Nachfolgend ein Beitrag vom 20.12.2018 von Jorcke-Kaßner, jurisPR-WettbR 12/2018 Anm. 2

Leitsatz

Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft i.V.m. ihrem Art. 3 Abs. 1 einerseits und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums andererseits sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren streitigen in der Auslegung durch das zuständige nationale Gericht entgegenstehen, wonach der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er mindestens ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen.

A. Problemstellung

Die Vorabentscheidung des EuGH befasst sich mit der Haftung für Urheberrechtsverletzungen, die durch eine Tauschbörsennutzung (Filesharing) über einen „Familienanschluss“ begangen werden.
Das Bereithalten von Dateien mit urheberrechtlich geschützten Inhalten zum Herunterladen über eine Tauschbörse greift in das dem Inhaber des entsprechenden Urheberrechts oder Leistungsschutzrechts zustehende Ausschließlichkeitsrecht ein, den Schutzgegenstand öffentlich zugänglich zu machen, das seine Grundlage in Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft hat. Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorzusehen. Gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG haben die Mitgliedstaaten ferner u.a. sicherzustellen, dass der Rechtsinhaber Klage auf Schadenersatz erheben kann. In der Sache „Bastei Lübbe/Strotzer“ (EuGH, Urt. v. 18.10.2018 – C-149/17 – WRP 2018, 1438) setzt sich der EuGH mit der Frage auseinander, welche Anforderungen nach diesen Vorschriften an die von den Mitgliedstaaten zu gewährleistende wirksame Rechtsdurchsetzung zu stellen sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Die Vorabentscheidung erging in einem Rechtsstreit zwischen einer Verlagsgesellschaft, die die Urheberrechte und verwandten Schutzrechte des Tonträgerherstellers an der Hörbuchfassung des Werkes „Das verlorene Symbol“ des Autors Dan Brown innehat, und dem Inhaber eines Internetanschlusses, über den dieser Tonträger einer unbegrenzten Anzahl von Nutzern über eine Internettauschbörse zum Herunterladen angeboten wurde. Die klagende Verlagsgesellschaft nahm den Inhaber des Internetanschlusses zunächst vor dem AG München auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Dieser stellte in Abrede, die Urheberrechtsverletzung selbst begangen zu haben und machte geltend, sein Internetanschluss sei hinreichend (gegen Zugriffe von außen) gesichert gewesen. Neben ihm hätten seine im selben Haus wohnenden Eltern Zugang zu dem Internetanschluss gehabt; diese hätten allerdings glaubhaft versichert, den streitgegenständlichen Titel nicht zu kennen und keinerlei Tauschbörsensoftware installiert zu haben und auch nach seiner Kenntnis weder eine Datei mit dem Hörbuch auf ihrem Computer gespeichert noch ein Tauschbörsenprogramm genutzt zu haben. Zudem seien im Zeitpunkt der festgestellten Rechtsverletzung sämtliche Rechner ausgeschaltet gewesen.
Das AG München wies die Klage mit der Begründung ab, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beklagte Täter der Urheberrechtsverletzung sei. Das mit der Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil befasste LG München I neigte dazu, eine Haftung des Beklagten als Täter für die behaupteten Urheberrechtsverletzungen anzunehmen, weil sich aus seinem Vortrag nicht ergebe, dass im Verletzungszeitpunkt eine dritte Person den Internetanschluss benutzt hat und deshalb ernsthaft als Rechtsverletzer in Betracht komme, sah sich hieran jedoch durch die einschlägige Rechtsprechung des BGH zur Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Anschlussinhaber (gemäß § 97 Abs. 2 UrhG) für eine über seinen Internet-Anschluss begangene Urheberrechtsverletzung als Täter (auf Schadensersatz) haftet, gehindert. Aus dieser folge, dass ein privater Anschlussinhaber, der Familienangehörigen Zugriff auf seinen Internetanschluss bzw. sein WLAN gewährt, über den ein urheberrechtlich geschütztes Werk rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, für diese Rechtsverletzung nicht auf Schadensersatz haftet, wenn er mindestens ein Familienmitglied benennt, dem neben ihm der Zugriff auf diesen Internetanschluss möglich war, ohne durch entsprechende Nachforschungen ermittelte nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Internetnutzung durch dieses Familienmitglied mitzuteilen. Das LG München I hatte Zweifel daran, ob die so verstandenen Anforderungen an den Sachvortrag des Anschlussinhabers zu Umständen, aus denen daraus geschlossen werden kann, dass die fragliche Verletzungshandlung tatsächlich von einem Dritten mit alleiniger Tatherrschaft begangen worden sein kann, mit dem in Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/29/EG und in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG niedergelegten Gebot der Gewährleistung einer effektiven Rechtsdurchsetzung für den Rechtsinhaber in Übereinstimmung zu bringen sind, und legte dem EuGH zwei hierauf zielende Fragen zur Vorabentscheidung vor (vgl. LG München I, EuGH-Vorlage v. 17.03.2017 – 21 S 24454/14 – WRP 2017, 784).
II. Nach Auffassung des EuGH steht das Unionsrecht einer nationalen Rechtsvorschrift in einer Auslegung durch das zuständige nationale Gericht entgegen, wonach der Inhaber eines Internetanschlusses, über den Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing begangen wurden, nicht haftbar gemacht werden kann, wenn er ein Familienmitglied benennt, dem der Zugriff auf diesen Anschluss möglich war, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch dieses Familienmitglied mitzuteilen.
Zur Begründung hebt der EuGH zunächst das Ziel der einschlägigen Richtlinien hervor, ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte zu erreichen. Der EuGH verweist ferner darauf, dass bei der Umsetzung der Richtlinien auf eine Auslegung derselben zu achten sei, die es erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen, durch die Rechtsordnung der Union geschützten Grundrechten sicherzustellen. Bei dem im Ausgangsverfahren zu beurteilenden Sachverhalt müssten einerseits die Rechte auf einen wirksamen Rechtsbehelf und des geistigen Eigentums und andererseits das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens miteinander in Einklang gebracht werden. Ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Grundrechten werde nicht erreicht, wenn den Familienmitgliedern des Inhabers eines Internetanschlusses ein quasi absoluter Schutz gewährt werde, weil der Anschlussinhaber weder Auskünfte erteilen müsse, die die eigene Beteiligung oder diejenige seiner Familienmitglieder an einer Verletzung des geistigen Eigentums offenlegen, noch der klagende Rechtsinhaber die Vorlage von Beweismitteln – die Familienmitglieder des Anschlussinhabers betreffend – verlangen könne, ohne die eine Feststellung der behaupteten Urheberrechtsverletzung und die Identifizierung des Täters nicht möglich sei. Etwas anderes gelte jedoch, wenn dem Rechtsinhaber ein (anderer) wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung stünde, mithilfe dessen er in einem solchen Fall, die zivilrechtliche Haftung des Anschlussinhabers feststellen lassen könne.
Die Prüfung, ob das betreffende nationale Recht ggf. andere Mittel, Verfahren oder Rechtsbehelfe enthalte, die es den zuständigen Gerichten ermöglichten, die Erteilung der erforderlichen Auskünfte anzuordnen, mit denen sich in Sachverhalten wie den im vorliegenden Fall in Rede stehenden die Urheberrechtsverletzung und die Identität des Zuwiderhandelnden feststellen lasse, sei Sache des vorlegenden Gerichts.

C. Kontext der Entscheidung

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Anschlussinhaber, der vom Rechtsinhaber wegen der widerrechtlichen Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes (auf Unterlassung und/oder Schadensersatz) in Anspruch genommen wird, erfolgversprechend mit dem Hinweis darauf verteidigen kann, dass sein Anschluss von einem Dritten, der in seinem Haushalt lebt oder zu Gast ist, für die Nutzung des Internet und die Teilnahme an einer Tauschbörse genutzt worden sein könne, ist sowohl vor der Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens durch das LG München I als auch in der Zeit bis zu der Entscheidung durch den EuGH Gegenstand einer Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen gewesen.
I. Es entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BGH, dass eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers spricht, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen – etwa die Familienangehörigen – diesen Internetanschluss benutzen konnten. Die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienanschluss – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird (vgl. nur BGH, Urt. v. 30.03.2017 – I ZR 19/16 Rn. 14 – WRP 2017, 1482 „Loud“; BGH, Urt. v. 27.07.2017 – I ZR 68/16 Rn. 12 – WRP 2017, 1222 „Ego Shooter“, jeweils m.w.N.).
II. Will der Anschlussinhaber geltend machen, dass eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter vorliegt, weil der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde, muss er sich hierzu im Rahmen einer sekundären Darlegungslast erklären, da es sich um Umstände in seiner Sphäre handelt, von denen der Rechtsinhaber keine Kenntnis haben kann. Dieser sekundären Darlegungslast genügt der Anschlussinhaber grundsätzlich dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Hierfür ist es allerdings nicht ausreichend, dass der Anschlussinhaber lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Dabei ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 48/15 Rn. 33 f. – WRP 2017, 79 „Everytime we touch“; BGH, Urt. v. 30.03.2017 – I ZR 19/16 Rn. 15 – WRP 2017, 1482 „Loud“; BGH, Urt. v. 27.07.2017 – I ZR 68/16 Rn. 12 – WRP 2017, 1222 „ Ego Shooter“, jeweils m.w.N.).
III. Kommt der Anschlussinhaber der ihn danach treffenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung des Internetanschlusses durch einen Familienangehörigen im Tatzeitpunkt nicht nach, greift die tatsächliche Vermutung der täterschaftlichen Haftung des Anschlussinhabers für die begangene Rechtsverletzung (BGH, Urt. v. 30.03.2017 – I ZR 19/16 Rn. 29 – WRP 2017, 1482 „Loud“) und wird in der Regel davon auszugehen sein, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Macht der Anschlussinhaber demgegenüber Angaben, die die ernsthafte Möglichkeit der Begehung der Urheberrechtsverletzung durch den von ihm benannten Dritten nahelegen, erhält der Rechtsinhaber zugleich die Information, die ihm eine erfolgversprechende (wenn auch nicht risikolose) Inanspruchnahme des Dritten möglich macht. Mit dieser durch die Rechtsprechung des BGH vorgezeichneten Handhabung der Darlegungslast dürfte den Vorgaben des EuGH ausreichend Rechnung getragen sein (vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2018 – C-149/17 Rn. 51 und 53 – WRP 2018, 1438 „Bastei Lübbe/Strotzer“).
IV. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zur Haftung des Anschlussinhabers für eine Tauschbörsennutzung über den „Familienanschluss“ bei der Bestimmung der Reichweite der den Anschlussinhaber treffenden sekundären Darlegungslast ferner im Einklang mit der durch die Vorabentscheidung bekräftigten Rechtsprechung des EuGH, nach der ein angemessenes Gleichgewicht zwischen widerstreitenden unionsrechtlich geschützten Grundrechten erreicht werden muss (vgl. nur EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-484/14 – WRP 2016, 1486 Rn. 83 „Sony Music/Mc Fadden“), eine Abwägung zwischen den widerstreitenden unionsrechtlich geschützten Grundrechten des Rechtsinhabers gemäß Art. 17 Abs. 2 EUGrdRCh (Schutz des Eigentums) und des Anschlussinhabers gemäß Art. 7 EUGrdRCh (Schutz von Ehe und Familie) vorgenommen und dabei den Umstand berücksichtigt, dass erst die Kenntnis von den Umständen der Anschlussnutzung durch den Anschlussinhaber dem Verletzten, dessen urheberrechtliche Position unter dem grundrechtlichen Schutz des Art. 17 Abs. 2 EUGrdRCh steht, eine Rechtsverfolgung möglich macht (BGH, Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15 Rn. 22 ff. – WRP 2017, 448 „Afterlife“; BGH, Urt. v. 30.03.2017 – I ZR 19/16 Rn. 20 ff. – WRP 2017, 1482 „Loud“ m.w.N.). Diese Abwägung kann je nach den (vom Tatrichter festzustellenden) Umständen des Einzelfalls zu einem Überwiegen des Informationsinteresses des Rechtsinhabers oder des Schutzes von Ehe und Familie führen. Dass dem Informationsinteresse des Rechtsinhabers in jedem Falle der Vorrang vor dem Schutz von Ehe und Familie gebührt, kann der Vorabentscheidung des EuGH nicht entnommen werden.
V. Die den Anschlussinhaber im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Darlegung, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, treffende Verpflichtung, im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen anzustellen und mitzuteilen, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat, führt nach der Rechtsprechung des BGH allerdings nicht dazu, dass ein Anschlussinhaber, der im Ausgangspunkt hinreichend konkret zu der Möglichkeit der Nutzung des Internetanschlusses durch einen von ihm bezeichnete Dritten vorgetragen hat, gezwungen wäre, zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, oder dazu, dass ihm die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen wäre (BGH, Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15 Rn. 26 – WRP 2017, 448 „Afterlife“; BGH, Urt. v. 30.03.2017 – I ZR 19/16 Rn. 23. – WRP 2017, 1482 „Loud”; BGH, Urt. v. 27.07.2017 – I ZR 68/16 Rn. 18 – WRP 2017, 1222 „Ego Shooter”). Auch diese Einschränkung der den Anschlussinhaber treffenden Verpflichtung, Nachforschungen anzustellen und/oder mittels einer Dokumentation des Nutzerverhaltens Dritter Informationen zu sichern, auf deren Grundlage über die Nutzung des Internetanschlusses auch im Nachhinein noch zuverlässig Auskunft gegeben werden kann, die grundsätzlich auch auf andere (erwachsene) Familienmitglieder übertragen werden kann, dürfte nicht im Widerspruch zu dem unionsrechtlichen Gebot stehen, dem Rechtsinhaber die Möglichkeit einer erfolgversprechenden Rechtsdurchsetzung zu eröffnen. Vielmehr mahnt auch der EuGH in diesem Zusammenhang wohl (nur) die Vorlage präsenter Beweise und die Erteilung von Auskünften über vorhandenes Wissen (vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2018 – C-149/17 Rn. 38, 51 und 54 – WRP 2018, 1438 „Bastei Lübbe/Strotzer“), nicht aber eine lückenlose Aufklärung des Verletzungsgeschehens durch den Anschlussinhaber an (EuGH, Urt. v. 18.10.2018 – C-149/17 Rn. 49 f.).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Vorabentscheidung des EuGH ist insgesamt die Forderung zu entnehmen, das Recht der Mitgliedstaaten und seine unionsrechtskonforme Anwendung durch die Gerichte müsse dem Rechtsinhaber bei einer nachweislich über einen privaten Internetanschluss begangenen Urheberrechtsverletzung die Möglichkeit eröffnen, entweder gegen den Anschlussinhaber oder den von ihm als möglichen Rechtsverletzer benannten Dritten erfolgversprechend vorgehen zu können. Dieser Forderung wird auch künftig durch eine sorgfältige Prüfung nachzukommen sein, ob der Anschlussinhaber hinreichend konkreten Vortrag zu der Möglichkeit der Nutzung des Internetanschlusses durch Dritte im Zeitpunkt der Rechtsverletzung gehalten und seiner sekundären Darlegungslast im Rahmen des ihm Zumutbaren genüge getan hat, und ob das Bestreiten der eigenen Täterschaft unter Berücksichtigung des dem Gericht insgesamt unterbreiteten Tatsachenstoffs (§ 286 Abs. 1 ZPO) plausibel ist (vgl. hierzu auch Paschold, GRUR Int 2018, 621, 633 ff.). Dass die Verpflichtung des Anschlussinhabers, hinsichtlich der Nutzung des Internetanschlusses durch seine Familienangehörigen Nachforschungen anzustellen, mit Rücksicht auf die gegeneinander abzuwägenden Grundrechtspositionen je nach Lage des Einzelfalles Einschränkungen unterworfen sein kann, und auch die Ausübung von Zeugnisverweigerungsrechten nach § 383 Abs. 1 ZPO zulasten des Rechtsinhabers zu einer Unaufklärbarkeit des Verletzungsgeschehens führen kann (vgl. BGH, Urt. v. 27.07.2017 – I ZR 68/16 Rn. 22 – WRP 2017, 1222 „Ego Shooter“), wird allerdings auch in Ansehung der Entscheidung des EuGH hinzunehmen sein und ändert nichts daran, dass dem Rechtsinhaber grundsätzlich die Möglichkeit einer erfolgversprechenden Rechtsdurchsetzung zur Verfügung steht.

Filesharing über den „Familienanschluss“ - Die Haftung des Anschlussinhabers im Lichte der Durchsetzungsrichtlinie
Thomas HansenRechtsanwalt
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