Nachfolgend ein Beitrag vom 11.10.2017 von Rüschenbaum, jurisPR-ArbR 41/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot.
2. Das Vertrauen des Arbeitgebers auf den Fortbestand der Rechtsprechung des Siebten Senats des BAG aus dem Jahr 2011 zum zeitlich begrenzten Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht schutzwürdig.

A. Problemstellung

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Quasi seit Inkrafttreten der Vorschrift ist umstritten, ob „bereits zuvor“ als unbefristeter oder befristeter Zeitraum zu verstehen ist. Auch die Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2011 (Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09), dass für dieses Vorbeschäftigungsverbot, auch Anschlussverbot genannt, lediglich ein Zeitraum von drei Jahren relevant ist, konnte die Diskussion nicht beenden. Vielmehr haben sich mehrere Instanzgerichte ausdrücklich gegen das Urteil des BAG gestellt, so auch das LArbG Hannover.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Parteien streiten über das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses sowie über einen vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch. Die Klägerin war von September bis Dezember 2008 befristet im Betrieb des Arbeitgebers in A tätig. Von Mai 2014 bis April 2016 war die Klägerin aufgrund eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages im Betrieb des Arbeitgebers in B beschäftigt, die letzte Verlängerung erfolgte am 12.01.2016. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, und die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen.
Das LArbG Hannover hat das Urteil abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede vom 12.01.2016 mit Ablauf des 30.04.2016 geendet hat, und dem Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin stattgegeben.
Der Rechtswirksamkeit der vereinbarten sachgrundlosen Befristung stehe das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen, da früher zwischen den Parteien bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Dabei sei an den Vertragspartner des Arbeitnehmers anzuknüpfen, nicht an den Beschäftigungsbetrieb oder den Arbeitsplatz.
Das Landesarbeitsgericht stellt ausdrücklich fest, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG dahin auszulegen sei, dass eine sachgrundlose Befristung auch dann ausscheide, wenn das Ende eines vorangegangenen Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien mehr als drei Jahre zurückliege. Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen sei der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Danach sei die Vorschrift insgesamt als zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot auszulegen. Dafür spreche insbesondere der Wortlaut, da mit dem Begriff „bereits zuvor“ auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gerade keine zeitliche Begrenzung verbunden sei. Zudem ergebe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass eine sachgrundlose Befristung nur bei einer „Neueinstellung“ zulässig sei, also bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber. Eine bewusste, unabsichtliche gegenteilige Gesetzesformulierung sei auszuschließen. Auch die Regelungssystematik des TzBfG spreche für ein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot. Die sachgrundlose Befristung sei eine Ausnahme zu dem Grundsatz, dass die Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein muss. Auch Art. 12 GG stehe dem umfassenden Vorbeschäftigungsverbot nicht entgegen, da schon kein Verstoß gegen Art. 12 GG vorliege; selbst wenn, wäre dieser aber gerechtfertigt.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann sich die Beklagte auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen in die Fortführung einer fachgerichtlichen Rechtsprechung bestehe nicht, wenn diese Rechtsprechung, von der abgewichen werden soll, auf so erhebliche Kritik gestoßen sei, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen konnte. Zunächst sei auch das BAG von einem zeitlichen unbeschränkten Anschlussverbot ausgegangen. Die Rechtsprechungsänderung aus April 2011 sei von Anfang an deutlicher Kritik ausgesetzt gewesen, so dass die Beklagte zum Zeitpunkt des letzten befristeten Vertrags nicht von deren Fortbestand ausgehen konnte.

C. Kontext der Entscheidung

Das LArbG Hannover stellt sich zusammen mit anderen Instanzgerichten (zuletzt LArbG Stuttgart, Urt. v. 13.10.2016 – 3 Sa 34/16) gegen das Urteil des BAG, nach dem eine frühere Beschäftigung nur für einen Zeitraum von drei Jahren relevant sein soll (BAG, Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 – NZA 2011, 905). Ob die Rechtsprechung des BAG für die Zukunft Bestand haben wird, ist derzeit nicht abzusehen. Bereits vor diesem Urteil war ein Verfahren beim BAG zu diesem Thema anhängig (7 AZR 481/14); das BAG hatte zuvor einer Nichtzulassungsbeschwerde, die sich gegen ein Urteil richtete, das der Rechtsprechung des BAG folgte, stattgegeben (BAG, Beschl. v. 25.06.2014 – 7 AZN 336/14).
Auch das LArbG Hannover hat in seinem Urteil die Revision zugelassen. Ein weiteres Urteil des BAG zu diesem Thema ist daher zu erwarten. Außerdem wurden dem BVerfG die Fragen vorgelegt, ob das Vorbeschäftigungsverbot mit Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG vereinbar ist und ob § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungskonform dahin ausgelegt werden kann, dass das Vorbeschäftigungsverbot in seiner zeitlichen Geltung auf die Dauer von drei Jahren begrenzt ist oder insoweit die Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten wird (Verfahren anhängig unter 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14).

D. Auswirkungen für die Praxis

Derzeit ist nicht abzusehen, in welche Richtung sich die Rechtslage in Hinblick auf das Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung entwickelt. Das BAG hat nun die Gelegenheit, noch einmal zu dieser Rechtsfrage Stellung zu nehmen. Gleichzeitig ist zu hoffen, dass die andauernde Unsicherheit auch den Gesetzgeber zu einer Klarstellung bezüglich der Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG veranlasst. Auch eine mögliche Entscheidung des BVerfG wird zu beachten sein.
Vorerst bleibt die Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung zumindest dann mit einem hohen Risiko verbunden, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber irgendwann zuvor schon einmal ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das LArbG Hannover hat ausdrücklich festgestellt, dass sich ein Arbeitgeber nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, da die Rechtsprechung des BAG zum zeitlich befristeten Vorbeschäftigungsverbot nie unumstritten war.
Bis zu einem Urteil des BAG bzw. einer Klarstellung durch den Gesetzgeber sollte in der Praxis beachtet werden, dass die Voraussetzungen einer sachgrundlosen Befristung nur dann zweifelsfrei bejaht werden können, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber noch nie ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Arbeitgebern kann daher nur geraten werden, stets nach einer vorherigen Beschäftigung zu fragen. Bei einer wissentlich falschen Antwort steht dem Arbeitgeber ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB zu. In Zweifelsfällen sollte ohnehin, wenn möglich, eine Befristung mit Sachgrund gewählt werden.

Keine zeitliche Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots bei sachgrundloser Befristung
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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