Nachfolgend ein Beitrag vom 16.8.2017 von Dahl, jurisPR-ArbR 33/2017 Anm. 2

Leitsatz

Liegt die Bestimmung der konkreten Höhe des Gehalts auf einem Gehaltsband im billigen Ermessen des Arbeitgebers, steht dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht in Bezug auf die Festlegung der konkreten Vergütungshöhe mangels Rechtsanwendung nicht zu.

A. Problemstellung

Eine Vergütungsordnung kann Gehaltsbänder vorsehen, in der die Arbeitgeberin einseitig (ohne Mitbestimmung des Betriebsrats) die Lage der Vergütung nach billigem Ermessen bestimmt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden und wendet Tarifverträge auch nicht über Bezugnahmeklauseln auf die Arbeitsverhältnisse an. Sie hat bereits vor der Gründung des Betriebsrats unternehmensweit eine Vergütungsordnung mit acht Vergütungsgruppen etabliert, denen die Stellen je nach ihrer Wertigkeit zugeordnet werden. Die Entgelthöhe innerhalb der jeweiligen Vergütungsgruppe bestimmt sich nach Gehaltsbändern, welche jeweils das Mindest- sowie das Maximalgehalt definieren, in dessen Bandbreite sich die Gehälter der Mitarbeiter bewegen. Innerhalb eines Gehaltsbandes beträgt das Mindestgehalt etwa 75% und das Maximalgehalt ca. 125% bezogen auf den sog. Midpoint (100%) der jeweiligen Vergütungsgruppe.
Die Arbeitgeberin verhandelt derzeit mit dem Gesamtbetriebsrat über den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung für eine Vergütungsordnung. Im Rahmen dieser Verhandlungen hat die Arbeitgeberin mit dem Gesamtbetriebsrat eine als „Regelungsabrede“ bezeichnete vorläufige Vereinbarung über die Fortgeltung der bisher gebildeten Vergütungsgruppen und Gehaltsbändern für die Zeit der Verhandlungen über die Vergütungsordnung getroffen.
Im streitigen Fall hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zu einer Umgruppierung eines Mitarbeiters von der Vergütungsgruppe 4 in die Vergütungsgruppe 6 gebeten. Die Vergütung sollte bei 93,3% des Midpoints der Vergütungsgruppe 6 liegen. Der Betriebsrat hat der Umgruppierung mit der Begründung widersprochen, aus seiner Sicht sei der Mitarbeiter bei 100% des Gehaltsbandes einzugruppieren, da er nach den Ausführungen der Arbeitgeberin die Anforderungen der ihm übertragenen Stelle voll erfüllen werde. Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung auf Antrag der Arbeitgeberin hin ersetzt.
Das LArbG Berlin-Brandenburg hat die Entscheidung bestätigt.
Ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sei nicht gegeben. Denn die Bestimmung der konkreten Gehaltshöhe unterliege derzeit nicht der Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG.
Zunächst stellt das LArbG Berlin-Brandenburg fest, dass dem Betriebsrat bei der Umgruppierung in die im Betrieb der Arbeitgeberin geltende Vergütungsordnung ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zusteht. Woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergebe, sei unerheblich. Sie könne auf einem für die Arbeitgeberin geltenden oder auch auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein (vgl. BAG, Beschl. v. 06.04.2011 – 7 ABR 136/09).
Da sich die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Umgruppierung nicht auf die bloße Einreihung der Tätigkeit des entsprechenden Mitarbeiters in eine bestimmte Vergütungsgruppe beschränke, sondern das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG alle Teile der Ein- oder Umgruppierung erfasse, habe das BAG ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG auch in Bezug auf die Bestimmung der Fallgruppe einer bestimmten Lohngruppe bejaht, wenn damit unterschiedliche Rechtsfolgewirkungen (z.B. Bewährungsaufstieg) verbunden seien können (BAG, Beschl. v. 27.07.1993 – 1 ABR 11/93). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ende nach der Rechtsprechung des BAG allerdings dort, wo es nicht mehr um Rechtsanwendung, sondern um Rechtsgestaltung geht. So stehe dem Betriebsrat z.B. kein Mitbestimmungsrecht zu, soweit der öffentliche Arbeitgeber sein ihm in § 17 TVöD eingeräumtes Ermessen, bei erheblich überdurchschnittlichen Leistungen des Mitarbeiters die erforderliche Zeit für das Erreichen bestimmter Stufen zu verkürzen oder bei erheblich unterdurchschnittlichen Leistungen zu verlängern, ausübt, indem er die Zeit für das Erreichen bestimmter Stufen verkürzt oder verlängert (BAG, Beschl. v. 06.04.2011 – 7 ABR 136/09).
Das LArbG Berlin-Brandenburg meint, dass die Umgruppierung in die jeweilige Vergütungsgruppe demnach der Mitbestimmung unterliege. Die konkrete Lage im Gehaltsband sei hingegen Rechtsgestaltung und unterliege nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Ob ein Mitarbeiter 93,3% oder 100% des Gehaltsbandes als Monatsvergütung erziele, unterliege nach der bisherigen Vergütungsordnung der Entscheidung der Arbeitgeberin, die diese nach billigem Ermessen zu treffen habe. Die Billigkeit der Entscheidung könne der Mitarbeiter gerichtlich überprüfen lassen. Ein Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats erwachse daraus nicht.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BAG. In seiner Entscheidung vom 18.02.2015 (4 AZR 778/13) hatte der Vierte Senat bereits festgestellt, dass „eine Vergütungsregelung einer Gesamtbetriebsvereinbarung dem Arbeitgeber in zulässiger Weise ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i.S.d. § 315 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB nach Maßgabe der dort genannten Kriterien einräumen kann. In diesem Rahmen hat die Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen.“

D. Auswirkungen für die Praxis

In der Praxis dürften betriebliche Vergütungsordnungen mit Bandbreitenregelungen gegenüber denjenigen in der Mehrzahl sein, die sich auf schlichte Abstände zwischen den einzelnen Vergütungsgruppen (wie in einem Tarifvertrag) beschränken und damit mittelbar feste Vergütungswerte für jede Vergütungsgruppe festlegen (wenn die Arbeitgeberin mitbestimmungsfrei den Eckwert als Bezugsgröße festgelegt hat). Die Entscheidung des LArbG Berlin-Brandenburg bestätigt den Weg des Vierten Senats des BAG, wonach der Arbeitgeberin bei der Ausfüllung der Bandbreiten vom Betriebsrat ein Ermessen eingeräumt werden kann. Im Vergleich zur Entscheidung des BAG war das billige Ermessen durch die Vergütungsordnung im vorliegenden Fall allerdings nicht durch in der Betriebsvereinbarung benannte Kriterien, sondern (nur) durch § 315 Abs. 1 BGB beschränkt.
Offen bleibt neben der Frage, inwieweit ermessensleitende Kriterien in der Betriebsvereinbarung genannt werden müssen, ob auch eine Einigungsstelle der Arbeitgeberin (per Spruch) entsprechende Freiräume einräumen kann, ohne sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, den Mitbestimmungstatbestand nicht abschließend geregelt zu haben.
Ferner hat sich das LArbG Berlin-Brandenburg nicht explizit mit der Frage auseinandergesetzt, welche Auswirkungen es hatte, dass die Arbeitgeberin die Vergütungsordnung (unternehmensweit) mitbestimmungsfrei vor Etablierung des Betriebsrats in Kraft gesetzt hatte. Es ist wohl (zutreffend) stillschweigend davon ausgegangen, dass sie ungeachtet der Etablierung des Betriebsrats (und der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung) in Kraft bleibt, bis der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte geltend macht und eine mitbestimmte Vergütungsordnung etabliert wird. Die vorläufige „Regelungsabrede“ mit dem Gesamtbetriebsrat scheint für das LArbG Berlin-Brandenburg jedenfalls keine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Denn es hat sich nicht mit der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für eine solche Regelungsabrede (und den sehr hohen Anforderungen des BAG auch für Filialisten) auseinandergesetzt.