Nachfolgend ein Beitrag vom 14.10.2016 von Nassall, jurisPR-BGHZivilR 18/2016 Anm. 2

Leitsatz

Der Abfindungsanspruch des aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ausgeschiedenen richtet sich umfassend gegen die Gesellschaft. Für einen von dem Abfindungsanspruch zu trennenden Ausgleichsanspruch gegen die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter ist kein Raum.

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, wer bei einer BGB-Gesellschaft für den Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters passivlegitimiert ist, wenn die Gesellschaft von den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt wird.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war Gesellschafter der beklagten BGB-Gesellschaft, einer Anwaltssozietät. Nach seinem kündigungsbedingten Ausscheiden wurde die Beklagte von den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt. Im Rahmen der Auseinandersetzung wurden das Inventar und die Mandate aufgeteilt. Der Kläger behauptete übermäßig hohe Entnahmen eines Gesellschafters und verlangte deshalb von der Beklagten auch die Ausgleichung ihrer Kapitalkonten. Das Berufungsgericht hatte die Klage abgewiesen, weil die Liquidation der Beklagten mit der einvernehmlichen Aufteilung des Inventars und der Mandate beendet sei. Der Streit, ob und wie die Kapitalkonten auszugleichen seien, sei zwischen den Gesellschaftern auszutragen.
Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Eine Liquidation der Beklagten habe nicht stattgefunden, da sie von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt werde. Die von § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB geforderte Ausrichtung des Abfindungsanspruchs auf ein fiktives Auseinandersetzungsguthabens bedinge nicht die Übernahme der im Fall der Auseinandersetzung in Betracht zu ziehenden Trennung zwischen der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens und dem internen Ausgleich unter den Gesellschaftern. Dem Ausgeschiedenen stehe zur Ermittlung seines Abfindungsanspruchs ein Anspruch auf Aufstellung der Abfindungsbilanz zu, der sich jedenfalls auch gegen die Gesellschaft richte. Erfolge die Abfindung im Wege der Realteilung der Sachwerte und der Mandate, fielen unter die Sachwerte auch solche Forderungen, die nicht einzelnen Mandatsverhältnissen zuzuordnen seien. Dazu gehörten Ansprüche auf Rückzahlung von Einlagen, stehengelassenen Gewinnen sowie auf Rückzahlung überhöhter Entnahmen anderer Gesellschafter.

C. Kontext der Entscheidung

Ist eine BGB-Gesellschaft Außengesellschaft, besitzt sie Rechtsfähigkeit. Der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB richtet sich deshalb gegen die Gesellschaft (BGH, Urt. v. 17.05.2011 – II ZR 285/09 – ZIP 2011, 1359, 1360). Da der Abfindungsanspruch damit Gesellschaftsverbindlichkeit ist, haben die verbliebenen Gesellschafter für den Anspruch nach § 128 BGB einzustehen (BGH, a.a.O.; BGH, Urt. v. 02.07.2001 – II ZR 304/00 – ZIP 2001, 1364, 1365). Der Abfindungsanspruch bezieht sich auf das gesamte Gesellschaftsvermögen; zu seiner Ermittlung hat die Gesellschaft deshalb regelmäßig eine Abfindungsbilanz aufzustellen. Da es sich bei der Aufstellung der Abfindungsbilanz um eine vertretbare Handlung handelt, kann die Gesellschaft vom ausgeschiedenen Gesellschafter auch insoweit gerichtlich in Anspruch genommen werden (BGH, Beschl. v. 22.09.2008 – II ZR 257/07 – ZIP 2008, 2359, 2361). Auch bei diesem Anspruch haften – dies nebenbei bemerkt – die Mitgesellschafter analog § 128 HGB. Bei Sozietäten von Freiberuflern sind die Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, die sachlich naheliegende und angemessene Art der Auseinandersetzung. Gehen die Gesellschafter in dieser Weise vor, kann eine weitergehende Abfindung grundsätzlich nicht beansprucht werden (BGH, Beschl. v. 31.05.2010 – II ZR 29/09 – ZIP 2010, 1594, 1595; BGH, Urt. v. 06.12.1993 – II ZR 242/92 – ZIP 1994, 378, 380).
Den Begriff der „Sachwerte“ im Sinne dieser Judikatur hat der BGH bislang nicht erläutern müssen. Die vorliegende Entscheidung stellt insoweit klar, dass darunter nicht nur körperliche Gegenstände wie das Büroinventar fallen, sondern auch Forderungen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter. Soweit in der Entscheidung davon die Rede ist, zu den Sachwerten gehörten auch solche Forderungen, die nicht einzelnen Mandatsverhältnissen zuzuordnen seien (Rn. 18), könnte dies Anlass zu Missverständnissen geben: In der Praxis der Realteilung von Freiberuflersozietäten werden regelmäßig auch die Honoraraußenstände berücksichtigt. Die Realteilung erfasst also auch sie. Nur Ansprüche aus zukünftigen Mandaten des betreffenden Mandanten bleiben bei der Realteilung unberücksichtigt, weil sie erst aufgrund der Werbung um den bisherigen Mandanten entstehen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung stellt zweierlei klar: Bei einer BGB-Gesellschaft richtet sich der Abfindungsanspruch vollumfänglich gegen die Gesellschaft; daneben steht die Haftung der Gesellschafter analog § 128 HGB. Handelt es sich bei der Gesellschaft um eine Freiberuflersozietät und wird die Abfindung durch Aufteilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, vorgenommen, fallen unter die Sachwerte nicht nur körperliche Gegenstände wie das Büroinventar, sondern auch Forderungen der Gesellschaft auf Rückzahlung überhöhter Entnahmen.