Nachfolgend ein Beitrag vom 14.8.2017 von Hölken, jurisPR-InsR 16/2017 Anm. 1

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Eine vom Anfechtungsgegner durch Zwangsvollstreckung bewirkte Vermögensverlagerung kann nur dann auch als Rechtshandlung des Schuldners gewertet werden, wenn der Schuldner einen Beitrag zum Erfolg der Zwangsvollstreckung geleistet hat, der ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers vergleichbares Gewicht hat.
2. Die vom Anfechtungsgegner durch eine Vollstreckungsmaßnahme bewirkte Vermögensverlagerung gilt nicht zugleich als Rechtshandlung des Schuldners, wenn sich der Schuldner angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten berechtigten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhält als ohne die Vollstreckung und sich damit darauf beschränkt, die Vollstreckung des Gläubigers hinzunehmen.

A. Problemstellung

Die Anfechtbarkeit des Werthaltigmachens einer Pfändung ist immer wieder Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Zuletzt hat der BGH entschieden, dass keine anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners vorliegt, wenn es der Schuldner lediglich unterlässt, Vollstreckungsmaßnahmen durch die Eröffnung eines neuen Kontos und die Umstellung des Forderungseinzugs zu verhindern. In Anlehnung an dieses Urteil hatte der BGH nun zu beurteilen, ob eine Rechtshandlung des Schuldners vorliegt, wenn der Schuldner bei Bestehen eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Bargeld auszahlt und über die Empfängerbank eine entsprechende Gutschrift erhält, so dass entsprechende Zahlungseingänge an den beitreibenden Gläubiger ausgekehrt werden müssen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Kläger ist der Insolvenzverwalter. Der Schuldner betrieb zwei Spielhallen. Aufgrund offener Steuerverbindlichkeiten erließ der Beklagte in den Jahren 2011 und 2012 mehrere Pfändungs- und Überweisungsverfügungen gegen den Schuldner. Die kontoführende Bank zahlte ca. 42.000 Euro auf diese Verfügungen an den Beklagten. Die Zahlungseingänge beruhten darauf, dass der Schuldner Besuchern der Spielhallen auf deren Wunsch das in den Kassen vorhandene Bargeld auszahlte und das Girokonto des jeweiligen Besuchers in Höhe der Barauszahlung mittels EC-Karte belastete sowie ein entsprechender Betrag anschließend dem Konto des Schuldners gutgeschrieben wurde.
Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, ein auf § 133 Abs. 1 InsO gestützter Rückgewähranspruch des Klägers scheide aus, weil den streitgegenständlichen Zahlungen keine Rechtshandlung des Schuldners zugrunde liege. Durch die Beibehaltung der bisherigen Geschäftspraxis, wonach auf Kundenwunsch gegen EC-Kartenzahlung Bargeld aus der Kasse herausgegeben wurde, habe der Schuldner nicht bewusst das Pfändungspfandrecht des Beklagten werthaltig gemacht. Er habe nur den bisherigen Zahlungsweg beibehalten und hingenommen, dass die Kunden Zahlungen auf das gepfändete Konto erbrachten. Die unterbliebene Eröffnung eines weiteren Kontos stelle auch kein der Rechtshandlung gleichgestelltes, notwendigerweise zielgerichtetes Unterlassen dar, denn er habe seinen Geschäftsbetrieb in der üblichen Art und Weise fortgeführt.
Der BGH führt daraufhin allerdings aus, es lasse sich mit dieser Begründung das Vorliegen einer Rechtshandlung nicht verneinen. Die Entscheidung hierüber bedürfe weiterer Feststellungen.
Nach der Rechtsprechung des Senats könne eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung anfechtbar sein, wenn dazu zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen habe.
Eine durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers erlangte Zahlung könne daher der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn eine Schuldnerhandlung oder eine der Handlung gleichstehende Unterlassung zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme beigetragen habe. Ausreichend sei eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners, ohne dass sie die einzige Ursache für die Gläubigerbenachteiligung bilden müsse.
Für Fälle, in denen der Gläubiger Vermögen des Schuldners durch eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung erlangt habe, halte der Senat an dieser Rechtsprechung jedoch nicht uneingeschränkt fest.
Nicht jeder auch nur entfernte Mitwirkungsbeitrag des Schuldners rechtfertige es, die vom Gläubiger durch eine Vollstreckungsmaßnahme erwirkte Vermögensverlagerung auch als Rechtshandlung des Schuldners zu werten. Dazu müsse die Vollstreckungstätigkeit zumindest auch als eigene, willensgeleitete Entscheidung des Schuldners anzusehen sein. In dieser Hinsicht müsse der Beitrag des Schuldners ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers zumindest vergleichbares Gewicht erreichen.
Daran fehle es, wenn der Schuldner die berechtigte Vollstreckung eines Gläubigers lediglich hinnehme und sich angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhalte, als er dies auch ohne die Vollstreckungsmaßnahme getan hätte. Dies sei in aller Regel anzunehmen, wenn sich der Schuldner in Kenntnis der Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhalte als zuvor und seinen Geschäftsbetrieb in der bisher geübten Weise fortsetze.
Gleiches gelte in Bezug auf eine Rechtshandlung durch Unterlassen. Daran fehle es, wenn der Schuldner es lediglich unterlasse, seinen Forderungseinzug nach der Pfändung seines Geschäftskontos umzustellen, etwa auf einen Einzug über ein bestehendes oder neu zu eröffnendes anderes Bankkonto oder durch Bar- oder Scheckzahlung.
Nach diesen Maßstäben könne es im Streitfall an einer Schuldnerhandlung nach § 133 Abs. 1 InsO fehlen. Eine eigene Entscheidung sei dem Senat jedoch nicht möglich, weil es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen fehle.
Es lasse sich nicht hinreichend erkennen, wie sich der Schuldner auch ohne die Pfändung verhalten hätte. Allein aus dem Verwenden eines vor der Pfändung bereits bestehenden Zahlungswegs könne nicht darauf geschlossen werden, der Schuldner habe seine Geschäftstätigkeit unverändert fortgesetzt.
Darüber hinaus begründe die in Nummer 2 der Bedingungen für die Teilnahme am electronic-cash-System der deutschen Kreditwirtschaft geregelte Akzeptanzpflicht keinen Kontrahierungszwang dergestalt, dass allein hiermit das Vorliegen einer Schuldnerhandlung verneint werden könne.
Andererseits sei weder der Umstand, dass ein dem unmittelbaren Gläubigerzugriff unterliegender Vermögensgegenstand (Bargeld) weggegeben werde, noch dass die den Kunden erbrachte Leistung und der dafür angebotene bargeldlose Zahlungsweg nicht unabdingbare Voraussetzung zur Fortführung des Geschäftsbetriebs sei, noch dass die Teilnahme am electronic-cash-System unter Umständen gesonderter Erlaubnis bedürfe oder Aufsicht unterliege, maßgebliche Kriterien, um zu beurteilen, wie sich der Schuldner ohne Pfändung tatsächlich verhalten hätte. Allein hierauf gestützt könne das Vorliegen einer Schuldnerhandlung nicht bejaht werden.
Vor dem Hintergrund, dass der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung die Bedeutung des Gesichtspunkts, ob der Schuldner nach erfolgter Kontenpfändung seine Geschäftstätigkeit unverändert fortgeführt und sich damit auf die Hinnahme der berechtigten Zwangsvollstreckung des Beklagten beschränkt hat, nicht entnommen werden konnte, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern und ihren Vortrag zu ergänzen.

C. Kontext der Entscheidung

Dass im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens das Geschäftskonto des Schuldners seitens eines Gläubigers gepfändet wird, ist wohl der Regelfall. Für den Insolvenzverwalter stellt sich bei Verfahrenseröffnung dann die Frage der Anfechtbarkeit der an den betreibenden Gläubiger ausgekehrten Beträge.
Nach § 133 Abs. 1 InsO sind nur Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar. Erfasst sind Rechtshandlungen aller Art sowie Unterlassungen. Probleme können sich bei Zwangsvollstreckungsakten ergeben. Sie stellen sich dann nicht als eine Rechtshandlung des Schuldners dar, wenn sie ohne oder gegen seinen Willen durchgeführt werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegt die Maßnahme allerdings der Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung, sobald der Schuldner irgendwie an dem Vollstreckungsakt mitgewirkt hat, sei es durch einverständliches Zusammenwirken zwischen dem Anfechtungsgegner und dem Schuldner, durch Nichteinlegen eines Widerspruchs gegen einen Mahnbescheid, durch Nichteinlassung auf eine Klage, durch Geständnis, Anerkenntnis oder auch durch Benachrichtigung eines Gläubigers von der beabsichtigten Vollstreckung anderer Gläubiger (BGH, Urt. v. 16.01.2014 – IX ZR 31/12 Rn. 7 – ZIP 2014, 275).
Eine Rechtshandlung des Schuldners liegt insbesondere vor, wenn der Schuldner nach der Pfändung dafür sorgt, dass das entstandene Pfandrecht werthaltig wird, indem er etwa auf das gepfändete Konto Bareinzahlungen leistet (BGH, Urt. v. 19.09.2013 – IX ZR 4/13 Rn. 8 ff. – ZIP 2013, 2113) oder im Wissen um eine bevorstehende Kassenpfändung die Kasse durch Einlegen von Bargeld auffüllt (BGH, Urt. v. 03.02.2011 – IX ZR 213/09 Rn. 11 ff. – ZIP 2011, 531).
Bereits 2014 hatte der BGH zu beurteilen, inwieweit eine nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners vorliegt, wenn der Schuldner Vollstreckungsmaßnahmen nicht durch die Eröffnung eines neuen Kontos und die Änderung des Forderungseinzugs verhindert hat.
Da sich bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO aus deren subjektiven Voraussetzungen die weitergehende Anforderung ergebe, dass die gebotene Handlung bewusst und wenigstens unter Inkaufnahme der Gläubigerbenachteiligung unterlassen worden sein müsse, liege bei der unterlassenen Eröffnung eines neuen Kontos ein der Rechtshandlung gleichgestelltes Unterlassen nur dann vor, wenn der Schuldner andere Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der Gläubigergesamtheit in Erwägung gezogen und hiervon bewusst im Interesse einzelner Gläubiger absehen habe (BGH, Urt. v. 16.01.2014 – IX ZR 31/12 Rn. 13 – ZIP 2014, 275).
Diese Rechtsprechung hat der BGH (Urt. v. 01.06.2017 – IX ZR 48/15 – ZIP 2017, 1281) weiter eingeschränkt.
An einer willensgeleiteten Entscheidung des Schuldners fehle es, wenn der Schuldner die berechtigte Vollstreckung eines Gläubigers lediglich hinnehme und sich angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhalte, als er dies ohne die Vollstreckungsmaßnahme getan hätte. Entsprechendes gelte, soweit an ein Unterlassen des Schuldners angeknüpft werden solle. Voraussetzung sei auch hier, dass die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruhe. Ein Unterlassen rechtfertige daher die Gleichstellung einer Vollstreckungsmaßnahme mit einer Rechtshandlung des Schuldners nicht, wenn es sich in der bloßen Hinnahme einer berechtigten Vollstreckung erschöpfe. Insoweit liegt eine Rechtshandlung des Schuldners nicht mehr bei jeder Mitwirkung an dem Vollstreckungsakt vor, sondern nur noch, wenn der Verursachungsbeitrag des Schuldners ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers zumindest vergleichbares Gewicht erreiche (BGH, Urt. v. 01.06.2017 – IX ZR 48/15 Rn. 14 ff. – ZIP 2017, 1281).
Auf die Erwägungen dieses Urteil verweist der BGH in dem Besprechungsurteil ausdrücklich und gibt den Parteien vor dem Hintergrund dieser geänderten Rechtsprechung Gelegenheit, den Vortrag entsprechend zu ergänzen.
Ob eine Rechtshandlung des Schuldners vorliegt, wenn der Schuldner vorhandenes Bargeld ausgibt und dafür einen Auszahlungsanspruch in entsprechender Höhe bekommt, der allerdings aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Einzelzwangsvollstreckung unterliegt und der Gläubigergemeinschaft nicht mehr zu Verfügung steht, dürfte vom Einzelfall abhängen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Nach der bisherigen Rechtsprechung war ein zielgerichtetes Unterlassen insoweit erforderlich, als dass der Schuldner verschiedene Handlungsalternativen erkannt haben musste und dennoch Geldeingänge auf dem gepfändeten Konto hingenommen hat. Wenn der Schuldner daher erkannt hatte, dass er die Vollstreckung des einen Gläubigers durch die Eröffnung eines neuen Kontos und die Änderung des Forderungseinzugs hätte verhindern können, lag nach dieser Rechtsprechung eine Rechtshandlung in Form des Unterlassens vor.
Nach der geänderten Rechtsprechung kommt es nun nur noch darauf an, ob der Schuldner die berechtigte Vollstreckung eines Gläubigers lediglich hingenommen und sich angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhalten hat als ohne die Vollstreckungsmaßnahme.
Das Erkennen der Möglichkeit der Verhinderung der Vollstreckungsmaßnahme durch die Eröffnung eines neuen Kontos reicht für eine Rechtshandlung mithin nicht mehr aus. Erforderlich ist jetzt ein positives Wollen des Werthaltigmachens der Pfändung und nicht mehr lediglich die Inkaufnahme nach der Erkenntnis eigener Handlungsmöglichkeiten. Der BGH stellt daher nun höhere Anforderungen an das Vorliegen an einer willensgeleiteten Entscheidung des Schuldners.
Der Nachweis, wann der Schuldner sich angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme anders verhält, dürfte in der Praxis regelmäßig schwierig sein. Wenn aus einem geänderten objektiven Verhalten auf ein geändertes Verhalten insoweit nicht geschlossen werden kann, muss ein entsprechender Wille des Schuldners vom Insolvenzverwalter bewiesen werden, dass er auf diesem Wege etwa dem die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger bewusst das in der Kasse vorhandene Bargeld zukommen lassen und den übrigen Gläubigern entziehen will. Das entspräche wertungsmäßig dem Fall, dass der Schuldner Bareinzahlungen auf ein gepfändetes Konto tätigt und so die Kontopfändung werthaltig macht. Wenn dieser Nachweis gelingt, liegt zweifellos eine Rechtshandlung des Schuldners vor.
Zu beachten ist, dass die Problematik des Werthaltigmachens einer Pfändung nicht nur Bedeutung im Hinblick auf die Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO hat, sondern auch für das Zahlungsverbot von Geschäftsführern einer GmbH nach § 64 GmbHG. Schließlich haftet nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats der Geschäftsführer einer GmbH nach § 64 GmbHG (früher § 64 Abs. 2 GmbHG), wenn er es nach Eintritt der Insolvenzreife seiner Gesellschaft unterlässt, die Zahlungszuflüsse von dem bestehenden, im Debit befindlichen Geschäftskonto auf ein im Haben geführtes Konto bei einer neuen Bank umzuleiten, um auf diese Weise zu verhindern, dass die Zahlungseingänge von der Bank dem debitorischen Geschäftskontos mit dem Debit verrechnet werden (BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98 – BGHZ 143, 184; BGH, Urt. v. 26.03.2007 – II ZR 310/05 Rn. 12 – ZIP 2007, 1006).