Nachfolgend ein Beitrag vom 5.6.2018 von Götsche, jurisPR-FamR 11/2018 Anm. 5

Leitsatz

Der Bewertung einer freiberuflichen Praxis zum Stichtag kann im Rahmen des Zugewinnausgleichs regelmäßig der Zeitraum der letzten drei bis fünf Jahre zugrunde gelegt werden. Eine Zwischenbilanz zum Stichtag ist grundsätzlich nicht erforderlich (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 08.11.2017 – XII ZR 108/16).

A. Problemstellung

Ausgehend von dem im Zugewinnausgleich geltenden Stichtagsprinzip muss die Wertfeststellung von Vermögenswerten nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen bemessen werden, die am Stichtag (Anfangs-/Endvermögen) vorlagen. Gilt dies auch bei der Bewertung von Unternehmen, die ihre Bilanzen regelmäßig für das Kalenderjahr erstellen? Ist also eine stichtagsbezogene Zwischenbilanz zu erstellen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Antragsteller machte im Scheidungsverbund Zugewinnausgleichsansprüche im Wege eines Stufenantrages geltend. Das Amtsgericht hatte die Antragsgegnerin durch Teilbeschluss verpflichtet, „vollständige Auskunft zu erteilen und zu belegen über ihr gesamtes Immobilienvermögen im In- und Ausland, über ihr Bankvermögen im In- und Ausland bezogen auf Girokonten, Sparkonten jeder Art, Wertpapiere jeder Art, Forderungen gegenüber Dritten, gegenüber dem Finanzamt, über Schmuckgegenstände und Wertsachen aller Art, über Wohnungseinrichtung und deren Wert sowie Auskunft zu erteilen über den Praxiswert der von der Antragsgegnerin geführten Praxis im Haus …“
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hatte das Oberlandesgericht mangels Erreichens des Beschwerdewerts von 600 Euro verworfen. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
Der BGH hat die Verwerfungsentscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt.
Für die von ihr geforderte Auskunftserteilung – die Grundlage ihrer Beschwer sei – benötige die Antragsgegnerin nicht die Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson. Insbesondere die Hinzuziehung eines Steuerberaters zur Erstellung einer Zwischenbilanz bezüglich der von der Antragsgegnerin geführten Praxis sei nicht erforderlich, weil eine solche Zwischenbilanz nicht notwendig sei. Für die Bewertung freiberuflicher Praxen seien in der Regel die letzten drei bis fünf Jahre zugrunde zu legen. Die Antragsgegnerin könne daher die hierfür erforderlichen Angaben ohne weiteres den ihr bereits vorliegenden Jahresabschlüssen für den Zeitraum von 2010 bis 2014 (und ggf. noch dem Jahresabschluss 2015) entnehmen. Der dafür anzusetzende Kostenaufwand überschreite die Beschwerdewertgrenze von 600 Euro erkennbar nicht.

C. Kontext der Entscheidung

Für die Bewertung freiberuflicher Praxen im Rahmen des Zugewinnausgleichs ist nach der Rechtsprechung des BGH das modifizierte Ertragswertverfahren generell vorzugswürdig. Dabei wird zur Ermittlung des Vermögenswerts einer freiberuflichen Praxis über den Substanzwert am Stichtag hinaus auch der übertragbare Teil des ideellen Werts (Goodwill) am Stichtag berücksichtigt (vgl. BGH, Urt. v. 02.02.2011 – XII ZR 185/08 – FamRZ 2011, 1367 und BGH, Urt. v. 09.02.2011 – XII ZR 40/09 – FamRZ 2011, 622). Der BGH bestätigte damit erneut seine Rechtsprechung, dass (Klein-)Unternehmen in aller Regel mit ihrem Zukunftsertragswert zu bewerten seien, also ihren auf den Bewertungsstichtag abgezinsten künftigen Erträgen (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 08.11.2017 – XII ZR 108/16, FamRZ 2018, 172). Der BGH macht insoweit keinen Unterschied zwischen den Bewertungsanlässen und der Art des Betriebs, obwohl der insoweit herangezogene § 1376 Abs. 4 BGB nur für den Zugewinnausgleich und nur für land- und forstwirtschaftliche Betriebe eine Bewertung zum Ertragswert anordnet.
Der BGH lässt es zudem ausdrücklich genügen, dass der Bewertung in der Regel die letzten drei bis fünf Jahre zugrunde gelegt werden (vgl. auch insoweit BGH, Urt. v. 08.11.2017 – XII ZR 108/16, FamRZ 2018, 172 und bereits zuvor BGH, Beschl. v. 13.04.2016 – XII ZB 578/14 – FamRZ 2016, 1044). Eine Zwischenbilanz zum Stichtag des Anfangs- oder Endvermögens ist also – jedenfalls im Regelfall – nicht geboten. All dies beruht nicht auf fehlendem Verständnis betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge seitens der Gerichte, sondern darauf, dass es den Gerichten und den von ihnen bestellten Sachverständigen häufig an hinreichenden, „gerichtsfest“ belegten Fakten fehlt, die in das theoretisch richtige Rechenmodell eingesetzt werden könnten. In solchen Situationen ist der Rückgriff auf alte Zahlen und deren Fortschreibung in die Zukunft der einzige nachprüfbare und objektivierbare Ansatz (vgl. König, jurisPR-HaGesR 1/2018 Anm. 3).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die vereinfachenden Grundsätze des BGH zur Bewertung entlasten die Praxis und sind daher begrüßenswert. Macht ein Ehegatte nach erfolgter sachverständiger Wertermittlung geltend, diese sei unzutreffend, weil sie tatsächliche Gegebenheiten unberücksichtigt lasse, so trifft ihn dafür die (u.U. sekundäre) Darlegungslast für die nach seiner Auffassung in die Wertermittlung noch einzubeziehenden Umstände (vgl. etwa BGH, Urt. v. 10.02.2015 – VI ZR 343/13 – NJW-RR 2015, 1279).

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Der BGH bestätigt erneut, dass die Beschwer eines zur Auskunft verpflichteten Beteiligten sich nach seinem Interesse bemisst, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Zur Bewertung des vom Auskunftspflichtigen aufzubringenden Zeitaufwandes ist in aller Regel auf die Stundensätze zurückzugreifen ist, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde (derzeit max. 24 Euro). Eine Hinzuziehung weiterer (sachkundiger) Hilfspersonen ist in aller Regel nicht erforderlich, weshalb die 600 Euro-Beschwerdewertgrenze gewöhnlich nicht überschritten wird.

Zugewinnausgleich: Kein Erfordernis einer Zwischenbilanz bei Bewertung einer freiberuflichen Praxis
Denise HübenthalRechtsanwältin
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