Nachfolgend ein Beitrag vom 10.08.2016 von Kloppenburg, jurisPR-ArbR 32/2016 Anm. 2
Leitsätze

1. Der scheinbar nur den Betriebserwerber betreffende Antrag eines Arbeitnehmers festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs zum Erwerber besteht, kann zugleich gegen den Betriebsveräußerer gerichtet sein.
2. Hat nach dem möglichen Betriebsübergang der Veräußerer das Arbeitsverhältnis gekündigt und hat der Arbeitnehmer deshalb gegen ihn hilfsweise Kündigungsschutzklage erhoben, handelt es sich bei dieser in einem solchen Fall um eine objektive Eventualklage innerhalb eines zum Veräußerer bereits unbedingt bestehenden Prozessrechtsverhältnisses. Eine in subjektiver Hinsicht bedingte – unzulässige – Klagehäufung liegt dann nicht vor.
3. Ein Arbeitgeber, der keine eigenen Arbeitnehmer mehr beschäftigten will, ist zur Vermeidung einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht verpflichtet, die Möglichkeit einer „Gestellung“ des betreffenden Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitgeber zu sondieren.

A. Problemstellung

Welche Anträge sind im Falle eines Betriebsübergangs zu stellen, um als Arbeitnehmervertreter den Mandanten nicht in eine Kostenfalle zu führen? Ein neuer Vorschlag des BAG zur Problemlösung: der „Betriebsübergangs-Feststellungsantrag“!
Gibt es Gestaltungswege, sich von unliebsamen Belegschaftsmitgliedern ohne die Lasten des gesetzlichen und tariflichen Kündigungsschutzes zu trennen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nachdem eine Gruppe von 44 Arbeitnehmern die Unterzeichnung von Änderungsverträgen mit schlechteren Arbeitsbedingungen abgelehnt hatte (sog. „Nein-Sager“), wies die Arbeitgeberin (Beklagte zu 2) diese dem Backoffice zu, diejenigen, die der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zugestimmt hatten (sog. „Ja-Sager“) und neu eingestellte Personen, mit denen sie von vornherein die schlechteren Arbeitsbedingungen vereinbarte, einem Call-Center. Der Kläger war ein ursprünglich im Call-Center beschäftigter und dann dem Backoffice zugeordneter „Nein-Sager“. Sodann spaltete die Beklagte zu 2) den Betrieb in die Bereiche „Backoffice“ und „Call-Center“ auf und verpachtete den neu entstandenen Call-Center-Betrieb an die Beklagte zu 1) und den Back-Office-Betrieb an eine andere Gesellschaft. Die Pächterin des Bereichs Backoffice („Nein-Sager“) stellte den Betrieb zum 31.12.2012 ein. Der Kläger widersprach dem Betriebsübergang auf die Pächterin des Backoffice. Daraufhin kündigte die Beklagte zu 2) („Veräußerin“) ihm.
Der Kläger hatte vorrangig gegen die Beklagte zu 1) (Pächterin des Call-Centers) u.a. auf die Feststellung geklagt, dass zu dieser seit dem 01.01.2010 ein Arbeitsverhältnis bestehe. Begründet hatte er sein Vorgehen damit, dass die Konstruktion im Ergebnis nicht zu seiner Trennung von den übrigen Belegschaftsmitgliedern habe führen können. Hilfsweise – für den Fall des Unterliegens mit diesem Antrag – hat er feststellen lassen wollen, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) (ursprüngliche Arbeitgeberin) durch deren Kündigungen vom 28.01.2010 nicht aufgelöst worden sei.
Der Rechtsstreit ging dann zunächst bis zum Achten Senat des BAG. Auf die Revisionen beider Beklagter stellte dieser mit Urteil vom 21.02.2013 (8 AZR 878/11) das erstinstanzliche, die Klage hinsichtlich des Hauptantrages abweisende Urteil wieder her. Dabei verstand das BAG den Hauptantrag zu 1) in seiner Entscheidung dahin, es solle auch gegenüber der Beklagten zu 2) (ursprüngliche Arbeitgeberin/Veräußerin), die sich einer gegenteiligen Rechtsposition berühmt hatte, festgestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers seit dem 01.01.2010 gerade zur Beklagten zu 1) bestanden habe. Vor diesem Hintergrund bezweifelte das BAG weder die Beschwer der Beklagten zu 2) durch das erste Berufungsurteil noch die Zulässigkeit des Kündigungsschutzantrages, da es sich bei dieser Auslegung nicht um eine unzulässige eventuelle subjektive, sondern um eine eventuelle objektive Klagehäufung handele. Nachdem das BAG die Sache wegen des Kündigungsschutzantrages gegen die Beklagte zu 2) an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen hatte, stellte der Kläger seine Anträge dort dahin um, dass er nun (unbedingt) beantragte festzustellen, „dass die Kündigungen der Beklagten zu 2) vom 28.01.2010 das zwischen ihm und der Beklagten zu 2) bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 31.08.2010 beendet haben“.
Der für den Kündigungsschutzantrag nun zuständige Zweite Senat des BAG hat zunächst im Anschluss an den Achten Senat des BAG festgestellt, dass hier nicht von einer (unzulässigen) eventuellen subjektiven, sondern von einer zulässigen bedingten objektiven Klagehäufung auszugehen sei.
Ginge man hingegen von einer unzulässigen eventuellen subjektiven Klagehäufung (vgl. BAG, Urt. v. 23.02.2010 – 2 AZR 720/08 Rn. 35; BAG, Urt. v. 24.06.2004 – 2 AZR 215/03 zu B I 2a der Gründe) aus, hätte – so der Zweite Senat des BAG im Anschluss an eine Rechtsprechung des BGH – selbst eine rechtskräftige Feststellung, dass zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger kein Arbeitsverhältnis bestand, in der Revisionsinstanz den Kläger nicht retten können. Er hätte in der Revisionsinstanz nicht zulässig von dem Hilfs- auf einen Hauptantrag umstellen können. Hier sei das nur wegen der Wiedereröffnung der zweiten Instanz durch die Zurückverweisung möglich geworden.
Sodann hat der Zweite Senat des BAG die Gelegenheit wahrgenommen, sich zu einer aus seiner Sicht sinnvollen Antragstellung in der vorliegenden Konstellation zu positionieren:
Zwar habe der Auslegungsvorschlag des Achten Senats des BAG vieles für sich. Die „Vorschaltung“ des negativen Feststellungsantrages beeinträchtige nicht das durch § 4 Satz 1 KSchG i.V.m. § 61a ArbGG anerkannte dringende Entscheidungsinteresse des kündigenden Arbeitgebers. Es werde eine „Vorfrage“ des Antrages nach § 4 Satz 1 KSchG – das Bestehen des Arbeitsverhältnisses bei Zugang der Kündigung – innerhalb des „richtigen“ Prozessrechtsverhältnisses beantwortet und damit das Prüfprogramm des Kündigungsschutzantrages – so er anfallen sollte – verringert.
Es verbleibe aber die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Das beruhe darauf, dass die Klageanträge, die nach den §§ 59, 60 ZPO in selbstständigen, bloß äußerlich zu einem Rechtsstreit verbundenen Prozessrechtsverhältnissen gestellt werden, während des Verfahrens „auseinanderlaufen“ könnten. Gäbe das Arbeitsgericht nämlich beiden allgemeinen Feststellungsklagen statt, weil es einen Übergang des Arbeitsverhältnisses annehme, würde dann aber auf die (alleinige) Berufung des vermeintlichen Erwerbers die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen, stünde der Arbeitnehmer „ohne Arbeitsverhältnis“ da. Wegen der Präjudizialität der Entscheidung über seine negative Feststellungsklage könnte er nicht einmal eine Erfolg versprechende (neue) Kündigungsschutzklage gegen den „Veräußerer“ erheben.
Das lasse sich vermeiden – und nun folgt der neue Vorschlag –, wenn man eine „Betriebsübergangs-Feststellungsklage“ nach § 256 ZPO für zulässig hielte und insofern eine notwendige Streitgenossenschaft i.S.v. § 62 ZPO zwischen den beklagten „Arbeitgebern“ annähme. Die Entscheidung über den zwingend gegen beide „Arbeitgeber“ gemeinsam zu richtenden Antrag, nämlich
„festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis (vor Zugang der Kündigung) von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) übergegangen ist“,
dürfe auch aus Gründen des materiellen Rechts nur einheitlich gegenüber beiden Beklagten ergehen. Bei dem Übergang eines Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB falle der „Beendigungstatbestand“ gegenüber dem Veräußerer mit dem „Begründungstatbestand“ gegenüber dem Erwerber zusammen. Fehle es an dem einen, mangele es auch an dem anderen. Der Antrag sei auch dann insgesamt abzuweisen, wenn das Gericht annehmen sollte, das Arbeitsverhältnis sei zwar übergegangen, dies jedoch auf einen anderen Arbeitgeber als den Zweitbeklagten. Würde dem Antrag stattgegeben, stünde zweierlei fest, so das BAG: Die Kündigung des Veräußerers ginge „ins Leere“ und das Arbeitsverhältnis des Klägers habe für eine juristische Sekunde zum Erwerber bestanden. Hingegen sei die Klage insoweit allein gegen den Erwerber gerichtet, wenn auch der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit ihm festgestellt werden solle.

C. Kontext der Entscheidung

Der Zweite Senat des BAG sucht für die vorliegende Konstellation einen Weg, der der klagenden Partei die Senkung des Kostenrisikos ermöglicht. Die durch den Zweiten Senat hinterfragten Überlegungen des Achten Senats zur Auslegung der Klageanträge gehen auf einen Aufsatz von Müller-Glöge (NZA 1999, 449, 556) und eine Entscheidung des Achten Senats des BAG vom 18.04.2002 (8 AZR 346/01) zurück (zu den dadurch entstandenen Missverständnissen und ihrer Auflösung: Düwell/Lipke, ArbGG, § 46 Rn. 209). Der Zweite Senat hat mit Recht auf die damit weiterhin verbleibenden Risiken hingewiesen.
Ob der neue Vorschlag (Betriebsübergangs-Feststellungsantrag) angenommen wird, bleibt abzuwarten. Bei der Frage, ob der durch das BAG nun vorgeschlagene Antrag zulässig ist, wird sauber zwischen Begründungselement und feststellungsfähigem Rechtsverhältnis/Rechtsfolge abzugrenzen sein. Um die angestrebten Rechtswirkungen erzielen zu können, müsste es sich bei dem „Übergang“ als solchem um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handeln. Das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft ist in dieser Konstellation ansonsten nicht so ganz einfach zu bejahen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 15.06.1959 – II ZR 44/58). Allerdings wäre die bisherige Sicht (dazu BAG, Urt. v. 22.08.2013 – 8 AZR 521/12 Rn. 36), die von einer sukzessiven Antragstellung ausging und einer notwendigen Streitgenossenschaft damit notwendig entgegenstand, überwunden.
Ausnahmsweise hat der Achte Senat des BAG allerdings in der Entscheidung vom 10.12.1998 (8 AZR 596/97 Rn. 16) für einen Fall, in dem dennoch festgestellt worden war, „dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Fa. I. GmbH & Co. KG auf die Beklagte zu 2) gemäß § 613a BGB übergegangen ist …“ angenommen, dass wegen dieser Tenorierung rechtskräftig über das Vorliegen des Betriebsübergangs entschieden worden sei (zu einer ähnlichen Fallgestaltung im Eingruppierungsrecht vgl. BAG, Urt. v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, zu II 1 a der Gründe, zu den Folgen der Rechtskraft einer Entscheidung über eine konkrete Fallgruppe einer Vergütungsgruppe).
Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann zwar auch zugleich mit dem Hauptantrag auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, d.h. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses geklagt werden. Damit wird ein Begründungselement aus der Entscheidung verselbstständigt und mit eigener Rechtskraft versehen (vgl. z.B. BAG, Urt. v. 21.10.2015 – 4 AZR 663/14 Rn. 17). Fraglich ist, ob es sich bei dem „Übergang“ um ein solches vorgreifliches „Rechtsverhältnis“ handeln kann. Der Antrag auf die Feststellung, in eine bestimmte Vergütungsgruppe „eingruppiert“ zu sein, soll unzulässig sein. Auf die Rechtsfolge, nämlich die Verpflichtung zur Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe, kann hingegen im Wege der Inzidentfeststellungsklage geklagt werden.

D. Auswirkungen für die Praxis

Bei Betriebsübergängen könnte künftig als Hauptantrag unter Hinweis auf den jetzigen Vorschlag des Zweiten Senats des BAG der „Betriebsübergangs-Feststellungsantrag“ gestellt und die Reaktion der Rechtsprechung abgewartet werden. Hilfsweise sollte angesichts des ungewissen Ausgangs jedenfalls der jetzt sowohl durch den Achten als auch durch den Zweiten Senat aufgezeigte Weg erwogen werden. Die dargestellten Risiken sind dabei ebenfalls zu berücksichtigten, was im Rahmen der Beratung regelmäßig dazu führen wird, den sichersten Weg vorzuschlagen. Bei der Antragstellung ist darauf hinzuweisen, wie die Anträge verstanden werden sollen. Die Gerichte haben dies ggf. vorab mit den Parteien bei Unklarheiten zu erörtern. Spätestens in der zweiten Instanz sollten eventuelle subjektive Klagehäufungen vermieden werden. Ausführlich begründete Vorschläge zur Vorgehensweise bei Betriebsübergängen in den unterschiedlichen Konstellationen sind in Düwell/Lipke, ArbGG, § 46 Rn. 192 ff. dargestellt.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

I. Keine Verpflichtung zur Gestellung an andere Arbeitgeber
Der Zweite Senat des BAG hat in der Entscheidung zudem ausgeführt, dass die Beklagte zu 2) zur Vermeidung von Kündigungen nicht verpflichtet war, die Möglichkeit der Gestellung an einen anderen Arbeitgeber – hier die Beklagte zu 1) (die das Call-Center weitergeführt hat) – zu prüfen. Eine solche Verpflichtung, die das BAG bei nach Tarifregelungen für den öffentlichen Dienst unkündbaren Belegschaftsmitgliedern bejaht, bestehe im privaten Bereich regelmäßig mangels entsprechender Tarifnormen nicht. Die Beklagte zu 2) sei insbesondere ungeachtet des von ihr gewählten Konstrukts nicht verpflichtet, den Kläger dem Pächter des „Ja-Sager-Betriebs“ zu gestellen.
II. Zulässige Gestaltung, die die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess umkehrt
Die Arbeitgeberin habe, so der Zweite Senat des BAG, ihre Gestaltungsmöglichkeiten nicht überschritten. Missbrauch setze voraus, dass die Maßnahmen des Arbeitgebers alleine darauf abzielten, den Arbeitnehmer „loszuwerden“. Das Landesarbeitsgericht habe nicht die volle Überzeugung bilden können, das Handeln der Beklagten habe – von vornherein – einzig darauf abgezielt, die Arbeitsverhältnisse der „Nein-Sager“ einseitig beenden zu können. Es sei nicht auszuschließen, dass es der Beklagten zu 2) nur um den Betriebsfrieden gegangen sei. Dem hätte es vor dem Hintergrund der sonstigen Entwicklung hier auch nicht entgegengestanden, wenn der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) im Vorfeld ausdrücklich gesagt hätte, man wolle sich von den „Nein-Sagern“ trennen und kenne Möglichkeiten, dies trotz deren besonderen Kündigungsschutzes zu erreichen. Es handele sich, so der Zweite Senat des BAG, um „rechtlich nicht zu beanstandende Organisationsmaßnahmen“.
Allerdings ist das BAG zu diesem Ergebnis vor dem Hintergrund seines eingeschränkten Prüfungsmaßstabes gelangt. Hätte das Landesarbeitsgericht umgekehrt gewertet, wäre das BAG dem angesichts des Sachverhalts unter Umständen auch gefolgt.
Die Entscheidung macht deutlich, dass der einmal als Arbeitnehmerschutzrecht angedachte § 613a BGB taktisch genutzt werden kann und auch wird, um den Kündigungsschutz bei betriebsbedingten Kündigungen weitgehend auszuhebeln. Das ist in der Praxis kein Einzelfall. Bei dem hier gewählten und inzwischen in ähnlicher Form nicht selten anzutreffenden Konstrukt wird der Arbeitgeber von seiner Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess weitgehend befreit. Zudem kann er den Personenkreis, von dem er sich trennen möchte, von Kündigungsschutzvorschriften im Wesentlichen unbelastet zusammenstellen. Im Ergebnis ist es die Arbeitnehmerseite, die den Missbrauch nachweisen muss, was im Zweifel nicht gelingt, wie der vorliegende Fall anschaulich belegt. § 613a BGB und die dazu ergangene Rechtsprechung wird – wie die Praxis zeigt – seitens der Unternehmen taktisch häufig und inzwischen auch wenig verschleiert dazu genutzt, sich von unliebsamen Belegschaftsmitgliedern zu trennen, ohne dass diesen noch ein relevanter Kündigungsschutz bleibt. Wie das BAG ab Rn. 58 ff. weiter ausführt, entfällt auf diese Weise bei einem Widerspruch gegen den Betriebsübergang auch das Erfordernis einer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG, was die Kündigungen zusätzlich erleichtert.
Arbeitsrechtlich motivierte Umstrukturierungen (dazu Willemsen in: Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 4. Aufl. 2011, S. 78 Rn. 131), die gezielt erwünschte arbeitsrechtliche Rechtsfolgen herbeiführen sollen (auch Düwell/Wichert in: Arens/Düwell/Wichert, Handbuch Umstrukturierung und Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 2; Bauer/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, 3. Aufl. 2015, S. 12 Rn. 1), haben für die gestaltenden Unternehmen weitere Vorteile. So besteht auf diesem Weg zugleich die Möglichkeit, die Betriebsmittel (Maschinen/Grundstücke/sonst. Vermögen) zu sichern. Sie verbleiben bei einer zugleich vorgenommenen Aufspaltung in Besitz- und Betriebsgesellschaft bei der Verpächterin/Veräußerin. Die Belegschaft geht auf eine (oft neu gegründete) Gesellschaft oder eine schon existente Tochtergesellschaft über, die zum Unternehmensverbund gehört und regelmäßig mit wenig Kapital ausgestattet ist. Dadurch kann später kostengünstig abgewickelt werden. Für einen Sozialplan stehen kaum Mittel zur Verfügung. Es besteht für das Unternehmen zudem der Vorteil, dass sich rein tatsächlich nichts verändern muss. Teilweise werden sog. „Parallelgesellschaften“ mit denselben Gesellschaftern und Geschäftsführern gegründet, um die Arbeitsverhältnisse „zu verlagern“, was den Aufwand weiter minimiert. Die Arbeitsaufgaben ändern sich nicht. Alles kann „auf dem Papier abgewickelt“ werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich von Arbeitnehmervertretungsstrukturen zu trennen, die sich nicht als förderlich herausgestellt haben (dazu Willemsen in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 4. Aufl. 2011, S. 78 Rn. 131; Bachner in Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin 4. Aufl. 2012, § 1 Rn. 3).
Das Ausnutzen der durch Gesetzgebung und Rechtsprechung geschaffenen Spielräume ist den „findigen Gestaltern“ bzw. den beratenen Unternehmen dabei nicht zu verdenken. Für die Grenzziehung sind nicht sie, sondern die Gerichte zuständig. Die Rechtsprechung des BAG ist recht großzügig (guter Überblick bei Griebeling/Rachor in: KR, 11. Aufl. 2016, § 1 Rn. 522 ff., auch zum Streitstand in der Lit.). Sie weist zwar darauf hin, dass es auch Grenzen gibt. Aber diese müssen nicht einmal dann überschritten sein, wenn eine Gestaltungsentscheidung direkt darauf abzielt, sich von einzelnen Arbeitnehmern zu trennen, wenn evtl. auch noch andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen (vgl. BAG, Urt. v. 18.06.2015 – 2 AZR 480/14 Rn. 36). Das wiederum ist regelmäßig durch die betroffenen Belegschaftsmitglieder nicht zu widerlegen. Die in diesem Zusammenhang entwickelten Grundsätze für die Darlegungs- und Beweislast bei Anhaltspunkten für Rechtsmissbrauch könnten weiterhelfen (vgl. Rn. 48 der Entscheidung). In der Praxis ist das BAG aber auch bei deren Anwendung nur in seltenen Fällen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine missbräuchliche Gestaltung (dazu Düwell/Wichert in: Arens/Düwell/Wichert, Handbuch Umstrukturierung und Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2013, § 11 Rn. 75, im Zusammenhang mit dem der hier besprochenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt) vorgelegen hat. Auch im besprochenen Fall sah das BAG aufgrund des Umstandes, dass den „Nein-Sagern“ ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bloß bis zum 31.12.2010 eingeräumt worden war, während den „Ja-Sagern“ ein solcher bis zum 30.04.2012 gewährt wurde, nicht die Möglichkeit zu schlussfolgern, dass die Stilllegung des Betriebs „Backoffice“ im Zeitpunkt der Spaltungs- und Verpachtungsentscheidung bereits „beschlossene Sache“ gewesen sein müsse (Rn. 55 der Entscheidung). Nichts anderes soll sich danach auch aus dem einschlägigen Plan eines Beraters wie auch aus der vom Kläger behaupteten Äußerung des damaligen Geschäftsführers der Beklagten ergeben, man wolle sich von den „Nein-Sagern“ trennen und kenne Möglichkeiten, dies trotz deren besonderen Kündigungsschutzes zu erreichen. Dem stehe, so das BAG, u.a. die Möglichkeit entgegen, dass die Beklagte zu 2) durch die Bündelung der „Nein-Sager“ den Betriebsfrieden habe sicherstellen wollen. Es sei vor dem sonstigen Hintergrund eine reine Mutmaßung des Klägers, wenn er den Schluss ziehe, es habe sich um eine strategische Entscheidung gehandelt, den Backofficebetrieb nicht früher zu schließen. Insoweit hat das BAG allerdings die Wertung des Landesarbeitsgerichts akzeptiert. Hätte dieses umgekehrt gewürdigt, wäre es ihm unter Umständen auch gefolgt. Ein gewisses Risiko bleibt also.
In der Literatur wird Missbrauch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BAG vom 26.09.2002 (2 AZR 636/01), nach der der verfassungsrechtlich geforderte Bestandsschutz nicht unangemessen zurückgedrängt werden darf, insbesondere bei der Verlagerung von unverändert – ggf. reduziert – fortbestehenden Arbeitsaufgaben auf abhängige Konzerngesellschaften, bejaht, die letztlich den Charakter einer konzerninternen Austauschkündigung haben. Denn die Belegschaftsmitglieder der abhängigen Gesellschaft unterliegen dann letztlich nach wie vor den Weisungen des „alten“ Arbeitgebers (Griebeling/Rachor in: KR, 11. Aufl. 2016, § 1 Rn. 544). In der Entscheidung vom 26.09.2002 hatte das BAG klargestellt, dass der Arbeitgeber missbräuchlich handelt, der durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen seinen Betrieb in mehrere Teile aufspaltet, um Arbeitnehmern den allgemeinen Kündigungsschutz zu entziehen und ihnen „frei“ kündigen zu können. Hierunter sollen auch konzerninterne Tätigkeitsverlagerungen fallen, deren Zweck sich darauf beschränke, den Arbeitnehmern des bisher die Tätigkeit erbringenden Unternehmens den Kündigungsschutz zu entziehen (Kiel in: APS, KSchG, 3. Aufl. § 1 Rn. 595 f.). Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast stellt das BAG in den Fällen, in denen nach einem angeblichen Betriebsübergang dieselben Personen tätig sind (vgl. BAG, Urt. v. 12.11.1998 – 8 AZR 301/97 unter B I 2 der Gründe). Hier muss konkret feststellbar sein, für wen die Personen jeweils gehandelt haben bzw. handeln. Im Falle der Gründung rein virtueller Unternehmen kommt ein Betriebsübergang danach regelmäßig nicht in Betracht.