Ansprüche – Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch – erfüllt, sind die Voraussetzungen, die § 2311 BGB zugrunde legt, geklärt und der Pflichtteilsberechtigte kann seinen Pflichtteil berechnen und geltend machen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung spiegelt die allgemeine Auffassung wieder, dass der Anspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB, gerichtet auf die Erteilung einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses (auch als „privatschriftliches Nachlassverzeichnis“ deklariert), keine Belegpflicht umfasst, ebenso wenig wie der Anspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB, der die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses durch die zuständige Behörde, den zuständigen Beamten oder Notar beinhaltet. Da aber der Anspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB eine eigenständige Prüfungspflicht und unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Ermittlungspflicht umfasst, zudem der Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB das Recht hat, bei der Aufnahme des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden, kann ein Begehren, wie von der Klägerin im vorliegenden Fall verfolgt, auf diesem Wege – bei ergebnisorientierter Betrachtung zumindest im wesentlichen Kern – befriedigt werden.

Kein Anspruch gemäß § 2314 BGB auf Vorlage bestimmter Belege
Birgit OehlmannRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Erbrecht
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