Nachfolgend ein Beitrag vom 28.10.2016 von Karst, jurisPR-HaGesR 10/2016 Anm. 1

Leitsatz

Der Abfindungsanspruch des aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ausgeschiedenen richtet sich umfassend gegen die Gesellschaft. Für einen von dem Abfindungsanspruch zu trennenden Ausgleichsanspruch gegen die in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschafter ist kein Raum.

A. Problemstellung

In der nachfolgenden Entscheidung des BGH geht es um zweierlei: Zum einen geht es darum, ob sich der Abfindungsanspruch des aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts Ausgeschiedenen gegen die Gesellschaft oder gegen die Gesellschafter richtet, und zum anderen geht es um die Frage, ob Zahlungsansprüche des ausgeschiedenen Gesellschafters Teil seines Abfindungsanspruches oder Teil eines separaten Ausgleichsanspruches sind. Beides soll Gegenstand der Betrachtung der nachfolgenden BGH-Entscheidung sein.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war Gesellschafter der Beklagten, einer in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten Anwaltssozietät. Durch Kündigung schied er aus der Gesellschaft aus, die daraufhin nicht aufgelöst, sondern aufgrund der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Fortsetzungsklausel von den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wurde. Eine Regelung zur Abfindung eines durch Kündigung ausgeschiedenen Gesellschafters enthielt der Gesellschaftsvertrag nicht. Der Kläger macht nach einvernehmlicher Aufteilung des Inventars und der Mandate u.a. geltend, dass noch die Kapitalkonten der Gesellschaft, insbesondere aufgrund übermäßiger Entnahmen eines Gesellschafters, auszugleichen seien und begehrt mit der von ihm erhobenen Stufenklage erstens die Errechnung und zweitens die Ausbezahlung seiner (weitergehenden) Abfindung.
Das LG Berlin hat die Beklagte durch Teilurteil auf der ersten Stufe zur Erstellung einer Abfindungsbilanz verurteilt. Das KG Berlin als Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Stufenklage insgesamt abzuweisen sei, weil die beklagte Gesellschaft nicht Schuldnerin der geltend gemachten Abfindungsansprüche sei. Ein derartiger Anspruch gegen die Gesellschaft bestehe nur, solange noch Gesellschaftsvermögen zu verteilen sei. Ist die Liquidation hingegen beendet, so finde der interne Ausgleich, jedenfalls sofern es sich wie vorliegend um eine überschaubare Gesellschaft mit nur drei Gesellschaftern handele, ausschließlich zwischen den Gesellschaftern statt. Im Streitfall sei die Liquidation der Beklagten mit der einvernehmlichen Aufteilung des Inventars und der Mandate beendet gewesen, so dass für eine zusätzliche Bewertung der verbleibenden und der mitgenommenen Mandate und der daraus folgenden Ausgleichsansprüche nach der vollzogenen Realteilung kein Raum mehr sei. Ein Dissens bestehe insofern lediglich hinsichtlich der Frage, ob und wie die Kapitalkonten der Gesellschaft auszugleichen seien. Dieser Streit sei aber zwischen den Gesellschaftern auszutragen.
Soweit die Beklagte zu Unrecht Zahlungen einbehalten habe, seien diese noch an den Kläger auszubezahlen. Allerdings sei der insoweit bestehende Anspruch des Klägers kein Abfindungsanspruch, sondern ein der Auseinandersetzung nachfolgender, hier nicht streitgegenständlicher Bereicherungsanspruch.
Nach Auffassung des BGH hält das Berufungsurteil der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der u.a. mit übermäßigen Entnahmen eines Mitgesellschafters begründete Zahlungsanspruch des Klägers ist Teil des gegen die Beklagte bestehenden Abfindungsanspruchs. Darüber hinaus hat der Kläger auch einen Anspruch auf Aufstellung einer Abfindungsbilanz.
Das Berufungsgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass sich der Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen die Gesellschaft richtet, unbeschadet der daneben bestehenden persönlichen Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäß § 128 HGB analog, doch nimmt es fälschlicherweise an, dass bei der Anwendung des § 738 BGB zwischen einer Liquidation und einem nachfolgenden internen Ausgleich zu unterscheiden sei, der ausschließlich zwischen den Gesellschaftern stattzufinden habe.
Das Berufungsgericht berücksichtigt nicht hinreichend, dass keine Liquidation der Gesellschaft stattgefunden hat, sondern diese vielmehr mit den verbliebenen Gesellschaftern fortbesteht. Die durch das Ausscheiden eines Gesellschafters bedingte Auseinandersetzung ist zwischen dem Ausscheidenden und der Gesellschaft vorzunehmen und bietet für einen davon zu trennenden internen Gesellschafterausgleich, jedenfalls während des Fortbestands der Gesellschaft und vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen, keinen Raum.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Gesellschaft dem Ausscheidenden nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB dasjenige zu zahlen hat, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Die Ausrichtung des Abfindungsanspruchs auf ein fiktives Auseinandersetzungsguthaben bedingt nicht die im Fall der Auseinandersetzung in Betracht zu ziehende Trennung zwischen der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens und dem internen Ausgleich unter den Gesellschaftern. Weder kommt es beim Ausscheiden eines Gesellschafters zu einer mit der vollständigen Verteilung des Gesellschaftsvermögens verbundenen Vollbeendigung der Gesellschaft, noch hätte eine entsprechende Differenzierung praktische Erleichterungen zur Folge.
Schließlich steht dem Ausgeschiedenen zur Ermittlung seines Abfindungsanspruchs auch ein Anspruch auf Aufstellung einer Abfindungsbilanz zu, der sich – jedenfalls auch – gegen die Gesellschaft richtet und mit einem noch zu beziffernden Zahlungsanspruch in einer Stufenklage verbunden werden kann.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Auffassung der Revisionserwiderung, der Kläger sei von der Beklagten bereits vollständig abgefunden worden, kann auf Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht gefolgt werden.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Teilung der Sachwerte und die rechtlich nicht begrenzte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, die sachlich naheliegende Art der Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät. Gehen die Gesellschafter auf diese Weise vor, ist der Geschäftswert abgegolten, und eine weitergehende Abfindung kann grundsätzlich nicht beansprucht werden.
Vorliegend hat eine vollständige Realteilung in dem Sinne, dass eine weitergehende Abfindung ausgeschlossen ist, nicht stattgefunden. Zwar hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die Gesellschafter auf eine Teilung der Sachwerte und die Mitnahme von Mandanten geeinigt hätten, doch hat es ebenso festgestellt, dass ein offener Dissens hinsichtlich der Frage bestanden habe, ob und wie die Kapitalkonten auszugleichen seien. Insofern kann also nicht von einer vollständigen Aufteilung der zuvor genannten Sachwerte ausgegangen werden, zu denen auch solche Forderungen gehören, die nicht einzelnen Mandatsverhältnissen zuzuordnen sind und damit unter die „Realteilung“ fallen.

C. Kontext der Entscheidung

Mit diesem Urteil folgt der BGH seiner nunmehr gefestigten Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 17.05.2011 – II ZR 285/09; grundlegend BGH, Urt. v. 12.07.2016 – II ZR 74/14) und bestimmt als Schuldner des Abfindungsanspruchs in erster Linie die Gesellschaft, aber zugleich auch die in der Sozietät verbliebenen Gesellschafter.
Während sich die Grundlage für einen Anspruch gegen die Gesellschaft aus § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt, soll die Grundlage für einen Anspruch gegen die Gesellschafter nach der Rechtsprechung des BGH § 128 Satz 1 HGB analog bilden. Hiernach haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft – wozu auch der Abfindungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters zählt (so BGH, Urt. v. 17.05.2011 – II ZR 285/09 Rn. 12) – den Gläubigern der Gesellschaft als Gesamtschuldner persönlich.
Leider nutzt der BGH das Urteil nicht, um das Verhältnis zwischen „Anspruch gegen die Gesellschaft“ und „Anspruch gegen die Gesellschafter“ genauer zu beleuchten. Ungeklärt bleibt in diesem Zusammenhang insbesondere, ob es zwischen beiden Ansprüchen ein Subsidiaritätsverhältnis dergestalt gibt, dass zunächst gegen die Gesellschaft und erst dann gegen die Gesellschafter vorzugehen ist, wie es der Leitsatz des hier besprochenen Urteils sowie die Formulierung „Schuldnerin eines Abfindungsanspruches nach § 728 Abs. 1 Satz 2 BGB ist […] in erster Linie die Gesellschaft“ (Hervorhebung durch den Verfasser) im älteren BGH-Urteil vom 17.05.2011 nahelegen.
Des Weiteren bleibt ungeklärt, weil nicht näher ausgeführt, weshalb genau sich der Anspruch im hier besprochenen Urteil nun gegen die Gesellschaft richtet und nicht (auch) gegen die „zugleich“ (BGH, Urt. v. 17.05.2011 – II ZR 285/09 Rn. 12) und damit parallel haftenden Gesellschafter.

D. Auswirkungen für die Praxis

Trotz der angedeuteten, noch offenen Fragen ist das Urteil des BGH für die Praxis zu begrüßen, da es Klarheit beim praktisch bedeutsamen Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts schafft. Das Urteil verdeutlicht, dass der ausgeschiedene Gesellschafter seine Ansprüche vollumfänglich gegen die Gesellschaft und nicht gegen seine ehemaligen Mitgesellschafter zu richten hat. Des Weiteren schafft das Urteil insofern Klarheit, als es neben dem Abfindungsanspruch keinen weiteren Ausgleichsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters zulässt. Vielmehr ist das Zahlungs- und Ausgleichsverlangen des ausgeschiedenen Gesellschafters (aufgrund übermäßiger Entnahmen eines ehemaligen Mitgesellschafters) Teil des ihm zustehenden Abfindungsanspruchs.