Nachfolgend ein Beitrag vom 7.9.2018 von Geisler, jurisPR-BGHZivilR 16/2018 Anm. 1

Leitsatz

Zur rechtlichen Einordnung eines Vertrags über die Lieferung und Montage einer Küche.

A. Problemstellung

Bei einem Vertrag über die Lieferung und Montage einer Sache stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Vertrag dem Kauf- oder Werkvertragsrecht zuzuordnen ist. Der BGH hatte über die Abgrenzungskriterien bei einer Einbauküche zu entscheiden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin begehrte von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von insgesamt 4.309 Euro wegen Mängeln einer Küche. Die Klägerin bestellte für ihre Wohnung bei der Beklagten eine Küche einschließlich Lieferung und Montage zu einem Gesamtpreis von 10.020 Euro. Am 28.04.2014 wurde die Küche geliefert und montiert. Im Anschluss daran unterzeichnete die Klägerin ein als „Übergabeprotokoll Einbauküche“ bezeichnetes Formular der Beklagten. In dem Formular ist unter anderem angekreuzt, dass die Arbeitsplatte in Ordnung ist; ferner enthält es die handschriftliche Bemerkung „falsche Griffe?“. Im Mai und Juni 2014 führte die Beklagte diverse Mangelbeseitigungsmaßnahmen durch.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe eine Arbeitsplatte und Griffe geliefert, die nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprächen. Sie hat unter Beifügung eines Angebots eines Drittunternehmens Schadensersatz in Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten begehrt. Die Beklagte hat eine fehlerhafte Lieferung bestritten und sich hinsichtlich der Arbeitsplatte zudem auf eine vorbehaltlose Abnahme durch die Klägerin berufen.
Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs wegen des Mangels der Arbeitsplatte zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren in der Berufungsinstanz gestellten Antrag in vollem Umfang weiter. Sie stellt klar, dass von der Klagesumme in Höhe von 4.309 Euro ein Betrag in Höhe von 3.800 Euro auf die Mangelbeseitigungskosten für die Arbeitsplatte entfällt.
Der BGH hat auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage in Höhe von 3.800 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 413,65 Euro zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen hat er die Revision verworfen. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Revision sei unzulässig, soweit mit ihr das Ziel verfolgt werde, Schadensersatz wegen der behaupteten fehlerhaften Lieferung der Griffe zu erlangen. Das Berufungsgericht habe die Revision nur beschränkt auf den Schadensersatzanspruch wegen des behaupteten Mangels der Arbeitsplatte zugelassen, so dass das Rechtsmittel hätte begrenzt werden müssen.
Die Zurückverweisung der Sache sei erforderlich, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt habe, ob der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag über die Lieferung und Montage einer Küche nach Kauf- oder nach Werkvertragsrecht zu beurteilen sei. Das Amtsgericht sei von einem Kaufvertrag zwischen den Parteien ausgegangen, der Lieferung und Montage der Küche beinhaltete, wofür vieles spreche. Das Berufungsgericht habe demgegenüber Werkvertragsrecht angewandt und seine Entscheidung hinsichtlich des beanstandeten Mangels der Arbeitsplatte auf die Vorschrift des § 640 Abs. 2 BGB gestützt, die im Kaufrecht keine Entsprechung habe.
Verpflichte sich ein Unternehmer zur Lieferung und Montage einer Sache, komme es für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses als Werkvertrag oder als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung (§ 434 Abs. 2 BGB) darauf an, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liege. Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund stehe und je weniger dessen individuellen Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher sei die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten. Liege der Schwerpunkt dagegen auf der Montage- und Bauleistung, etwa auf Einbau und Einpassung einer Sache in die Räumlichkeit, und dem damit verbundenen individuellen Erfolg, liege ein Werkvertrag vor.
Diese Einordnung von Verträgen über die Lieferung und Montage einer Sache stünden im Einklang mit der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl EG Nr. L 171 v. 07.07.1999, S. 12), die bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sei. Danach liege ein Kaufvertrag im Sinne der Richtlinie vor, wenn der Vertrag die Dienstleistung der Montage des verkauften Gutes im Verbund mit dem Kaufabschluss vorsieht und die Dienstleistung den Verkauf lediglich ergänzt, nicht jedoch wenn die Dienstleistung als Hauptgegenstand des Vertrags anzusehen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2017 – C-247/16).

C. Kontext der Entscheidung

Die Abgrenzung zwischen Werk- und Kaufvertrag hat unter funktionaler Betrachtungsweise zu erfolgen, d.h. danach, ob der Schwerpunkt der Verpflichtung des Leistungserbringers in der Eigentumsverschaffung an neuen beweglichen Sachen besteht oder ob die Schöpfung eines über die Sache hinausgehenden Gesamterfolgs Vertragszweck ist. Mit dem Hinweis auf die Übereinstimmung seiner rechtlichen Einordnung von Verträgen über die Lieferung und Montage einer Sache mit der RL 1999/44/EG hat der Senat der Anwendung des in Umsetzung dieser Richtlinie ab 01.01.2018 anwendbaren neu formulierten § 650 BGB vorgegriffen.
Nach § 650 BGB n.F. ist ein Vertrag mit Schwerpunkt auf Lieferung und Herstellung beweglicher Sachen im Allgemeinen als reiner Kaufvertrag zu qualifizieren. Auch die Lieferung und Herstellung als wesentliche Leistung des Vertrages führen nach neuem Recht zur Qualifikation als Kaufvertrag. Von einem Werkvertrag ist erst dann auszugehen, wenn die Dienstleistung als Hauptgegenstand des Vertrags anzusehen ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Nach § 650 BGB n.F. wird weder nach Herkunft des Materials noch nach Art der Sache unterschieden, vielmehr unterfallen der Norm alle Verträge zur Lieferung beweglicher Sachen.
Wollen die Vertragspartner angesichts der Unsicherheit, ob Kauf- oder Werkvertragsrecht anzuwenden ist, Klarheit schaffen, können sie dies durch vertragliche Gestaltung tun. Die bloße Bezeichnung des Vertragstyps etwa als Werkvertrag reicht sicherlich nicht aus. Die Parteien müssen die charakteristischen Elemente eines Werkvertrages ausdrücklich zum Vertragsbestandteil machen, wie etwa Mitwirkungspflichten des Bestellers, Verfahren zur Änderung der ursprünglich vereinbarten vertraglichen Leistung, Prüf- und Abnahmeverfahren als Voraussetzung für die Zahlungspflicht, Qualifikation und zum Austausch von Mitarbeitern oder Einsatz von Subunternehmern etc. Die Wahl des Vertragstyps Werkvertrag darf für den Vertragspartner keine unangemessene Benachteiligung darstellen.
§ 650 BGB n.F. regelt die Abgrenzung von Werkvertrag und Kaufvertrag und ersetzt die alte Regelung des Werklieferungsvertrages. Ungeachtet der Angleichung der Mängelhaftung nach Kauf- und Werkvertragsrecht ist eine Abgrenzung der Vertragsarten aufgrund der jeweiligen Besonderheiten auch nach der Neufassung des § 650 BGB von Bedeutung. Die Zuordnung als Kauf- oder Werkvertrag hat erhebliche rechtliche Konsequenzen. So wird beim Kaufvertrag der Kaufpreis mit Übergabe und Übereignung fällig, während beim Werkvertrag die Vergütung erst mit Abnahme fällig wird (§§ 640, 641, 641a BGB). Der Werkunternehmer hat Anspruch auf Abschlagszahlung (§ 632a BGB), Sicherungsmöglichkeiten nach den §§ 647 ff. BGB. Der Besteller hat Mitwirkungspflichten (§§ 642, 643, 645 BGB), aber auch ein jederzeitiges Kündigungsrecht (§ 649 BGB), das Recht zur Selbstvornahme und Kostenvorschuss (§ 637 BGB). Kennt der Käufer einen Mangel bei Vertragsschluss, ist er mit Gewährleistungsansprüchen ausgeschlossen (§ 442 BGB). Wird die Sache dagegen beim Werkvertrag trotz Kenntnis eines Mangels vorbehaltlos abgenommen, verliert der Besteller gemäß § 634 Abs. 3 BGB zwar seine Rechte auf Nacherfüllung, Aufwendungsersatz oder Minderung (§ 634 Nr. 1 bis 3 BGB), ihm verbleiben jedoch Schadensersatzansprüche nach § 634 Nr. 4 BGB. Das Nacherfüllungswahlrecht liegt im Kaufrecht beim Käufer, beim Werkvertrag beim Unternehmer. Die Mängelrechte mit Ausnahme des Schadensersatzes entfallen im Werkvertragsrecht nur bei positiver Kenntnis des Bestellers vom Mangel (§ 640 Abs. 2 BGB), im Kaufrecht entfallen die Mängelrechte schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis (§ 442 BGB). Im Kaufrecht haftet der Verkäufer auch für Werbeaussagen des Herstellers (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, keine entsprechende Regelung im Werkvertragsrecht), es finden die Rügepflichten Anwendung (§§ 377, 381 Abs. 2 HGB), beim Verbrauchsgüterkauf besteht die Möglichkeit des Rückgriffs gegen den Lieferanten (§§ 478 f. BGB).
Es ist auch auf die neue Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zum Schadensersatzanspruch im Werkvertragsrecht hinzuweisen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH war der Besteller, der ein mangelhaftes Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, berechtigt, als Schaden im Rahmen des kleinen Schadensersatzes nach § 634 Nr. 4 i.V.m. den §§ 280, 281 BGB die fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu verlangen. Der Besteller konnte frei darüber entscheiden, wie er den Schadensersatz verwendet. Diese Rechtsprechung hat der VII. Zivilsenat aufgegeben. Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die mangelbehaftete Sache veräußert, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen (BGH, Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17).

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Da der Kläger nur eine Gesamtsumme als Schaden wegen Mängelansprüchen betreffend Arbeitsplatte und Griffe forderte, wies der Senat darauf hin, dass ein auf mehrere selbstständige prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) gestützter Klageantrag nur dann den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht, wenn die einzelnen Ansprüche hinreichend voneinander abgegrenzt sind, etwa durch betragsmäßige Aufteilung der Klagesumme auf die einzelnen Ansprüche oder bestimmte Reihenfolge der Ansprüche als Haupt- und Hilfsantrag. Erfolgt dies nicht, liegt ein Verfahrensmangel vor, der in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen zu beachten ist. Dieser Mangel kann jedoch in jeder Instanz geheilt werden. Deshalb hat der Senat eine Klarstellung der aufzuteilenden Klagesumme noch im Revisionsverfahren für zulässig erachtet.

Anwendung von Kauf- oder Werkvertragsrecht bei Lieferung und Montage einer Küche
Birgit OehlmannRechtsanwältin

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