Nachfolgend ein Beitrag vom 19.7.2017 von Busch, jurisPR-ArbR 29/2017 Anm. 5

Orientierungssatz zur Anmerkung

Bei einer Benachteiligung wegen des Geschlechts bei der Lohnhöhe bestehen Auskunftsansprüche nur in Bezug auf die Gehälter der Angehörigen des anderen, bevorzugten Geschlechts.

A. Problemstellung

Erlischt der Anspruch auf Auskunft, wenn die Arbeitgeberin in der Berufungsinstanz die Auskunft erteilt? Diese Frage hat sich im Verfahren einer Arbeitnehmerin gestellt, die mit einer Klage auf Auskunft über die Gehaltshöhe anderer Beschäftigter eine Leistungsklage wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorbereiten wollte.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin ist seit 1998 in der Produktion tätig. Die beklagte Arbeitgeberin stellt Schuhe her. Sie ist nicht tarifgebunden. Im Jahre 2013 informierte die Beklagte die Beschäftigten auf einer Betriebsversammlung dahingehend, dass sie ab dem Januar 2013 die Löhne der weiblichen Beschäftigten an diejenigen der männlichen Beschäftigten angleichen wolle. Die Klägerin hatte in 2012 einen Stundenlohn von 8,79 Euro erhalten; auf der Betriebsversammlung kündigte die Beklagte an, dass sie den Stundenlohn für Frauen ab dem Januar 2013 auf 9,94 Euro brutto erhöhen wolle.
Die Klägerin verlangte erfolglos Auskunft über die Höhe der Bezüge anderer Beschäftigter und die Nachzahlung der Vergütungsdifferenz sowie Entschädigung nach dem AGG, weil sie wegen ihres weiblichen Geschlechts benachteiligt worden sei. Im Rahmen einer Stufenklage hat sie erstinstanzlich zahlreiche Auskunftsanträge gestellt, mit denen sie für jeden einzelnen Beschäftigten anonymisiert Auskunft über die in jedem Monat von 1998 bis 2012 gezahlten Stundenlöhne sowie die berufliche Qualifikation, Ausbildungsanforderungen, die Art der ausgeführten Arbeiten und die Arbeitsbedingungen einforderte. Erstinstanzlich ist die Beklagte durch Teilurteil verurteilt worden, der Klägerin für sämtliche im Schuhproduktionsbetrieb der Beklagten in St. K. in der Zeit vom 01.12.2003 bis 31.12.2012 beschäftigten gewerblichen, nicht nach Tarifvertrag auf Basis eines Stundenlohns vergüteten, mit Produktionsarbeiten, jedoch nicht als stellvertretende Teamleiter oder Teamleiter beschäftigten männlichen Arbeitnehmer jeweils einzeln anonymisiert schriftlich Auskunft über die Höhe des in jedem Monat gezahlten Bruttostundenlohns zu erteilen und Auskunft darüber zu erteilen, aufgrund welcher Tatsachen die Beklagte den männlichen Arbeitnehmern den vorstehend mitzuteilenden Bruttostundenlohn gezahlt hat. Im Übrigen sind die Anträge abgewiesen worden.
Beide Parteien haben Berufung eingelegt. Nach Zurückweisen des Antrags auf Einstellung der Zwangsvollstreckung erteilte die Beklagte in einem Schriftsatz umfangreich Auskünfte über die Gehälter der männlichen Beschäftigten und das bis Ende 2012 praktizierte Vergütungssystem, das nach Männern und Frauen unterschied. Die Klägerin hat trotzdem die Auskunftsanträge zu den weiblichen Produktionskräften aufrechterhalten.
Das LArbG Mainz hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist kein rechtliches Interesse erkennbar, Auskünfte über die Löhne der anderen weiblichen Beschäftigten zu erhalten. Im Rahmen der Stufenklage sei ein Auskunftsantrag nur zulässig, sofern er zur Bezifferung des Zahlungsantrags erforderlich sei, nicht jedoch zur Erlangung weiterer Informationen.
Die Berufung der Beklagten war dagegen erfolgreich.
Die erstinstanzlich titulierten Auskunftsansprüche sind nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts durch Erfüllung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Zwar erlösche ein Anspruch erst dann, wenn Erfüllungswirkung aufgrund der Leistung aus einem rechtskräftigen Titel eintrete. Erfülle der Schuldner aufgrund eines nur vorläufig vollstreckbaren Titels, trete regelmäßig kein Erlöschen der Forderung ein, weil die Leistung regelmäßig unter dem Vorbehalt der Rechtskraft geleistet werde. Vorliegend sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte schriftsätzlich mehrmals den Einwand der Erfüllung erhoben habe. Die Beklagte habe somit ohne jeden Vorbehalt zur Erfüllung des Urteils geleistet.

C. Kontext der Entscheidung

Das LArbG Mainz geht von der Rechtsprechung des BGH aus. Danach erfolgt die Leistung, sofern der Schuldner nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, unter dem Vorbehalt des Rechtskrafteintritts (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.2014 – V ZR 115/13 Rn. 8 m.w.N.). Daher stellt auch die Erteilung von Auskünften zur Abwendung der angedrohten Zwangsvollstreckung im Regelfall keine Erfüllung und damit kein die Hauptsache erledigendes Ereignis dar (LArbG Mainz, Urt. v. 12.05.2016 – 5 Sa 408/15 Rn. 90). Ohne ausdrücklich dazu einen Rechtssatz aufzustellen, geht das LArbG Mainz hier von einem Ausnahmefall aus; denn die Arbeitgeberin habe durch die Erhebung des Einwands der Erfüllung deutlich gemacht, dass sie ohne jeden Vorbehalt geleistet habe.

D. Auswirkungen für die Praxis

Obwohl die Auskunftsklage verloren ist, besteht für den Zahlungsprozess Aussicht auf Erfolg, wenn die Klägerin sich auf die nach der erteilten Auskunft zu berechnende Differenz beschränkt. In einem vergleichbaren Fall hat das LArbG Mainz in einem Zahlungsprozess die Beklagte zur Entgeltdifferenz und zusätzlich zu einer Entschädigung von 6.000 Euro verurteilt (vgl. LArbG Mainz, Urt. v. 14.08.2014 – 5 Sa 509/13). Arbeitgeber gehen mithin ein Risiko ein, wenn sie an frauendiskriminierenden Löhnen festhalten.
Allerdings wirft der Umstand, dass es auch in jüngster Zeit noch Arbeitgeber gab, die nach Männer- und Frauenlöhnen unterschieden, Fragen hinsichtlich der Effizienz des Schutzes vor Frauendiskriminierung auf.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Sind die Löhne der vergleichbaren Beschäftigten des anderen Geschlechts nicht bekannt, kann zur Vorbereitung der Zahlungsanträge ein Auskunftsanspruch geltend gemacht werden. Dieser ist allerdings begrenzt auf Auskunft über die Gehälter der Angehörigen der bevorzugten Gruppe, da sich aus dieser Auskunft, verbunden mit der Kenntnis über das eigene Gehalt, der Differenzbetrag bereits ermitteln lässt. Entsprechend gibt auch das neue Entgelttransparenzgesetz nur Auskunftsansprüche in Bezug auf Beschäftigte des jeweils anderen Geschlechts